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Atypische Formen der Syringomyelie - ein kasuistischer Beitrag P. Schejba/, G. Eschmann-Meh/

Unusual Forms ofSyringomyeliaAReport ofThree Cases The introduction of magnetic resonance imaging (MRI) has made the diagnosis of syringomyelia safer and more exact. Moreover, the lack of correlation between the c1inical picture and the MRI findings was demonstrated, and unsuspected cases could be identified as pertaining to syringomyelia. The three cases reported should point at the variable symptomatology in syringomyelia. A more frequent occurrence of unusual symptoms and courses ofthe disease than previously assumed is discussed.

Einleitung Die klinische Diagnose der Syringomyelie stützt sich auf die klassische Kombination einer segmentalen peripheren Läsion (dissoziierte Sensibilitätsstörungen und atrophisierende Paresen an den Armen) mit Schädigungszeichen der langen Bahnen (Spastik, Hyperreflexie, Pyramidenbahnzeichen an den Beinen) in langsamer Progredienz (11). Dabei können insbesondere Fälle im Initialstadium erhebliche diagnostische Schwierigkeiten bereiten. Aber auch ein längeres Fortschreiten eines "chronischen zentralen Halsmarksyndroms" macht gelegentlich die differentialdiagnostische Abgrenzung von Myelopathien anderer Genese schwierig (9, 14). Elektrophysiologische, nativ- und kontrastmittelradiologische und selbst Liquoruntersuchungen bringen oft einen enttäuschend geringen diagnostischen Gewinn, der zumeist im Ausschluß typischer Zeichen anderer Erkrankungen besteht (4). Erst die Computertomographie und noch mehr die Kernspintomographie haben entscheidende Fortschritte für die Syringomyeliediagnostik gebracht und die frühzeitige DiagnosesteIlung auch in atypischen Fällen ermöglicht, bei denen die Symptomatik nicht von vornherein das Vorliegen einer Syringomyelie vermuten läßt. Die weiter unten angeführten Fallbeispiele sollen auf solche atypischen Verläufe hinweisen und letztlich auch die möglichen Konsequenzen diagnostischer Fehldeutungen aufzeigen. Mit den erweiterten Möglichkeiten der (intravitalen) Rückenmarksdiagnostik geht aber auch ein terminologischer Wandel im Gebrauch der (bisher pathologisch-ana-

Fortschr. Neuro\. Psychiat. 58 (1990) 43-47 C GeorgThieme VeriagStuttgart . New York

Zusammenfassung Durch die Einführung der Kernspintomographie ist die Diagnostik der Syringomyelie sicherer und präziser geworden. Gleichzeitig wurden aber teilweise erhebliche Diskrepanzen zwischen der klinischen Symptomatik und der Rückenmarksmorphologie aufgezeigt. Darüber hinaus konnten auch solche Fälle erfaßt werden, deren Symptomatik zunächst nicht an eine Syringomyelie denken ließ. Anhand von 3 eigenen Fallbeispielen wird an die große Variabilität in der Symptomatik der Syringomyelie erinnert und ein häufigeres Vorkommen ungewöhnlicher Verlaufsformen als bisher angenommen diskutiert.

