Intensivmedizin 196

Beatmung in Bauchlage beim akuten Lungenversagen B. Thiiligl, T. Hachenberg 1, M . Wendt ', W . Wiesmann > U. Sulkowski3

Respiration in Prone Position in Acute Respiratory Distress Syndrome (ARDS) Summary A patient is presented in whom an acute respiratory distress syndrome (ARDS) developed after severe lung contusion. Exchange of gas was markedly restricted under aggressive respiration (FiOz = 1.0, PEEP = 10 mmHg, breathing time quotient = 0.5, respiratory minute volume= 16 litres; gas exchange values: Pa02 = 67mmHg, PaCOz = 45 mmHg, PA-,O~ = 461 mmHg). After control of the computed tomogram of the lungs showed marked densifications in those parts of the lung that are lowermost by gravitation according to the positioning of the patient at a particular time the patient was ventilated in vintricumbent (prone) position for 60 hours. After having remained in this position for 48 hours, there was a sibificant improvement in the gas exchange (Pa02 =89 mmHg, PaC02 = 36 rnmHg, PA-,O2 = 77mmHg at FiOz = 0.3, PEEP = 6mmHg, breatlung time quotient = 0.5 and respiratory minute volume = 9 litres). The control CT in dorsal position showed that the dorsal densifications had disappeared cornpletely. Five days later the patient could be extubated. - Respiration in ventricumbent (prone) position may considerably improve oxygenation by perfusion of well-ventilated regions of the lung that are lowermost by gravitation according to the relative positioning of the patient. Besides regions not well ventilated or not ventilated at all (according to the patient's may be better ventilated or re-opened and made accessible to ventilation by this method.

Die Entwicklung eines akuten Lungenversagens (adult respiratory distress syndrome, ARLIS) nach schwerer Lungenkonrusion ist ein in der lntensivmedizin bekanntes Problem. Die zur Therapie notwendige Beatmung (5) kann das Lungenparenchym zusätzlich schädigen und Ventilations-Perfusions-Inhomogenitäten verstärken (4,7).

Anästhcsiol. Intensivmed. N o t f a h e d . Schmerzther. 26 (1991) 196-198 0 Ceorg Thieme Verlag Stuttgart . New York

Zusammenfassung Vorgesteilt wird ein Patient, bei dem sich nach schwerer Lungenkontusion ein akutes Lungenversagen (ARDS) entwickelte. Unter aggressiver Beatmung (FiOz = l,O, PEEP = 10 mmHg, Atemzeitverhälmis = 0,5, Atemminutenvolumen = 16 Liter) war der Gasaustausch deutlich eingeschrankt (PaOz = 67mmHg, PaC02 = 45mmHg, PA-,Oz = 461 mmHg). Nach Durchführung eines Computertomograrnms des Thorax, welches erhebliche Verdichtungen in den abhängigen dorsalen Lungenpartien zeigte, wurde der Patient für die folgenden 60 Stunden in Bauchlage beatmet. Nach 48stündiger Bauchlage kam es zu einer signifikanten Besserung des Gasaustausches (PaOz = 89mmHg, PaC02 = 36mrnHg, PA-,02 = 77mmHg bei FiOn = 0,3, PEEP = 6 mmHg, Atemzeitverhältnis = 0,s und Atemminutenvolumen = 9 Liter). Das Kontroll-CT in Rückenlage ergab eine komplette Rückbildung der dorsalen Verdichtungen. Fünf Tage später konnte der Patient extubiert werden. - Mittels Beatmung in Bauchlage läßt sich durch Perfusion gut ventilierter abhängiger Lungenbezirke eine erheblich verbesserte Oxygenierung erzielen. Außerdem werden minder- und nichtbelüftete Bezirke ehemals abhängiger Regionen vermehrt ventiliert bzw. wiedereröffnet.

