Vogelbeeg: Diabetes und Hyperlipoproteinämie bei peripherer arterieller Verschlußkrankb6it

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Nr. 11, 12. März 1976, 101. Jg.

Tjbersichten

Dtsch. med. Wschr. 101 (1976), 423-427

© Georg Thieme Verlag, Stuttgart

Angiographische Befunde zur Bedeutung von Diabetes und Hyperlipoproteinämie im Risikoprofil der peripheren arteriellen Verschlußkrankheit

K. H. Vogelberg Klinische Abteilung des Diabetes.Forschungsinstituts an der Universität Düsseldorf (Direktor: Prof. Dr. F. A. Gries)

Untersuchungen von Risiken und Risikofaktoren der Arteriosklerose sind nicht neu. Daß sie heute stark intensiviert werden, entspricht einem gesteigerten Gesundheits-

häufiger (10). Die hohe Prävalenzrate weist darauf hin, daß Diabetes mellitus und Hyperlipoproteinämien als Risikofaktoren für die periphere arerielle Verschluß-

bewußtsein unserer Generation, speziell dem Wunsch

krankheit spezifische Bedeutung zuzumessen ist.

nach mehr Sicherheit vor dem Herzinfarkt. Ihre Aktualität vermittelt einen Einblick in die methodische Entwicklung der Epidemiologie, mit der auf vielen Gebieten der Medizin nach mehr Informationen über die Entstehung so komplexer Krankheiten wie der Arteriosklerose geforscht wird. Untersuchun.gen der peripheren arteriellen Verschlußkrankheit sind hierfür nur ein Beispiel.

Die periphere arterielle Verschlußkrankheit gehört

neben der koronaren Herzkrankheit zur häufigsten Manifestation arterioskierotischer Gefäßkrankheiten. Aufgrund vereinzelter epidemiologischer Studien in ver-

Vorkommen Das Vorkommen von Diabetes mellitus und Hyperlipoproteinämien als spezifischen Risikofaktoren der peripheren arteriellen Verschlußkrankheit ist noch wenig untersucht. Da beide Stoffwechselkrankheiten oft gemeinsam auftreten und abgesehen von einer Adipositas noch andere Stoffwechselstörungen gleichzeitig nachweisbar sein

schiedenen Ländern ist bekannt, daß etwa 3-4% der

können, ist ihre epidemiologische Bedeutung für die Arteriosklerose meist nicht voneinander abzugrenzen. Nach Untersuchungen verschiedener Autoren kann bei

Gesamtbevölkerung an einer peripheren arteriellen Verschlußkrankheit leiden (18, 42). Bei Diabetes ist sie etwa zehnmal (8, 43), bei Hyperlipoproteinämien sogar noch

20 bis 30% aller Patienten mit peripherer arterieller Verschlußkrankheit ein Diabetes nachgewiesen werden (27), unter Einschluß eines subklinischen Diabetes sogar bei 40

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Vogelberg: Diabetes und Hyperlipoproteinämie bei peripherer arterieller Verschlußkrankheit

Deutsche Medizinische Wochenschrift

Tab. 1. Vorkommen von Diabetes mellitus und Hyperlipoproteinämien bei angiographisch gesicherter peripherer arterieller Verschlußkrankheit (angegeben in Prozent der Anzahl untersuchter Patienten) und Geschlecht

Alter (Jahre)

67 5

fest

30-64

-

-

40-49

-

6,9

18 9

109 5 79

47 5 39

Diabetes mani-

subklinisch

Hyperlipoproteinämie-Typ Gesamt

Autoren

12,9

57,6

Leren, Haabrekke 1971 Q (24)

30,2

38,8

Greenhalgh et al.

II a

lib

III

IV

44,7

-

-

2,6

1,7

4,3

1971 (11)

34

44**

6

7,9

9,0

-

7,5 29,0

6,5 4,5

1,0

49-69

16

101

40-69

15,3

266 5 87 9

22-76 35-71

-

4,5

103 5 19 9

57,2

-

8,1

5,7

13,1***

202 5 69

26-29

-

5,0

4,0

9,0

102 5 19 9

59 ± 9

32,2

12,4

9,1

21,5

12***

62,0

Bliss et al.

23,0

39,9

Kremer et al.

18,0 12,5

33,0 46,0

Ballantyne, Lawrie

43,4*****

62,2

Fand et al.

47,0

60,0

Sirtori et al.

27,3

62,0

Vogelberg et al.

