A

CME

Fachwissen

Anästhesie in der interventionellen Pneumologie

Bronchoskopie und Jet-Ventilation

Michael Kern • Daniel Niemeyer • Thoralf Kerner • Sascha Tank

Endoskopische Verfahren in der Pneumologie nehmen einen hohen Stellenwert in der Diagnostik und Therapie der unterschiedlichsten pneumologischen Krankheitsbilder ein. Neben einer Bronchoskopie in Lokal- oder Allgemeinanästhesie wird häufig auch eine Jet-Ventilation mittels Katheter oder über das starre Bronchoskop durchgeführt. Der in diesem Bereich tätige Anästhesist sollte über fundierte Kenntnisse der Jet-Ventilation verfügen und mögliche Komplikationen kennen. Einführung

▼▼

Endoskopische Verfahren zur Diagnostik und Therapie  Endoskopische Verfahren in der Pneumologie haben sich seit der ersten starren Bronchoskopie durch Gustav Kilian Ende des 19. Jahrhunderts v. a. in den letzten Jahren rasant weiterentwickelt und nehmen einen hohen Stellenwert in der Diagnostik und Therapie der unterschiedlichsten pneumologischen Krankheitsbilder ein. ▶▶ Die Tumor- und Stenosetherapie, ▶▶die Fremdkörperentfernung, ▶▶endoskopische Blutstillungen und ▶▶die Emphysemtherapie bei COPD sind heute interventionell möglich. Rolle des Anästhesisten  Rein diagnostische, flexible Bronchoskopien werden heutzutage im Wesentlichen in Lokalanästhesie ohne anästhesio­ logische Betreuung durchgeführt. Ist jedoch eine tiefere Sedierung oder eine Allgemeinanästhesie notwendig, die zu einem Verlust der Schutz­ reflexe und zu einer Atemdepression führt, muss ein Anästhesist anwesend sein. Die interventio-

nelle Pneumologie ist für den Anästhesisten eine Herausforderung. Aufgrund der häufig multimorbiden Patienten und der invasiven Interven­tionen im Tracheobronchialsystem benötigt er viel Erfahrung im Umgang mit dieser Patientengruppe und in der Anwendung verschiedener Atemwegs­ hilfen inklusive der Jet-Ventilation. Insbesondere bei subglottischen Stenosen sollte das Team auf eine „cannot ventilate – cannot ­intubate“- Situation vorbereitet sein.

Durch das komorbide Patientenkollektiv sind die respiratorischen Reserven oft eingeschränkt. ▶▶Atemwegs-Management-Algorithmen im Sinne von Standard-Operating-Procedures ­ können helfen, das richtige Vorgehen für alle Beteiligten definiert festzulegen und in der Notfall­ situation umzusetzen. Eine enge Kommunikation zwischen Anästhesist und interventionellem Pneumologen ist unerlässlich. Allen pneumologischen Interventionen gemeinsam ist eine Konkurrenz des Pneumologen und des Anästhesisten um den Atemweg des Patienten. Der Anästhesist sollte mit den gängigen Therapieverfahren in der Pneumologie vertraut sein, um mögliche Risiken und Komplikationen einschätzen und in Zusammenarbeit mit dem Pneumologen beherrschen zu können.

Abb. 1  Starres Bronchoskop mit Anschlussmöglichkeit für eine Jet-Ventilation.

Bildnachweis: Sascha Tank

Kern M, Niemeyer D, Kerner T, Tank S. Anästhesie in der interventionellen Pneumologie ... Anästhesiol Intensivmed Notfallmed Schmerzther 2015; 50: 8–18

Heruntergeladen von: University of Georgia Libraries. Urheberrechtlich geschützt.

8

CME

Fachwissen

Indikationen  Die flexible Bronchoskopie ist eine invasive Prozedur, um die nasale Passage, den Pharynx und Larynx, die Glottis sowie das Tracheobronchialsystem zu inspizieren. Zusätzlich können über einen Arbeitskanal verschiedenste Instrumente wie Zangen, Ballon-, Ultraschallkatheter oder Stents zur Diagnostik und Therapie eingeführt werden. Die häufigsten Indikationen zur Durchführung einer Bronchoskopie sind ▶▶die Abklärung von Raumforderungen und Hämo­ptysen, ▶▶die Infektions- bzw. Pneumoniediagnostik, ▶▶die Sekretabsaugung und ▶▶die Abklärung interstitieller Prozesse [1].

