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Antepartale Überwachung des fetalen Zustandes durch die mütterliche Aufzeichnung der ~desbewegungen K. Radivojevic

Zusamme nfassung Die Beobachtung der kindlichen Aktivität ist die älteste und einfachste Methode zur Erkennung feta ler Gefahrenzustände. Die Aufzeichnung der Bewegungs muster wurde von zah lreichen Autoren angeregt. Die Definition einer kindlichen Inaktivität ist schwie rig - mehrere Definitionen wurden angegeb en . Unsere Studie versucht mit Hilfe des .,CardiffCount to ten"-Dokumentationsbogens , entwickelt von Pearson und Weaver, abnorme fetale Bedingungen zu eruieren. Wir untersuchten 173 schwangere Frauen nach der 26. Schwangers chaftswoehe. Die Angabe von wen iger als 10 Kindesbewegungen inner ha lb 12 Stund en wurde als feta le Inaktivität gewertet. 10 % der Schwangerschaft en zeigten nach dieser Definition fetale Inaktiv ität; die Hälfte dieser muß mit einem ungünstigen Feta l-outcom e rechn en . Der Dokumentationsbogen sollte bei allen Risikoschwangerschaften angewandt werden , besonders Rhesuskompatibilität, Diabet es mellitus und Plazentainsuffizienz. Er ist natürlich nur als zusätzliche Ents cheidungshilfe im Zusammenha ng mit and eren Verfahren , wie CTG und Ultrascha ll, zu werten.

Einleit ung Die Beobachtung der Kindesbewegun gen ist die ältest e und billigste Technik zum Nachweis des fetalen Wohlbefindes . Die Angabe der Mutter über einen Verlust oder einen signifikanten Abfall der kindlichen Aktivität

Geburtsh . u . Frau enheilk . 50 (1990) 349-3 52 © Geor g Thi eme Verlag Stuttga rt . New York

Daily Fetal Moveme nt Charting A Simple Test for Fetal Well-Being Perce ived fetal activity is th e oldest and least expensive technique for monitoring feta l well-being. The mothe r 's awa ren ess ofa loss or a significant decrease in propulsive fetal activity has been traditionally regarded as a warning sign, especially when uteroplacental insufficiency is pr esent. Many investigators have reported the value of daily fetal movement cha rting as a means for signalling fetal jeopardy and poss ible demise . Discerning between a physiological rest period and an abnormally low activity per iod is difficult but important. Several definitions of fetal inactivity according to mat ernal perception ar e describe d. The aim of our study was to det ect abnormal fetal conditions by registering fetal body movements. For the evaluation we used the "Cardiff count to ten kick chart" developed by Pearson and Weaver . We evaluated 173 pr egnant women after the 26th week ofgestation in this way. Evidence for fetal inactivity ar e less than 10 moveme nts/12 hours. 10 % of the pr egna ncies showed fetal ina ctivity; half of the m ar e expected to have an unfavourable outcome due to placental insufficiency and fetal distress dur ing la bour. Daily fetal movement charting is a simp le and effective method for th e detection of abnormal fetal conditions. lt shoul d be used in all highrisk pregnancies, especially in cases of incompatibility in the Rh-system, diab etes mellitus , and placenta l insufficiency. Our decision to intervene sho uld not be based on fetal activity patt erns alone , but the observation of fetal inactivity needs further investigation by ultrasonography (breathing activity, cardiac motion , lower limb and trunk motion, search for malformation, placental morp hology and amniotic fluid volume) and cardiotocography.

wird traditionellerw eise als Warnsignal gewertet, speziell bei einer Plazentainsuffizienz. Es ist als äußerst wichtiges intrau terines Gefahrensymptom zu werten, vor allem in Kombination mit anderen Zeichen - Tabelle 1. Zahlreiche Autoren haben über die Wertigkeit einer Aufzeichnung der Kindesbewegungen zur Erken nung einer fetalen Gefährdung beric htet (Pearson , 1976 ; Sadovsky , 1977 ; Rayburn, 1980; Neldham , 1980 ; Horper, 1981 ; Leader , 1981 ; O'l.ea nj , 1981). Die Unterscheidung zwischen einer physiologischen Ruheperi ode und einer a bnormen fetalen

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2. Univ.-Frauenklinik Wien (Vo rstand : Prof. Dr. H. Jani sch)

Geburts h. u. Frauenheilk. 50 (J 990)

Tab. I

K. Radivojevic

Intrauterine Gefahrenzeichen.