1972 (4)

-

1973

(1)

1974 (9)

1974 (33) 4,1

1975 (40)

*

Diabetiker (n

**

Typ lia + Typ lib

Q

1973

(20)

16) ausgenommen

«Strisower group 5« (n = 2) einbezogen von den Autoren als »Thorp's type MS« bezeichnet unter Einbeziehung von Typ V (n = 1) periphere arterielle Verschiußkrankheit nicht bzw.

nur zum Teil angiographisch gesichert

bis 60% der Patienten (26, 37). Patienten über 65 Jahre haben etwa dreimal so häufig eine pathologische Glucosetoleranz wie jene unter 55 Jahren (19). Hyperlipoproteinämien sind bei 30-60%, im Mittel bei 45% aller Patien-

ten mit peripherer arterieller Verschlußkrankheit beschrieben worden, also etwa ebenso häufig wie bei koronarer Herzkrankheit (Cbersicht: 25). Tabelle 1 zeigt, daß Hyperlipoproteinämien mit einer Zunahme von Prä(3-lipoproteinen, das heißt mit einer endogenen Hypertriglyceridämie (Typ II b und Typ IV), häufiger bei peripherer arterieller Verschlußkrankheit beobachtet werden als jene mit ausschließlicher Zunahme von (3-Lipoprotemen (Typ II a). Aus der zeitlichen Prävalenz eines be-

stimmten Hyperlipoproteinämie- oder auch DiabetesTyps kann die Spezifität eines sklerosebegünstigenden Faktors jedoch nicht bestimmt werden.

Angiographische Befunde Zur Prüfung der Spezifität atherogener Risikofaktoren könnte ihre Beziehung zu morphologischen, funktionellen und angiographischen Befunden der arterioskierotischen Gefäßerkrankung untersucht werden. Besonders geeignet hierfür erscheinen angiographische Befunde, da sie nicht nur über komplette Gefäßverschlüsse, sondern auch über bestimmte Schweregrade und Prädilektionsstellen der Arteriosklerose Auskunft geben können. Die Untersuchungsergebnisse können direkt (3) oder auch in-

direkt, das heißt verschlüsselt je nach Art bestimmter Sklerosierungsformen (23, 40) ausgewertet werden. Diesbezügliche Untersuchungsergebnisse zeigen, daß metabo-

lische Einflüsse von Diabetes mellitus und bestimmten Hyperlipoproteinämie-Typen sowohl auf den Schwere-

grad als auch auf die Lokalisation der peripheren arteriellen Verschlußkrankheit unterschieden werden können. Schweregrad

Unabhängig von der Spezifität bestimmer Risikofaktoren kann der Schweregrad einer peripheren arteriellen Verschlußkrankheit bereits zur Anzahl verschiedener Risikofaktoren positiv korreliert sein (21, 40). Dieser Befund ist jedoch nicht unumstritten (3, 42). Offenbar hängt es

nicht nur von der Anzahl, sondern vor allem von der Dignität ausgewählter Risikofaktoren innerhalb eines be-

stimmten Risikoprofils ab, ob zwischen Schweregrad der peripheren arteriellen Verschlußkrankheit und Anzahl einzelner Risikofaktoren eine Korrelation nachweisbar ist. Mitunter ist eine positive Beziehung zwischen be-

stimmten Befunden und speziellen Risikofaktoren der peripheren arteriellen Verschlußkrankheit nur bei einem Teil oder einer Gruppe der Grundgesamtheit aufzuzeigen.

Diabetes. Auf die atherogene Bedeutung des Diabetes für die Ausbildung der peripheren arteriellen Verschlußkrankheit ist in der Vor-Insulin-Ara hingewiesen worden. Aus meist älteren Untersuchungen ist zu entnehmen, daß arterioskierotische Gefäßveränderungen bei Diabetikern

sowohl früher entstehen als auch rascher fortschreiten und damit ein größeres Ausmaß erreichen als bei Nichtdiabetikern (7). Unter dem Begriff der diabetischen Makroangiopathie wurde die Gefäßerkrankung nicht nur der spezifisch diabetischen Mikroangiopathie gegenübergestellt, sondern auch als Sklerosemanifestation großer Gefäße besonders herausgestellt. Neuere Untersuchungen zeigen jedoch, daß die periphere rteriel1e Verschluß-

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krankheit bei Diabetes mellitus weniger Besonderheiten aufweist als bisher häufig angenommen wurde (13), es sei denn, die Patienten leiden zusätzlich an einer Hyperlipoproteinämie. Diabetiker ohne Hyperlipoproteinämie sind durchschnittlich genauso alt wie vergleichbare Kontrolipersonen ohne periphere arterielle Verschlußkrankheit (29, 31) und unter Umständen 10 Jahre älter als Patienten mit der Typ-II-Hyperlipoproteinämie oder Rau-

42.5

betes mellitus daher auch bei der peripheren arteriellen Verschlußkrankheit als Risikofaktor zweiter Ordnung (16) eingestuft werden. -4-

40

Diabetes

mit Typ IV

cher (40). Während die Erkrankung bei Diabetikern

+

C

+

./ ,

Diabetes

beiderlei Geschlechts etwa gleich häufig beobachtet wird,

wenn Hyperlipoproteinämien unberücksichtigt bleiben

.