tomisch definierten) Begriffe Syringomyelie und Hydromyelie einher. In der älteren Literatur wird eine Höhlenbildung im Rückenmark solange als Hydromyelie bezeichnet, wie die Ependymauskleidung des Zentralkanals erhalten ist. Erst wenn der Ependymmantel nicht mehr vorhanden ist, wird von einer Syringomyelie gesprochen. Die Hydromyelie wird also als die Vorstufe von Syringomyelie aufgefaßt; ihr wiederum liegt eine embryonale Entwicklungsstörung, die Dysraphie, zugrunde (17). Andere Autoren möchten den Begriff Hydromyelie für die Aufweitung des Zentralkanals reservieren und nur die nicht mit dem Zentralkanal in Verbindung stehenden Höhlen als SyringomyeIie bezeichnen (15). Da aber bei beiden Definitionen die Unterscheidung zwischen Hydro- und Syringomyelie intravital nicht möglich ist, führten englischsprachige Autoren den Begriff "Syringohydromyelie" ein (3, zit. n. 13). Ein anderer Einteilungsversuch (6) unterscheidet zwischen der "kommunizierenden" SyringomyeIie, bei der eine Verbindung zwischen dem 4. Ventrikel und dem erweiterten Zentralkanal besteht und die Folge einer (embryonalen) Entwicklungsstörung ist, und der "nicht-kommunizierenden" Syringomyelie, die mit intramedullären Tumoren einhergeht oder sich nach Rückenmarkstraurnen bzw. Entzündungen ("spinale Arachnitis") entwickelt. Wohl um diese "symptomatische" oder "sekundäre" Höhlenbildung im Rückenmark von der "kommunizierenden" Syringomyelie sprachlich besser abgrenzen zu können, ziehen einige Autoren den Begriff "progrediente zystische Myelopathie" anstelle der "nichtkommunizierenden" Syringomyelie vor. Da schließlich einige Fälle auch in diesen Klassifikationen nicht einzuordnen sind, wurde zusätzlich die Kategorie der "idiopathischen" Syringomyelie geschaffen (13). Aber auch dieses klassifikatorische System hat die begrifflichen Schwierigkeiten nicht endgültig beseitigt, so daß der Gebrauch des Terminus "Syringomyelie-

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Neurologische Klinik und Poliklinik (Direktor: Prof. Dr. J.-P. Malin) der Berufsgenossenschaftlichen Krankenanstalten Bergmannsheil Bochum - Universitätsklinik

Fortsehr. Neuro/.

P~ychiat.

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P. Sehe/haI, G. Esehmann-Mehl

Abb.2 Fall 2: Isolierte Syringomyeliehöhle zwischen BWK 3 und BWK7/8 (TR500/TE 30)

Abb.1 Fa111: Kranialer Teil einer ausgedehnten Syringomyeliehöhle, die nach kaudal bis BWK 9/1 0 reicht (hier nicht dargestellt) (TR 600/TE 26)

komplex" (10) gerechtfertigt erscheint. Mit diesem Begriff wird gleichzeitig auch die Vielfalt der ätiologischen Bedingungen angedeutet, die zu einer Höhlenbildung im Rückenmark führen können. Kasuistik

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Fall J Die 62jährige Patientin wurde uns von der H NO-Klinik wegen rechtsseitiger Gesichtsschmerzen seit etwa einem Jahr und wegen langsam progredienter Schluckstö~ung seit etwa 5 Wochen vorgestellt. Anamnestisch wurde an relevanten Vorerkrankungen lediglich eine seit der Geburt bestehende Bewegungseinschränkung im rechten Schulter- und Ellenbogengelenk mitgeteilt. Im neurologischen Befund fielen eine Abschwächung des Kornealretlexes und eine inkomplette periphere Fazialisparese rechts, eine Zungenabweichung nach links und eine bulbär verwaschene Sprache auf. Über der gesamten rechten Gesichtshälfte und übergreifend auf die behaarte Kopfhaut und die rechte Halsseite wurde eine Hyperpathie angegeben. Es bestand ein schmerzhafter Trismus mit Kiefersperre. An den Extremitäten waren keine sensomotorischen oder koordinativen Störungen sicher reproduzierbar. Die zunächst durchgeführten elektrophysiologischen, laborchemischen, nativ-röntgenologischen und computertomographischen Untersuchungen erbrachten keine Hinweise auf die Genese des vermuteten Hirnstammprozesses. Erst die Kernspintomographie des Schädels zeigte den rostralen Zipfel eines intramedullären Hohlraumes, dessen Ausdehnung durch die Kernspintomographie des Hals- und Brustmarkes bis in Höhe BWK 9/ 10 bestimmt werden konnte