Im folgenden wird ein Patient vorgestellt, bei dem sich nach einem Thoraxtrauma ein ARDS ausbildete. Durch Ventilation in Bauchlage ließen sich eine signifikante Besserung des Gasaustausches und eine deutliche Rückbildung pulmonaler Verdichtungen erzielen. Fallbericht Ein 29jähriger Mann (Körpergewicht 75 kg, Körpergröße 178 cm) erlitt bei einem Verkehrsunfall ein stumpfes Thoraxtrauma. Bei Einweisung in unsere Klinik zeigten sich bilaterale schwere Lungenkontusionen, eine

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'Klinik und Poliklinik für Anästhesiologie und operative Intensivinedizin (Direktor: Univ.-Prof. Dr. rned. Dr. rned. h.c. P. Lawin, F.C.C.M.) ZInst~tut für Klinische Radiologie (Direktor: Univ.-Prof. Dr. mcd. P. E. Peters) 'Klinik und Poliklinik für Aügemeine Chirurgie (Direktor: Univ.-Prof. Dr. med. H. Bünte) Westfälische Wilhelms-Universität Münster

Anästhesiol. Intensivmed. Notfallmed. Schmerzther. 26 (1991)

Abb.1 A.p.-Röntgenbild des Thorax: diffuse inhomogene Verschatlungen bei ARDS.

Abb.2 CT in Höhe der Trachealbifurkation:ausgedehnte dorsale bilaterale Verdichtungen.

Abb.3 CT in gleicher Höhe wie in Abb. 2: vollständige Rückbildung der dorsalen Verdichtungen nach Beatmung in Bauchlage.

Abb.4 A.p.-Röntgenbild des Thorax: vollständige Rückbildung der diffusen inhomogenen Verschattungen nach Beatmung in Bauchlage (vergl. Abb. 1).

linksseitige Skapulafraktur sowie multiple großflächige Hautabschürfungen. Trotz kontrollierter Beatmung mit einer inspiratorischen Sauerstoffkonzentration (FiOz) von 1,0, einem positiv endexspiratorischen Druck (PEEP) von 10 cm H20, einem Atemzeitverhältnis von 0,5 bei einem Atemminutenvolumen von 16 Litern war der Gasaustausch massiv eingeschränkt. Der arterielle Sauerstoffpartialdruck (PaOz) lag unter dieser Beatmung bei 67 mmHg, der COz-Partialdruck (PaCOz) bei 45 mmHg und die alveoloarterielle Sauer~toff~artialdruck-Differenz(PA.,Oz) bei 461 mmHg. Nach vorübergehender Erholung der Lungenfunktion kam es am fünften Tag nach Aufnahme zur erneuten Verschlechterung der Oxygenierung. Klinisch und röntgenologisch bestanden deutliche Hinweise auf ein beginnendes ARDS (Abb. 1). Unter der Vermutung, daß insbesondere dorsaie Veränderungen des Lungenparenchyms zur schweren Gasaustauschstörung beitrugen, wurde neun Tage nach Aufnahme des Patienten eine Computertomographie (CT) des Thorax durchgeführt (Abb. 2). Es fanden sich ausgedehnte bilaterale Verdichtungen abhängiger Lungenpartien. Aufgrund dieses Befundes wurde der Patient für die folgenden 60 Stunden in Bauchlage beatmet. Nach 48

Stunden hatte sich der Gasaustausch bei stabiler Hämodynarnik deutlich gebessert (Pa02 = 89mmHg, PaC02 = 36mmHg, PA-,02=77mmHg). Gleichzeitig konnten die FiOz auf 0,3, der PEEP auf 6 cm H 2 0 und das Aternrninutenvolumen auf 9 Liter reduziert werden. Daraufhin wurde ein Kontroll-CT des Thorax in Rückenlage erstellt (Abb. 3). Es zeigte sich eine komplette Rückbildung der Verdichtungen in den vormals abhängigen Lungenpartien. In den ventralen pulmonalen Regionen war es zur Ausbildung einzelner diskreter Verdichtungen gekommen. Im entsprechenden Röntgenbild des Thorax war die diffuse inhomogene Transparenzminderung ebenfalls nicht mehr nachweisbar (Abb. 4). Es wurde mit der Entwöhnung vom Beatmungsgerät begonnen, so dat3 der Patient nach weiteren fünf Tagen extubiert werden konnte. Diskussion In mehreren Untersuchungen wurde kürzlich gezeigt, daß sowohl unter Aügemeinanästhesie und Muskelrelaxierung als auch beim ARDS röntgenologisch Verdichtungen in gravitutionsabhüngigen Lungenpartien

