Korrespondenz | Correspondence

Frage aus der Praxis

Temperaturunterschiede bei axillärer Kor espondenz|Cor espondence und aurikulärer Messung möglich?

Online Publikation: Dtsch Med Wochenschr 02013; 1380 : 344 · © Georg Thieme Verlag KG · Stuttgart · New York · ISSN 0012-04721439-4 13 0

Are different temperatures in axillary and auricular measurement possible?

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Eine 50-jährige Patientin berichtet, dass sie seit 2 Jahren intermittierendes Fieber habe, wobei die Temperatur aber nie über 38 °C anstieg. Sie misst immer aurikulär und hat immer wieder gleichzeitig axillär zum Vergleich gemessen, dort aber nie eine erhöhte Temperatur festgestellt bzw. diese habe sogar meist weniger als 37 °C betragen. Der Kopf sei dabei heiß, der übrige Körper kühl. Ist so etwas möglich und gibt es dafür eine Erklärung?

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Fieber ist eine physiologische Reaktion des Körpers auf zahlreiche verschiedene endogene und exogene Auslöser, die durch eine Verstellung des Sollwertes im Bereich des Hypothalamus charakterisiert ist. Die Fieberreaktion ist deshalb von der Hyperthermie abzugrenzen, deren Ursache in einer gesteigerten Wärmeproduktion (z. B. schwere Muskelarbeit, maligne Hyperthermie) oder unzureichenden Wärmeabgabe (z. B. Hitzekollaps) ohne Sollwertverstellung liegt [3]. Es bestehen keine einheitlichen Definitionen einer Fieberreaktion, allerdings wurde in einer Studie an einem großen Kollektiv gesunder Probanden eine am Nachmittag oral gemessene Körpertemperatur > 37,7 °C (99.  Perzentile) als febril eingestuft [7]. Als invasiver Goldstandard für die Erfassung der Körperkerntemperatur gilt die Temperaturbestimmung in der Pulmonalarterie über einen liegenden Rechtsherzkatheter, was jedoch im klinischen Alltag nur bei kritisch kranken Patienten auf einer Intensivstation in Betracht zu ziehen ist. Allerdings konnten inzwischen mehrere Studien nachweisen, dass die durch eine korrekt durchgeführte aurikuläre bzw. tympanale Messung erzielten Temperaturwerte sehr gut mit der Körperkerntemperatur korrelieren. Daher ist diese Methode neben der oralen, rektalen und axillären Temperaturmessung weit verbreitet [1, 2, 6]. Allerdings werden diese Befunde durch eine MetaAnalyse in Frage gestellt, die eine deutliche Differenz bis zu 1,72 °C zwischen der rektalen und aurikulären Temperaturmessung bei gesunden Probanden doku-

mentierte, die durch schwere körperliche Aktivität eine rektal bestimmte Hyperthermie > 39 °C aufwiesen [4]. Da Fieber durch die Sollwertverstellung im Hypothalamus vermittelt wird, findet sich bei einer Fieberreaktion immer eine Erhöhung der Körperkerntemperatur, die durch die verschiedenen etablierten Messmethoden zu objektivieren ist. Eine isoliert erhöhte Temperatur bei aurikulärer bzw. tympanaler Messung und gleichzeitig normalen rektalen bzw. oralen Temperaturwerten spricht deshalb eindeutig gegen das Vorliegen einer echten Fieberreaktion. Es sind deshalb bei der geschilderten Patientin andere Ursachen für die lokal leicht erhöht gemessenen Temperaturen in Betracht zu ziehen. Verbunden mit dem geschilderten Hitzegefühl der Patientin im Kopfbereich ist differenzialdiagnostisch insbesondere an eine Hyperämie bzw. Flush-Symptomatik im Kopfbereich zu denken. Verantwortlich für eine Flush-Symptomatik ist ein gesteigerter kutaner Blutfluss, der durch eine Vasodilatation aufgrund einer Modulation der glatten Muskelzellen im Bereich der kutanen Blutgefäße vermittelt wird [5]. Die FlushSymptomatik kann durch zahlreiche verschiedene Ursachen ausgelöst werden, wobei neben einer durch das autonome Nervensystem vermittelten auch eine durch exogene bzw. endogene Vasodilatatoren direkt induzierte Flush-Symptomatik unterschieden wird. Vor diesem Hintergrund sind zahlreiche verschiedene Differenzialdiagnosen in Betracht zu ziehen. Zu den häufigsten Ursachen einer durch das autonome Nervensystem induzierten Flush-Symptomatik gehören der thermoregulatorische Flush (z. B. durch körperliche Anstrengung, Hitzeexposition), emotionales Flushing, die Menopause sowie neurologische Ursachen (u. a. Cluster Kopfschmerz, Migräne, multiple Sklerose, M. Parkinson, Trigeminusneuralgie). Zu den Ursachen einer Vasodilatator-vermittelten Flush-Symptomatik werden insbesondere Medikamente (z. B. Calciumantagonisten, Phosphodiestera-