(Abb. I). Die in Höhe des H WK 4 durchgeführte zervikale Computertomographie nach lumbaler Kontrastmittelapplikation zeigte die Erweiterung des Zentralkanals ohne Eindringen des Kontrastmittels in den intramedullären Hohlraum. Im Liquor cerebrospinalis fiel eine mäßige Hyperproteinose von 900 mg/I bei normaler Zellzahl auf. Nachdem symptomatische Behandlungsversuche der neuralgifonnen Gesichtsschmerzen, des Trismus und der Dysphagie keinen Erfolg erbrachten, wurde die Patientin in neurochirurgische Behandlung überwiesen. Bei der in Höhe des BWK I durchgeführten Laminektomie wurde eine sich vorwölbende Arachnoidea gesehen, nach deren Durchtrennung Liquor abtloß und das aufgetriebene Rückenmark kollabierte. Es wurde eine Shunt-Verbindung zwischen der Syrinx und dem Subarachnoidalraum gelegt. Im postoperativen Verlauf gab die Patientin eine Besserung der Schmerzsymptomatik und der Kiefersperre an, die jedoch nur vorübergehend war.

Fall 2 Die 27jährige Patientin klagte seit 4 Jahren über Rückenschmerzen ohne Ausstrahlung in die Beine. Im Tagesverlauf bemerkte sie einen" Muskelkater" in den Waden und abends ein Kribbeln unter den Fußsohlen. Seit einigen Monaten hatte sie ein Taubheitsgefühl im ganzen linken Fuß. Im neurologischen Befund fand sich eine Störung der Obertlächensensibilität links unterhalb von Th 7 und eine Tiefensensibilitätsstörung an bei den unteren Extremitäten. Im KHV fiel eine ausgeprägte Ataxie auf. eine Stand- und Gangunsicherheit verstärkte sich beim Augenschluß. Paresen oder Retlexauffälligkeiten konnten nicht sicher objektiviert l'ierden. Der unter dem Verdacht auf eine Encephalomyelitis disseminata entnommene Liquor cerebrospinalis zeigte neben einer Pleozytose von 29/3 Zellen eine Hyperproteinose von 2200 mg/I; Zeichen eines chronisch-immunaktiven Prozesses lagen nicht vor. PostpunktioneIl nahmen vorübergehend die Beschwerden erheblich zu. Kernspintomographisch stellte sich eine zystische Hohlraumbildung in Höhe BWK 3 bis 7/8 dar, die

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Aufgrund des auffälligen Symptomwandels veranlaßten wir eine Kernspintomographie im HWS- und BWS-Bereich, die eine zentrale Höhlenbildung zwischen HWK 6 und BWK 12 ergab (Abb. 3). Neurochirurgischerseits wurde zu einer Liquorableitungsoperation geraten, falls die Ausfallssymptomatik ein weiteres Fortschreiten kranialwärts zeigen sollte. Diskussion Abb.3 Fall 3: Kranialer Teil einer Syringomyeliehöhle zwischen HWK 6 und BWK 12 (T R 500fT E 20)

computertomographisch hypodens erschien (Abb. 2). Therapeutisch wurde eine Laminektomie in Höhe BWK 6/7 und eine Drainage der Syrinx vorgenommen.

Fall] Die 51jährige Patientin hat im 2. Lebensjahr eine Meningitis durchgemacht, über deren Genese und Behandlung (vor der Antibiotika-Ära) keine Angaben erhältlich waren. Als Residuum bestand eine linksseitige Hörminderung und eine Abduzenslähmung. Im 29. Lebensjahr trat eine Schwäche der Beine mit Gangunsicherheit auf, die seitdem eine kontinuierliche Verschlechterung aufwies. Im 37. Lebensjahr traten Blasenfunktionsstörungen hinzu, seit dem 42. Lebensjahr benutzt die Patientin einen Rollstuhl, seit dem 47. Lebensjahr kann sie nicht mehr stehen. Seit dem Erkrankungsbeginn konnte bei wiederholten Versuchen der diagnostischen Abklärung auf lumbalem Wege kein Liquor gewonnen werden. Die Erkrankung wurde als eine Encephalomyelitis disseminata aufgefaßt, bis die im 37. Lebensjahr der Patientin von subokzipital vorgenommenen Untersuchungen (Myeloszintigraphie und Myelographie) eine Passagebehinderung bei Th 4 ergaben. Es wurde eine Arachnopathia spinalis nach frühkindlicher Meningitis angenommen. Bei der daraufhin durchgeführten Laminektomie in Höhe BWK 3/4 wurden Verwachsungen zwischen Dura, Arachnoidea und dem indurierten Rückenmark gelöst, ohne daß eine wesentliche Besserung der neurologischen Ausfälle eintrat. Aus den vorliegenden Fremdberichten geht eindeutig hervor, daß im frühen Erkrankungsverlauf eine spastische Paraparese der Beine vorlag; an den oberen Extremitäten wurden niemals neurologische Ausfälle beschrieben. Eine Symptomatik des zweiten Motoneurons an den unteren Extremitäten mit schlaffen Paresen der Fuß motorik und erloschenem ASR wurde erstmals im 49. Lebensjahr der Patientin erwähnt.