Inaktivität ist schwierig, aber sehr wichtig (Rayburn, 1980) . Tabelle 2 beschreibt unt erschiedliche Definition en eine r fetalen Inaktivität, bezugnehm end auf die mütt erliche Wahrnehmung der Kindesbewegun gen .

I. späte Dezelerationen 2. fehlendeAkzelerationen 3. fehlende fetaleAtembewegungen 4. fehlendefetaleExtremitätenbewegungen 5. fehlender Muske~onus

Das Ziel uns er er Studie war es, die Wertigkeit des Aufzeichnens der kindlichen Aktivitätsmuster objektiv nachzuweisen . Material und Methode

Tab. 2 Aufzeichnungstechnikenund DefinrtionenfürfetaleInaktivität. Autor

Technik

fetaleInaktivrtät

Pearson (1976) Sadovsky (1977) Rayburn (1980) Neldham (1 980) Harper (1981) Leader (1 9811

12 Stunden täglich

wenigerals10 KB/d

I Stunde 2 - 3mallTag einige StundenlTag

wenigerals2 KB/h

2-Stundenperiode/ 3mal/Woche dreimal I Stundet täglich 30 Minuten/ 4mal täglich

wenigerals 4 KB/h

O'Leary (1981)

30 Minuten/ 3maltäglich

/

I

I

I

I

Li

Sch wange rscha fts woche

Wir untersuchte n insgesamt 173 schwangere Frauen nach der 26. Schwangerschaftswoche, die in unserer Ambulanz betreut wurden. Bei der Auswa hl der Patientinnen wurde nach dem Zufälligkeltspri nz ip gear beitet. Es wurde ab einem Stichtag allen Fra uen der Dokumentationsbogen erklärt und mit deren Einverständnis ausgehä ndigt. In insgesamt 20 Fällen waren die retourn iert en Bogen nicht verwert bar, diese Fraue n wurden von der Studie ausgesc hlossen. Eine Aufschlüsse lung nach normal en und Risikoschwangerschaften zeigt Tabelle 3.

weniger als4 KB/h

Für die Dokument ation verwe ndeten wir den "CardiffCount to ten kick eh art" , welcher von Pearson und Weaver entwickelt wurd e. Dieser Bogen ist sehr einfach, untert eilt in Wochentage hor izontal und in Stund en senkrecht. Die Patientin beginnt um 8 Uhr die Kindesbewegung en zu zählen, bis sie zehn verspürt hat ; dan ach macht sie eine Eintragung auf dem Bogen . Falls inn erh alb von 12 Stunden weniger als 10 Kindesbewegungen gespürt werd en , wurd e sie unt erri chtet , die Klinikanzu rufen Abbildungen I und 2,

komplettes Fehlen I Tagohne KB oder2 aufeinanderfolgende pro Wochemitweniger als10 KB/h wenigerals 5 KB in jederder30 Minutenperioden

I

5chwangerschaftswoc he

I

I

I

Sch wan zer schaftsw oche

I

I

5ch wangerschaftswoche

I Uhrzei Mo Di M i Do Fr 5 a So Mo Di M i Do Fr 5a 50 Mo Di Mi Do Fr 5a 50 MolDi Mi 8:00 8:30 9:00 9:30 10:00 10:30 j [:00 11:30 12:00 12:30 13:00 13:30 14:00 14:30 15:00 15:30 16:00 16:30 17:30 18:00 18:30 19:00 19:30 20:00 W ENI G ER als 10 Abb.l

['0

Fr 5a 50

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I

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350

Tab. 3

Geburtsh. u. Frauenheilk . 50 (1990)

Kindesbewegungen in normaler und Risikoschwangerschaft.