se-5-Inhibitoren), Nahrungsmittel und Alkohol gerechnet. Außerdem können im Rahmen von Systemerkrankungen (z. B. Sarkoidose, Mastozytose, Bronchialkarzinom) sowie bei verschiedenen endokrinologischen Erkrankungen (z. B. Karzinoid, Phäochromozytom, Erkrankungen mit gesteigerter Serotoninproduktion, VIPom, Hyperthyreose) vasodilatatorisch wirkende Mediatoren vermehrt freigesetzt werden, die eine Flush-Symptomatik auslösen [5, 8]. Es ist deshalb bei der geschilderten Patientin eine weitergehende, auf diese Differenzialdiagnosen gerichtete Abklärung zu empfehlen. Literatur 1 Apa H, Gözmen S, Bayram N et al. Clinical Accuracy of Tympanic Thermometer and Noncontact Infrared Skin Thermometer in Pediatric Practice: An Alternative for Axillary Digital Thermometer. Pediatr Emerg Care 2013; 29: 992–997 2 Batra P, Goyal S. Comparison of rectal, axillary, tympanic, and temporal artery thermometry in the pediatric emergency room. Pediatr Emerg Care 2013; 29: 63–66 3 Hayakawa K, Ramasamy B, Chandrasekar PH. Fever of unknown origin: an evidence-based review. Am J Med Sci 2012; 344: 307–316 4 Huggins R, Glaviano N, Negishi N. Comparison of rectal and aural core body temperature thermometry in hyperthermic, exercising individuals: a meta-analysis. J Athl Train 2012; 47: 329–338 5 Izikson L, English JC 3rd, Zirwas MJ. The flushing patient: differential diagnosis, workup, and treatment. J Am Acad Dermatol 2006; 55: 193–208 6 Jefferies S, Weatherall M, Young P et al. A systematic review of the accuracy of peripheral thermometry in estimating core temperatures among febrile critically ill patients. Crit Care Resusc 2011; 13: 194–199 7 Mackowiak PA, Wasserman SS, Levine MM. A critical appraisal of 98.6 degrees F, the upper limit of the normal body temperature, and other legacies of Carl Reinhold August Wunderlich. JAMA 1992; 268: 1578–1580 8 Yale SH, Vasudeva S, Mazza JJ et al. Disorders of flushing. Compr Ther 2005; 31: 59–71 Korrespondenz Prof. Dr. Martin Fleck Klinik und Poliklinik für Innere Medizin I, Uniklinikum Regensburg und Klinik für Rheumatologie/Klinische Immunologie, Asklepios-Klinikum Kaiser-Karl-V.-Allee 3 93077 Bad Abbach eMail [email protected] DOI 10.1055/s-0033-1359915

Dtsch Med Wochenschr 2014; 139: 344

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