Alle 3 Patientinnen wiesen ungewöhnliche Symptome oder Verläufe einer Erkrankung aus dem Formenkreis der Syringomyelie auf; in allen Fällen konnte die Diagnose mit der Kernspintomographie gestellt werden. Im Fall I imponiert vor allem die Diskrepanz zwischen der (späten, bulbär lokalisierten) klinischen Symptomatik und dem (überraschenderweise weitaus ausgedehnteren) kemspintomographischen Befund, der einen langen asymptomatischen Verlauf (über Jahrzehnte?) vermuten läßt. In den Fällen 2 und 3 ist es die primär thorakale Lokalisation des Prozesses, die im Fall 3 zusammen mit den nicht eindeutigen Ergebnissen der klassischen radiologischen Diagnostik zu einer jahrelangen diagnostischen Fehldeutung der Symptomatik führte. Auf Diskrepanzen zwischen der Rückenmarksmorphologie und der klinischen Symptomatik wies bereits Staemmler im Jahre 1942 hin, der unter fast I 200 autoptisch untersuchten Rückenmarkspräparaten 24mal den Befund einer Hydro-/Syringomyelie erhob; davon wurden 16 Fälle der Syringomyelie im engeren Sinne und 8 der "reinen Hydromyelie" zugeordnet (17). Es handelte sich hierbei ausschließlich um Patienten, die an einer nicht neurologischen, meist akuten (und heute heilbaren) Erkrankung verstarben und von denen intravital keine klinischen Symptome einer Rückenmarkserkrankung berichtet wurden (allerdings wurden exakte klinisch-neurologische Untersuchungen nicht vorgenommen). Angesichts dieser Befunde stellt Staemmler fest: "Die Syringomyelie ist als verdecktes, völlig symptomloses Leiden offenbar viel häufiger als gewöhnlich angenommen wird." (I7,S. 190). Intravital erlaubt die konventionelle radiologische Diagnostik mit den Nativaufnahmen nur sekundäre ossäre Veränderungen (Skoliose, Arthropathien) darzustellen. Die Kontrastmitteldiagnostik ermöglicht nur eine indirekte Abbildung der anatomischen Rückenmarksverhältnisse, mit der die intramedulläre Höhlenbildung nicht immer erfaßt werden kann. Die spinale Computertomographie nach Kontrastmittelgabe vermag zwar in manchen Fällen den direkten Nachweis der Syrinx zu erbringen und ggf. auch die Unterscheidung zwischen kommunizierender und nicht-kommunizie-

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Bei der Aufnahme in unserer Klinik fanden sich eine schlaffe rechtsbetonte hochgradige Paraparese der Beine mit schweren Muskelatrophien und Verlust beider ASR und des rechten PSR. Das rechte Bein zeigte einschießende myokloniforme motorische Entäußerungen bei sensibler Reizung. Die Sensibilität war für alle Qualitäten unterhalb von Th 4 abgeschwächt, am linken Bein fast aufgehoben. Es bestand eine erhebliche Parese der Rumpfmuskulatur. Auch im linken Arm waren diskrete Atrophien der kleinen Handmuskeln mit leichter Parese erkennbar, die der Patientin selbst bisher nicht aufgefallen waren.