Klassifikation der Schwangerschaft

Zahl der Patienten

Zeitdauer bis zu welcher 10 KB gespürt werden

mean 1

SD

1,4 normal 110 3,7 Diabetes 10 6,2 2,2 4,0 1,2

Hypertension 16

Rh-Inkompatibilität 3 6,8 1,1 Plazentainsuffizienz 20 5,8 0,8 Malpresentation 6 3,9 0,9

Tab. 4

Fetale Aktivität und antepartales CTG.

normale KB (? 10) abnormale KB (< 10)

n

NST

CST

154 19

4 8

0 4

Der Unterschied zwischen der Wahrnehmung von Kindesbewegungen bei normalen und Risikoschwangerschaften ist in Tabelle 3 gezeigt. Ein signifikanter Unterschied zu normalen Schwangerschaften ist trotz der geringen Fallzahl bei Diabetes mellitus, Rhesusinkompatibilität und Plazentainsuffizienz zu verzeichnen. Wir versuchten auch die Beziehung zwischen antepartalem CTG und fetalem Distress aufzuzeigen. Wir definierten abnorme Kindesbewegungen, wenn die Frau an zwei aufeinanderfolgenden Tagen weniger als 10 Kindesbewegungen spürte oder falls sie an einem Tag überhaupt keine verspürte. Eine persistierende Bradykardie oder später Dezelerationen wurden als fetaler Distress bezeichnet. Von 154 Frauen mit als normal registrierten Kindesbewegungen war in 4 Fällen ein auffälliges CTG zu verzeichnen, der Wehenbelastungstest war in allen diesen Fällen negativ (NST - non stress test; CST - contraction stress test). Im Gegensatz dazu zeigte sich bei den 19 Schwangeren mit verminderter Perzeption der Kindesbewegungen in 8 Fällen ein auffälliges Ruhe-CTG, in der Hälfte dieser Fälle war auch der Wehenbelastungstest positiv - Tabelle 4.

Ergebnisse Wir fanden keine Beziehung zwischen der Schwangerschaftswoche und der Wahrnehmung kindlicher Aktivität. Es war zwar eine leichte Abnahme der Registrierung bis zur 38. Schwangerschaftswoche zu verzeichnen, die sich gegen Schwangerschaftsende aber wieder ausglich - Abbildung 1.

In Abbildung 4 ist das Fetal-outcome auf die Kindesbewegungsmuster bezogen. Der fetale Geburtszustand wurde als schlecht registriert, falls der Apgar-Score nach 5 Minuten 6 oder weniger betrug oder der pH in der Nabelschnurarterie weniger als 7,25 war. In der Gruppe mit den normal aufgezeichneten Kindesbewegungen hatten demnach nur 3 von 154 Schwangeren ein schlechtes

'ZÄHL BIS ZEHN' KALENDER FÜR KINDESBEWEGUNGEN

Name: Beispiel A: Am Montag der ersten Woche hat sich Ihr Kind von 8:00 bis 14:15 insgesamt zehnmal bewegt. Kreuzen Sie ANLEII UNG:

nun das Feld zwische114:00 und 14:30 in der Reihe von Montag an.

Kindesbewegungen sind ein wertvoller Hinweis auf den Gesundheitszustand des Ungeborenen. Sie als

Beispiel B:

Schwangere sollen die Kindesbewegungen

Bewegt sich Ihr Kind am Dienstag bis 20:00 nur acht mal,

wahrnehmen, zählen und in den Kalender eintragen.

so tragen Sie diese Zahl ganz unten in der Spalte

Beginnen Sie um 8 Uhr morgens mitzuzählen, wie oft

Sollten Sie keine Kindesbewegungen verspüren tragen

sich ihr Kind im Mutterleib bewegt. Sobald Sie 10

Sie bitte die Zahl Null ein.

"weniger als zehn" ein.

Kindesbewegungen wahrgenommen haben, schauen Sie auf die Uhr und kreuzen Sie die entsprechende Uhrzeit

WICHTIG:

in der Tabelle (Rückseite) unter dem jeweiligen

Verspüren sie weniger als zehn Kindesbewegungen oder

Wochentag an. Für den Rest dieses Tages brauchen Sie

überhaupt keine Kindesbewegungen, rufen Sie bitte die

die weiteren Kindesbewegungen nicht mehr zu zählen.

Klinik an oder kommen Sie am nächsten Morgen zu

Ihr Kind hat sich bereits genügend bewegt um

einer Kontrolluntersuchung.

Wohlbefinden anzuzeigen.

Abschließend bitten wir Sie um Ihre ehrliche Mitarbeit.

