PRAXIS

Mini-Review Praxis 2013; 102 (24): 1457 – 1465 1457

Institut für Medizinische Genetik, Universität Zürich, Schlieren Sandra Pajarola, Ruxandra Bachmann, Dunja Niedrist, Anita Rauch

Grundlagen der medizinischen Genetik Basic Aspects of Medical Genetics

Zusammenfassung Das menschliche Genom besteht aus 23 Chromosomenpaaren, die ca. 20 000–25 000 Gene enthalten. Genetische Erkrankungen können durch verschiedene Mechanismen verursacht werden, weshalb die Bestätigung einer Verdachtsdiagnose die Kenntnis des zugrundeliegenden Defektes voraussetzt, damit der richtige Test angewendet werden kann. Monogene Erkrankungen sind durch Störungen in einem einzigen Gen verursacht und aktuell sind nur gezielte Einzelgentests bei spezifischem klinischen Verdacht diagnostisch verfügbar. Chromosomale Störungen betreffen in der Regel mehrere Gene, sodass die Symptomatik oft weniger spezifisch ist. Fachärzte/ innen für Medizinische Genetik FMH sind auf das Erstellen einer klinischen genetischen Differenzialdiagnostik mit Veranlassung der angebrachten Laboranalysen und Befundbeurteilung sowie auf die genetische Beratung bei präsymptomatischer und vorgeburtlicher Diagnostik spezialisiert. In der Schweiz sind im Rahmen genetischer Analysen spezifische gesetzliche Grundlagen und ethische Richtlinien zu beachten. Schlüsselwörter: medizinische Genetik – genetische Analysen – Sequenzierung – Mutationen – Chromosomen Das menschliche Genom besteht aus ca. 3×109 Basenpaaren DNA, (entspricht ca. 3000 Millionen Basenpaare (Mb)), die in 23 Chromosompaaren verpackt sind, und enthält ca. 20 000 bis 25 000 Gene, die für Proteine kodieren, was ca. © 2013 Verlag Hans Huber, Hogrefe AG, Bern

1,5% des gesamten Genoms entspricht. Die restlichen 98,5% des menschlichen Genoms sind nach heutigem Kenntnisstand vor allem für regulatorische Aufgaben verantwortlich oder haben bisher unbekannte Funktionen. Genetische Erkrankungen können von grösseren chromosomalen Defekten, die mehrere Gene enthalten, oder von Defekten in einzelnen Genen (entweder Punktmutationen oder kleinere Deletionen oder Insertionen in einem Gen) verursacht werden. In einigen Fällen kann die Expression eines Gens durch fehlerhafte Methylierung der regulatorischen Regionen betroffen sein und dadurch zu einer Verringerung oder Vermehrung der kodierten Proteine führen. Ein zusätzlicher Mechanismus, durch den die Expression eines Genes vermindert werden kann, sind die Trinukleotid-Repeat-Expansions-Erkrankungen, in denen die Anzahl von Wiederholungen einer Sequenz von drei Basenpaaren erhöht ist und dann zu Methylierung der regulatorischen Regionen führt. Um einen pathogenen genetischen Defekt nachweisen zu können bzw. eine Verdachtsdiagnose genetisch zu bestätigen, muss bekannt sein, wie eine Erkrankung verursacht wird, z. B. ob eine Chromosomenaberration, eine Mutation eines einzelnen Gens oder eine Methylierungs-Anomalie zu erwarten ist. Man geht heute davon aus, dass es mehr als 6000 genetisch bedingte Erkrankungen gibt. Die meisten davon sind jeweils selten, in der Summe wird aber geschätzt, dass 5–8% der Bevölkerung von einer dieser Erkrankungen betroffen sind. Fachärzte/innen für Medizinische Genetik FMH sind darauf spezialisiert,

aus der Symptomatik und dem äusseren Erscheinungsbild eines Patienten eine klinische Differenzialdiagnostik zu erstellen, die Möglichkeiten, Nutzen und Aufwand einer entsprechenden Labordiagnostik zu erläutern und allenfalls zu veranlassen. Des Weiteren sind sie Spezialisten für die genetische Beratung, insbesondere bei prädiktiven Fragestellungen von bislang symptomfreien Verwandten aus Familien mit vererblichen Tumorerkrankungen oder neurodegenerativen Erkrankungen, sowie bei Fragestellungen bezüglich vorgeburtlicher genetischer Diagnostik und Untersuchungen zur Familienplanung. Die genetischen Laboranalysen selbst werden von Spezialisten/innen für Medizinisch-Genetische Laboranalytik FAMH durchgeführt. Einzelne häufigere, vor allem hämatologische Genanalysen können auch von allgemeinen Spezialisten für Laboranalytik erbracht Im Artikel verwendete Abkürzungen: CGH Comparative genomic hybridization CMA Chromosomale MikroarrayAnalyse FISH Fluoreszenz-in-situHybridisierung GTG G-Bänderung nach Behandlung mit Trypsin und Giemsa LCR Low copy repeat Mb Millionen Basenpaare MLPA Multiplex ligation-dependent probe amplification OMIM Online Mendelian Inheritance in Man PCR Polymerase chain reaction SNP Single nucleotide polymorphism WZW Wirksam, zweckmässig, wirtschaftlich DOI 10.1024/1661-8157/a001487

[Basic aspects of medical genetics].

Le génome humain est constitué de 23 paires de chromosomes et contient 20 000 à 25 000 gènes. Les maladies génétiques peuvent être causées par différe...
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