Vor- und Nachteile  Die interventionelle Bronchoskopie ist eine Indikation zur Durchführung einer starren Bronchoskopie, oft in Kombination mit einem flexiblen Endoskop. In den letzten Jahren ist sie allerdings durch die vermehrte alleinige Nutzung der weniger invasiven flexiblen Bronchoskopie zurückgedrängt worden [3] (q Abb. 1, 2). ▶▶ Der Hauptvorteil der starren Bronchoskopie liegt in dem großen Arbeitskanal, über den Instrumente problemlos in das Tracheo­ bronchialsystem eingeführt werden können. Des Weiteren ist über das starre Bronchoskop mittels Jet-Kanüle eine Jet-Ventilation möglich, ohne dass wie bei einem Endotrachealtubus oder der Larynxmaske Instrument und Atemwegshilfe miteinander konkurrieren. Um das starre Bronchoskop durch die Glottis­ ebene endotracheal einzuführen, muss der Kopf extrem rekliniert werden. Beim Einführen können Schleimhäute und obere Schneidezähne geschädigt werden. ▶▶ Eine tiefe Allgemeinanästhesie mit suffizienter Relaxierung soll spontane Bewegungen des Patienten verhindern, um schwerwiegende Verletzungen zu vermeiden.

Durchführung  Die flexible Bronchoskopie kann nasal oder oral in Lokalanästhesie mit oder ohne Sedierung erfolgen, wobei die meisten der dia­ gnostischen Bronchoskopien ohne anästhesiologische Betreuung stattfinden. Die Qualität der ­Lokalanästhesie trägt entscheidend zum Erfolg des Eingriffs bei. Eine suffiziente oropharyngeale Lokalanästhesie kann durch die Applikation von Lokalanästhetika-Sprays erreicht werden. Additiv nasal applizierte Vasokonstriktoren („Nasentropfen“) reduzieren das Risiko einer Broncho­ skopie-induzierten Epistaxis. Eine Inhalation von Lokalanästhetika zur Anästhesie von Trachea und Bronchien kann zusätzlich erfolgen. Dieses Verfahren wird aber in den Leitlinien der British Thoracic Society von 2013 aufgrund von Ergebnissen aus Placebostudien nicht mehr empfohlen [2]. Eine Vernebelungs-Anästhesie der Stimmlippen, Trachea und Bronchien über den Arbeitskanal des Bronchoskops, z. B. mit 2 % Lidocain, als „Sprayas-you-go“-Verfahren wird jedoch empfohlen. ▶▶ Die max. Dosis von Lidocain von 9,6 mg/kg bei Erwachsenen (ca. 34 ml einer 2 % Lösung bei 70 kg KG) sollte unbedingt eingehalten werden, um toxische Serumspiegel und konsekutive ­Nebenwirkungen wie z. B. Krampfanfälle und Arrhythmien zu vermeiden. Besondere Vorsicht ist bei alten Patienten sowie bei bekannter Herz- oder Leberinsuffizienz geboten [2]. Die laryngealen Schutzreflexe sind nach suffizienter Lokalanästhesie für mind. 60–90 min ausgeschaltet. Daher sollte der Patient in dieser Zeit nichts trinken und es sollte auf Sekretverhalt bei Dysphagie geachtet werden.

A

Abb. 2  Starres Bronchoskop mit flexiblem Bronchoskop.

Anästhesiologisches Management bei der Bronchoskopie Sedierungsverfahren  Eine Sedierung wird – wenn keine möglichen Kontraindikationen vorliegen – explizit in den Leitlinien zur Broncho­ skopie der British Thoracic Society empfohlen [2]. Die Auswahl des Sedierungsverfahrens wird bestimmt durch ▶▶Art und Dauer des Eingriffs, ▶▶den Allgemeinzustand und ▶▶den Wunsch des Patienten. Auch wenn die meisten der flexiblen Broncho­ skopien inzwischen ohne anästhesiologischen ­Beistand erfolgen, muss bei tiefen Analgosedierungen und bei Allgemeinanästhesien ein Anästhesist mit qualifiziertem Assistenzpersonal an­ wesend und ein vollständiger anästhesiologischer ­Arbeitsplatz vorhanden sein.

Allgemeinanästhesie  Die Bronchoskopie in Allgemeinanästhesie bietet wesentliche Vorteile für den Pneumologen, aber auch für die Sicherheit und den Komfort des Patienten. Sie ermöglicht dem Pneumologen zum einen ruhige – und damit risikoarme – Untersuchungsbedingungen, zum anderen entspricht sie dem Wunsch der Patienten nach einer angst- und stressfreien Unter­ suchung [4]. Weitere Vorteile der Narkose zur Bronchoskopie werden in q Tab. 1 aufgeführt. In Abhängigkeit von der geplanten Intervention ist

Kern M, Niemeyer D, Kerner T, Tank S. Anästhesie in der interventionellen Pneumologie ... Anästhesiol Intensivmed Notfallmed Schmerzther 2015; 50: 8–18

Heruntergeladen von: University of Georgia Libraries. Urheberrechtlich geschützt.