Abb. 2

351

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Antepartale Überwachung des fetalen Zustandes

352 Geburtsh. u. Frauenh eilk. 50 (1990)

K. Radivojevic abnormale RB

normale KB

sollte selbstverständlich nicht auf abnorme Bewegungsmuster allein begründet sein. aber die Wahrnehmung solcher erfordert nähere Untersuchungen mit Ultraschall (Thoraxbewegurigen. Herzaktivität, Extremitätenbewegungen. Mißbildungssuche. Plazentamorphologie und Fruchtwasservolumen) und mit dem CTG.

151

I

10

Abb. 3 Kindesbewegungen undfetal outcome weiße Säulen= gutesoutcome,gestrichelte Säulen = schlechtes outcome

Dauer i n Stunden b is 10 KB qespürt wurden

3, 3

3,8

4,1

3 ,7

2 6-31

31-35

35-38

> 38

Rayburn, W. E: Clinical significance of mat ernal perceptile fetal motion. Am. J . Obstet. Gynecol. 138 (1980) . 210 . Pearson, J. E. J. B. Weaver: Fetal activity and fetal wellb eing : an evaluation. Br. Med. J. 1 (1976) . 1305. Sadovsky, E.. W. Z. Polishuk : Fetal movem ents in ut ero . Ohstet. Gynecol. 50 (1977) . 49 . Rayburn, W. E, E P. Zuspan, M. E. Motley: An a lte rn ative to antepartum fetal heart rate testing. Am. J. Obstet. Gynecol. 138 (1980). 223. Neldham, S.: Fetal movements as an indicator of feta l well-being. Lancet 1 (1988) .1222. O'Leary, J . A.. B. C. Andrinopoulos: Correlation of daily fetal movements and the non-stress test as tools for assessment of fetal wellfare . Am. J . Obstet. Gynecol. 139 (1981) .107. Harper, R. G.. M. Greenberg. G. Far ahani : Fetal movem ent, bioch emical and biophysical parameters, and the outcome of pregnancy. Am. J . Obstet. Gynecol. 141 (1981).39 . Leader, 1.. P. Baillie, D. J. Van Scha lkwyk : Fetal movem ents and fetal outcome : a praspective study, Obstet. Gynecol. 140 (1981),456 .

Sc hwanqerschaftswochen

Abb.4 Kindesbewegungsmusterbezogen aufdieDauer derSchwangerschaft

Fetal-outcome. demgegenüber fand sich in der Gruppe mit eingeschränkter fetaler Aktivität in 9 von 19 Fällen ein schlechter Geburtszustand des Kindes. Diskussion Die tägliche Aufzeichnung der Kindesbewegungen ist eine sehr einfache und effektive Methode zur Erkennung fetaler Gefahrenzustände. Sie dient nicht nur zur Festigung der Mutter-Kind-Beziehung. sondern auch zu einer besseren Arzt-Patient-Compliance . Nur in 20 Fällen (von insgesamt 193) war es nicht möglich. verwertbare Aussagen zu machen. In allen übrigen wurden tagtäglich genaue Angaben von der Mutter gemacht. Die tägliche Aufzeichnung der Kindesbewegungen im Sinne eines Monitoring sollte in allen Risikoschwangerschaften durchgeführt werden. vor allem in Fällen mit Rhesusinkompatibilität . Diabetes mellitus und Plazentainsuffizienz iRauburn, 1980). Sieht man sich die Beziehung der fetalen Aktivitätsmuster zu antepartalem CTG und zum kindlichen Geburtszustand an . ist der breite Einsatz des Dokumentationsbogens sicherlich gerechtfertigt. Der wirtschaftliche Faktor darf schlußendlich auch nicht übersehen werden - der Bogen ist sehr einfach zu Hause anzuwenden und kostet praktisch nichts. Akute fetale Gefahrenzustände (Abruptio placentae, Nabelschnurkomplikationen) können natürlich nicht erkannt werden. Unsere Entscheidung einzugreifen.

Dr. Karl Radivojevic 2. Univ.-Frauenklinik Spita lgasse 23 A-1090Wien

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Liter atur

[Ante partum monitoring of fetal status by maternal recording of fetal movement].

Perceived fetal activity is the oldest and least expensive technique for monitoring fetal well-being. The mother's awareness of a loss or a significan...
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