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Beatmung in Bauchiage bei Lungenversagen

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Therapeutisch sind zwei Möglichkeiten denkbar, um die Oxygenierung und Ventilation in dieser Situation zu verbessern. Um ein optimales Verhältnis von Ventilation und Pe+sion zu erzielen, mufi das Atemhubverhältnis zur regionalen perfusion verteilt werden mit möglichst geringer ~eeinträchtigungder gesamten Lungend'Jrchblutung. Dies kann durch Seitenbgerung des Patienten und seitengetrennte Beatmung mit selektivem PEEP erreicht werden (1, 3). Durch Applikation eines höheren PEEP-Niveaus auf die abhängige Lunge kommt es zur Ventilation dieser besser perfundierten Areale. Ein solches vorgehen erfordert jedoch einen DopPdhmentubus, ist logistisch aufwendig und beim polytraumatisierten Patienten nicht ohne weiteres durchhhrbar.

~l~~ l kommt ~ zur verbessening ~ des Ventilations-Perfusions-Verhältnisses eine Beatmung in Bauchlage in Frage. Auch auf diese Weise läßt sich durch Perfusion gut ventilierter abhängiger Lungenareale eine erheblich verbesserte Oxygenierung erzielen (6). Aderdem werden minder- und nichtbelüftete Areale in ehemals abhängigen Lungenbezirken nun vermehrt ventiliert bzw. wiedereröffnet. Durch diese Mechanismen sind vermutlich die im vorliegenden Fall beschriebenen funktionellen und strukturellen Verbesserungen der Lunge zu erklären. Bei adäquatem Gasaustausch konnte die „Aggressivitätuder Beatmung deutlich vermindert werden. Dadurch sinkt auch die Wahrscheinlichkeit beatmungsinduzierter Komplikationen wie pulmonales Barotrauma oder Beeinträchtigung der Hämodynarnik. Im Laufe der 60stündigen Beatmung in Bauchlagerung bildeten sich bei dem beschriebenen Patienten keine nennenswerten ventral gelegenen Verdichtungen aus. Dies ist einer dem Krankheitsstadium entsprechenden Abnahme der endothelialen Permeabilitätsstörung zuzuschreiben, so dai3 die Wahrscheinlichkeit eines Wiederauftretens von Ödem und Atelektasen gering ist.

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Dr. med. B. T b ü l i ~ Kiinlk und PoliWinik für Anästhesiologie und operative Intensivmedizin Westfälische Wilhelms-Universität Münster

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auftreten (8, 9). Diese Veränderungen der Lungenstruktur beim ARDS kommen durch interstitielles und alveoläres Ödem, Kompressions- und Resorptionsatelektasen zustande (2). Die dorsale Lokalisation der verdichteten Lungenareale ist zusädlich durch die Beatmung bedingt, die zu einer Blutumverteilung von gut belüfteten nichtabhängigen ~ungenbezirken( ~ o n Ie nach West) in schlecht ventilierte abhängige Areale (Zone111 nach West) führt (10). Diese Prozesse bedingen sowohl eine Erhöhung der intrapulmonalen venösen Beimischung als auch eine Zunahme der Totraumventilation.

B. Thülig und Miturb.: Beatmung in Bauchlage

[Artificial respiration in the prone position in a case of acute respiratory distress syndrome].

A patient is presented in whom an acute respiratory distress syndrome (ARDS) developed after severe lung contusion. Exchange of gas was markedly restr...
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