20

+)V=O926X - 30,12 Ir-O, 732)

(17), zeigt sich bei Diabetikern ohne Hyperlipopro-

)n 17) )Y-0,454X- 2, 39 )r'0,760l

teinämien ähnlich wie bei Nichtdiabetikern eine Bevorzugung des männlichen Geschlechts (40). Aufgrund be-

In -15)

stimmter Alters- und (oder) Geschlechtsunterschiede 40

60

80

Jahre

Abb. 1. Beziehung zwischen Schweregrad (Sklerose-Index) und

Alter von Diabetikern mit () und ohne (

) Typ-IV-Hyperlipo-

Tab. 2. Prozentuale Häufigkeit einer pathologischen Glucosetoleranz (Blutzucker > 6,66 mmolil bzw. 1,2 gil 2 Stunden nach oraler Auf-

proteinämie. Der Regressionskoeffizient beider Geraden ist voneinander signifikant unterschieden (P < 0,05) (nach Vogelberg et al.

nahme von 0,5 g Glucose/kg Körpergewicht) bei peripherer arterieller Verschlußkrankheit (PVK) in Abhängigkeit vom Alter der

[40]).

Patienten (n = 312) und vom Schweregrad der Arteriosklerose (nach Kingsbury [19]) Alter (Jahre)

proz. Häufigkeit der proz. Häufigkeit pathologischen bei standardisiertem Glucosetoleranz Schweregrad der PVK

35-54

19

23

55-64

30

30

65-75

54

42

x2-Test (P)

Schweregrad

16,6 0,001

proz. Häufigkeit der pathologischen Glucosetoleranz

7,3

0,05

proz. Häufigkeit bei standardisierten Altersgruppen der PVK

leicht

8

8

mittel

34

34

schwer

66

68

70,1

73,3

2-Test (P)

0,001

0,001

Demgegenüber muß eine Altersabhängigkeit der peripheren arteriellen Verschlußkrankheit bei Diabetes mellitus als relativ spezifisches Merkmal des diabetischen Risikofaktors angesehen werden. Ein Altersgang kann gelegentlich auch bei anderen Patienten mit einer peripheren arteriellen Verschlußkrankheit zu erkennen sein, statistisch signifikant ist er bislang aber - abgesehen von

Normalpersonen - nur bei Diabetikern nachgewiesen worden (Tabelle 2). Durch die Koinzidenz einer Typ-IV-

Hyperlipoproteinämie kann der Altersgang zwar verstärkt sein (Abbildung 1), er ist aber hier statistisch weniger signifikant. Bei Typ-II-Hyperlipoproteinämie ist die diabetische Altersabhängigkeit nicht mehr erkennbar.

Analog der koronaren Herzkrankheit könnte ein Dia-

Hyperlipoproteinämie. Ein spezifischer Risikoeinfluß von Hyperlipoproteinämie auf die periphere arterielle Verschlußkrankheit und andere Manifestationen der Arteriosklerose ist bislang lediglich in Beziehung zum Cholesteringehalt des Serums nachgewiesen worden. In zahlreichen Untersuchungen ist ein kausaler Zusammenhang diskutiert worden (Obersicht: 30, 36). Jüngste Untersuchungsergebnisse zeigen, daß dem cholesterinspezifischen Arterioskieroserisiko wahrscheinlich eine Störung in der »Feed-back«-Regulation der endogenen Cholesterinsynthese zugrunde liegt (32). Sie könnte .bei Patienten mit einer primären Hypercholesterinämie durch ein strukturell verändertes f3-Lipoprotein erklärt werden; wahrscheinlich spielt jedoch ein Verlust an zellständigen LDL-

Rezeptoren pathogenetisch eine dominierende Rolle (Übersicht: 6). Obwohl eine direkte Beziehung zwischen Serumcholesteringehalt und Schweregrad der peripheren arteriellen Verschlußkrankheit nur bei Typ-Ila-Hyper-

lipoproteinämie statistisch zu sichern ist, ist diese Beziehung wahrscheinlich bei allen Hyperlipoproteinämien

zumindest angedeutet. Man muß annehmen, daß das cholesterinabhängige Arterioskleroserisiko durch typenspezifische Faktoren anderer Hyperlipoproteinämien überlagert wird. Besonders zu beachten sind diesbezüglich Hypercholesterinämien mit endogener Hypertriglyceridämie, das heißt Hyperlipoproteinämien vom Typ lib, III und kombinierte Hyperlipidämien (34).

Während zur Zeit kein Anhalt dafür besteht, daß endogene Hypertriglyceridämien allein als Risikofaktoren spezifisch bedeutsam sind, kann dies im pathogenetischen Zusammenhang der zugrunde liegenden VLDL* Stoffwechselstörung (mit Hypercholesterinämie) nicht ausgeschlossen werden. Möglicherweise spielen Zwischen-

produkte des VLDL-Metabolismus (»intermediates«) eine besondere Rolle. Bei Typ-III-Hyperlipoproteinämie, für die der Nachweis von (3-VLDL, den wahrscheinlich wichtigsten VLDL-Metaboliten, pathognomonisch ist, * VLDL

Lipoproteine sehr geringer Dichte (

[Angiographic findings in the significance of diabetes and hyperlipoproteinemia in the risk profile of peripheral arterial occlusive disease].

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