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render Syringomyelieform zu treffen. Die longitudinale Ausdehnung der Syringomyelie kann jedoch auch mit diesen Methoden nicht zuverlässig bestimmt werden (1, 11). Die "klassischen" elektrophysiologischen Methoden (EMG, ENG) können insofern zur Lokalisationsdiagnostik beitragen, als sie ggf. eine periphere (Vorderhorn-) Läsion in einem klinisch scheinbar nicht betroffenen Segment nachzuweisen vermögen. Die SEP werden als ein Indikator für die Druckwirkung der intramedullären Raumforderung auf die Hinterstränge betrachtet (4, 11). Eine ätiologische Zuordnung der nachgewiesenen Läsion erlauben die genannten Methoden freilich nicht. Erst mit der Kernspintomographie ist ein sicherer Nachweis einer Höhlenbildung, deren Abgrenzung von gliomatösen Neubildungen und die Bestimmung deren longitudinalen und transversalen Ausdehnung möglich geworden. Dabei zeigte sich bald, daß zwischen der Längs- und Querausdehnung der Syrinx einerseits und dem Ausmaß sowie der Lokalisation der klinischen Symptomatik andererseits keine feste Korrelation besteht (8). Einige der dargestellten Fälle zeigten klinisch völlig atypische oder geringfügige Symptome, die nicht an eine Syringomyelie denken ließen (8, 12). Hinsichtlich der Lokalisation wird die Syringomyelie in erster Linie mit dem Halsmark in Verbindung gebracht. Von dort aus soll sich die Höhle nach kranial bis zur Medulla oblongata (Syringobulbie), in seltenen Fällen bis zu den Stammganglien (Syringomesenzephalie) ausdehnen können. Nach kaudal hin wird die Ausdehnung ins Thorakalmark als häufig, ins Lumbosakralmark als selten beschrieben (13). Dabei wird aus der Progredienz der klinischen Symptomatik auf die fortschreitende Ausdehnung der Syrinx geschlossen. Aus naheliegenden Gründen (Notwendigkeit wiederholter belastender Untersuchungen und deren beschränkte lokalisatorische Aussage bei der konventionellen Diagnostik; Kürze der Zeitspanne seit Einführung der Kernspintomographie) fehlen bisher morphologische Verlaufsuntersuchungen über längere Zeitspannen hinweg. Inwieweit der Rückschluß von der Progredienz der klinischen Symptomatik auf die Veränderungen der anatomischen Verhältnisse gerechtfertigt ist, muß unter dem Eindruck der mangelnden Korrelation zwischen dem klinischen und dem kernspintomographischen Befund jedoch als fraglich erscheinen. Isolierte Manifestationen der Syringomyelie unterhalb des Zervikalmarks werden in der älteren Literatur anhand pathologisch-anatomischer Untersuchungen (17) in Einzelfällen beschrieben. Mitunter wurde sogar ein häufigeres Vorkommen der subzervikalen Syringomyelie-Lokalisation vorausgesetzt, indem dem (häufigeren) "Zervikaltypus" der "Lumbal"- bzw. der "Sakraltypus" gegenübergestellt wurde (7). Dagt';gen bestreiten andere Autoren (10) das Vorkommen einer isolierten subzervikalen Lokalisation der Syrinx. Auch die aus neuerer Zeit stammenden Übersichten (9, 13) stellen die primär zervikal lokalisierte Symptomatik ganz in den Vordergrund; dies ist aus den oben erwähnten Grenzen der klinischen und der konventionellen radiologischen Diagnostik leicht verständlich. Erst mit der Kernspintomographie konnten ausschließlich im Thorakal- und Lumbalmark lokalisierte Syringomyeliehöhlen intravital nachgewiesen werden (15, 18).