Starre Bronchoskopie

Bildnachweis: Sascha Tank

Flexible Bronchoskopie

9

CME

Fachwissen

A Tab. 1  Daten aus [23].

Vorteile einer Narkose zur Bronchoskopie ▶▶ Zugewinn an Sicherheit ▶▶ Toleranz längerer Interventionen ▶▶ Möglichkeit invasiverer Interventionen ▶▶ Steigerung Patientenkomfort ▶▶ ruhigere Untersuchungsbedingungen ▶▶ Entlastung des Untersuchers

Tab. 2  Daten aus [23].

Indikation zur Bronchoskopie in Narkose ▶▶ Einsatz bei Risikopatienten ▶▶ starre Bronchoskopie ▶▶ invasive bzw. länger dauernde Interventionen ▶▶ Wunsch des Patienten

Tab. 3 

Komplikationen ▶▶ Pneumothorax ▶▶ Pneumomediastinum ▶▶ Aspiration ▶▶ Pneumonie ▶▶ Hämorrhagie ▶▶ Arrhythmien ▶▶ Myokardischämien auch der Allgemeinzustand der z. T. respiratorisch grenzwertig kompensierten Patienten eine wesentliche Indikation für die Allgemeinanästhesie. Für weitere Indikationen zur Bronchoskopie in Narkose siehe q Tab. 2.

Eingesetzte Substanzen  Die in Deutsch­land am häufigsten eingesetzten Hypnotika bzw. Sedativa sind Propofol und Midazolam. Ein eindeutiger Vorteil einer der beiden Substanzen konnte bisher nicht nachgewiesen werden [5, 6]. Als Opioide können z. B. Remifentanil oder Sufentanil verwendet werden. Zur Muskelrelaxierung sollten eher kurzwirksame Substanzen, wie z.  B. ­Miva­curium, eingesetzt werden, um eine postoperative Muskelrelaxation zu vermeiden. Beatmung starre / flexible Bronchoskopie Starre Bronchoskopien werden immer in Allgemeinanästhesie durchgeführt. Flexibel broncho­ skopierte Patienten in Allgemeinanästhesie können entweder über das starre Bronchoskop mittels Jet-Ventilation (q Abb. 2), aber auch konventionell über einen Endotrachealtubus oder eine Larynxmaske beatmet werden. ▶▶Zu beachten ist jedoch, dass die Innendurchmesser von Endotrachealtubus und Larynxmaske erheblich durch das flexible Broncho­ skop eingeengt werden. Monitoring  Eine Überwachung während der Intervention, bestehend aus EKG, nicht invasiver Blutdruckmessung und Pulsoxymetrie, ist obligat [2]. Da bei der Jet-Ventilation und der konventionellen Beatmung während einer Bronchoskopie die endtidale Kapnografie nicht immer adäquat möglich ist, sollten die transkutane pCO2-Mes-

sung (pCO2 = CO2-Partialdruck) und ggf. eine invasive Blutdruckmessung mit der Option arterieller Blutgasanalysen möglich sein.

Persönliche Erfahrung  In unserer Klinik werden die anästhesiologisch betreuten, pneumologischen Interventionen zum größten Teil als kombinierte starre und flexible Bronchoskopien mit Jet-Ventilation durchgeführt.

Komplikationen Häufigkeit und Art  98–99 % der flexiblen Bronchoskopien verlaufen ohne relevante Komplika­ tionen [1, 7–9]. ▶▶ Komplikationen können entweder interventionell oder aber auch anästhesiologisch bedingt sein. Durch eine periinterventionelle Stressreaktion kommt es zu einer Aktivierung des sympathischen Nervensystems mit Hypertension und ­Tachykardie, die den myokardialen O2-Verbrauch erhöhen. Fällt zusätzlich das O2-Angebot während der pneumologischen Intervention, kann es zu einer myokardialen Ischämie kommen. Eine suffiziente Lokalanästhesie und eine adäquate ­Sedierung oder Allgemeinanästhesie reduzieren das Risiko kardiovaskulärer Ereignisse während der Untersuchung [5]. Aber auch vagale Reflexe können durch eine zu flache Sedierung bzw. Allgemeinanästhesie und durch eine insuffiziente Reflexdämpfung verursacht werden. Hypoxämie / Hyperkapnie  Temporäre Einschränkungen des Gasaustauschs im Sinne von Hypo­x­ämie und Hyperkapnie treten bei der Broncho­ skopie häufig auf. ▶▶Zum einen reduziert das Einführen des Bronchoskops die Querschnittsfläche der Atemwege und schränkt damit die Atemgasströmung ein. ▶▶Zum anderen kann es durch die Reizung der Bronchialschleimhaut zu einem afferent vermittelten Hustenreflex mit Laryngo- oder Bronchospasmus kommen. Durch das intermittierende bronchoskopische Absaugen, v. a. in „Wedge“-Position (= kompletter Verschluss eines Bronchus durch das Broncho­ skop) kann es in den abhängigen Lungenabschnitten zu einer Atelektase kommen. Die Reduktion der funktionellen Residualkapazität erhöht dann konsekutiv den pulmonalen Rechts-Links-Shunt und verschlechtert die Oxygenierung. Endobronchiale Blutungen oder eine broncho­ alveoläre Lavage (BAL) reduzieren die Gasaustauschfläche und können den Gasaustausch über eine Dauer von mehreren Stunden nach einer Intervention beeinträchtigen [5]. Transientes Fieber  Bei 5–16 % der Bronchoskopien, insbesondere nach einer BAL, entwickeln die Patienten ein transientes Fieber [10, 11]. Die-