P. Schejbal. G. Eschmann-Mehl

Die ätiologische Zuordnung der Syringomyelie ist trotz der erweiterten Möglichkeiten der lokalisatorischen Diagnostik weiterhin schwierig. Die geringsten Probleme dürften noch bei den mit einem Tumor oder einem umschriebenen Rückenmarkstrauma assoziierten zystischen Prozessen auftreten. Das gleichzeitige Vorliegen anderer Fehlbildungen, insbesondere einer Arnold-Chiari-Malformation, dürfte auf eine anlagemäßige Disposition hinweisen; welche weiteren pathogenetischen Faktoren zur Erklärung der Prozeßentwicklung herangezogen werden müssen, ist z. Z. noch nicht geklärt. Insbesondere die ausgesprochene Chronizität und Variabilität sowohl der symptomatischen als auch der asymptomatischen Verläufe (die anhand der neueren kernspintomographischen Untersuchungen häufiger als bisher angenommen werden müssen) bedürfen noch einer Erklärung. Schlußfolgerungen I. Die diagnostische Effizienz der Kernspintomographie bei Rückenmarkserkrankungen ist nunmehr ausreichend belegt und rechtfertigt die (z. Z. noch relativ hohen) Untersuchungskosten auch mit dem praktisch fehlenden Risiko und der geringen subjektiven Belastung des Patienten durch die auch ambulant durchführbare Untersuchung. Dennoch kann wegen der zusätzlichen diagnostischen Information in manchen Fällen auf den Einsatz der konventionellen radiologischen Untersuchungen, der elektrophysiologischen und insbesondere der Liquordiagnostik nicht verzichtet werden. 2. Die Erweiterung der diagnostischen Möglichkeiten brachte neue, mitunter überraschende Erkenntnisse über die Morphologie intramedullärer Prozesse. Neben der nunmehr gegebenen Möglichkeit, nahezu zuverlässig zwischen einer zystischen und einer soliden Raumforderung zu differenzieren, konnte eine teilweise erhebliche Diskrepanz zwischen der klinischen Symptomatik und der Rückenmarksmorphologie intravital demonstriert werden. Darüber hinaus konnte das Symptomspektrum der Syringomyelie um atypische Fälle erweitert werden, bei denen der Nachweis einer intramedullären zystischen Raumforderung mit den Mitteln der konventionellen Diagnostik nicht gelang, und die vermutlich daher bislang nicht der Syringomyelie zugeordnet werden konnten. 3. Die neuen Erkenntnisse über die große Variabilität der klinischen Symptomatik und viele atypische Formen der Syringomyelie geben schließlich Veranlassung, sich der (bereits vor der Ära der Computer- und Kernspintomographie erhobenen) Forderung (5) anzuschließen: "Die (...) neuen Erkenntnisse über die Syringohydromyelie sollten den neurologisch tätigen Arzt veranlassen, seine bisherigen Vorstellungen zu überprüfen und mit einem neuen Verständnis dieser Erkrankung eine gezieltere Diagnostik durchzuführen." 4. Es bleibt zu hoffen, daß die neueren Methoden und Erkenntnisse auch zur weiteren Klärung der Ätiologie, der beobachteten Diskrepanzen zwischen klinischer und morphologischer Symptomatik und der außerordentlichen Variabilität im Verlauf der Syringomyelie beitragen werden, und daß dadurch die bisher bestehenden Unsicherheiten bezüglich der Indikationsstellung, der Methodik und der

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Ergebnisse operativer Behandlungsverfahren (2) beseitigt werden können. Danksagung Der Verfasser dankt Herrn Dr. Dr. H. J. FlScher(Geseilschaft für Diagnose und Forschung am Gemeinnützigen Gemeinschaftskrankenhaus Herdecke, Klinikum der Universität Witten/Herdecke), Herrn Prof. Dr. G. Kunitsch (Abteilung für Allgemeine Röntgendiagnostik und Neuroradiologie, Alfried Krupp Krankenhaus Essen) und Herrn PD Dr. H. K. Beyer(Klinik für Röntgendiagnostik Nuklearmedizin, Strahlentherapie, Kernspintomographie, Marienhospital Heme - Universitätsklinik) für die freundliche Erlaubnis zur Veröffentlichung der Kemspintomogramme.

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Atypische Formen der Syringomyelie- ein kasuistischer Beitrag

[Atypical forms of syringomyelia--a case report].

The introduction of magnetic resonance imaging (MRI) has made the diagnosis of syringomyelia safer and more exact. Moreover, the lack of correlation b...
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