Kern M, Niemeyer D, Kerner T, Tank S. Anästhesie in der interventionellen Pneumologie ... Anästhesiol Intensivmed Notfallmed Schmerzther 2015; 50: 8–18

Heruntergeladen von: University of Georgia Libraries. Urheberrechtlich geschützt.

10

CME

Fachwissen

Risiken starres Bronchoskop  Zu den Risiken bei der Verwendung eines starren Bronchoskops gehören in erster Linie Zahnschäden, Schleimhautverletzungen des Tracheobronchialsystems sowie Blutungen. Die Komplikationsrate soll  5 Hz) nimmt die Effektivität des CO2-Transports relativ abrupt ab [13]. Arbeitsdruck  Der Arbeitsdruck (AD) bezeichnet den vom Anwender eingestellten Druck, mit der das Gasgemisch während der Inspiration in die Atemwege gepresst wird.

Kern M, Niemeyer D, Kerner T, Tank S. Anästhesie in der interventionellen Pneumologie ... Anästhesiol Intensivmed Notfallmed Schmerzther 2015; 50: 8–18

Heruntergeladen von: University of Georgia Libraries. Urheberrechtlich geschützt.

12

CME

Fachwissen

Inspiratorische O2-Konzentration (FiO2) Aufgrund des oben beschriebenen Venturi-Effekts entspricht die eingestellte Jet-O2-Konzentration (FJetO2) nicht der tatsächlichen alveolären Konzentration. Der Venturi-Effekt reduziert die FiO2 um ca. 20 %, sodass auf eine ausreichende Zufuhr während der Ventilation geachtet werden muss, um eine Hypoxie zu vermeiden [18].

Inspirationsdauer (ID)  Eine Verlängerung der Inspirationsdauer vergrößert das Tidalvolumen, was die Oxygenierung und die CO2-Elimination verbessert. Die Inspirations­dauer kann an den meisten Geräten zwischen 30–70 % variiert werden. In der Regel wird eine Inspirationsdauer von ca. 50 % gewählt. Gasvolumina  Ähnlich dem Minutenvolumen bei der konventionellen Beatmung kann bei der Jet-Ventilation das abgegebene Volumen pro ­Zeiteinheit (VJet) bestimmt werden. Es ist abhängig vom Arbeitsdruck, der Inspirationsdauer und dem Gesamtwiderstand des gasführenden Systems. ▶▶VJet geteilt durch die BF ergibt das Tidalvolumen (V T). Dieses stimmt allerdings weder mit den Atem­ exkursionen des Brustkorbs noch mit den umgesetzten Gasvolumina überein. Lediglich ein kleiner Teil des V T bewirkt eine inspiratorische Volumenverschiebung. Der Großteil fließt als „backflow“ ab und sorgt so für eine kontinuierliche „Auswaschung“ des Tracheobronchialsystems. Das optimale V T liegt vermutlich in der Größen­ ordnung des anatomischen Totraums [13].

A Klinisch gebräuchliche Beatmungseinstellungen bei HFJV Parameter

HFJV (Bereich)

Beatmungsfrequenz

150 (60–600) n/min

Arbeitsdruck

2 (0,8–4,5) bar

Atemzugvolumen

2, 5 (1,5–4) ml/kg

Inspirationsdauer

40 (30–70) %

inspiratorische O2-Konzentration

50 (21–100) %

Starre Bronchoskopie und Jetventilation: Besonderheiten

Tab. 6  HFJV = HochfrequenzJet-Ventilation. Daten aus [15].

▼▼

Tidalvolumina  Die Beatmung mittels HFJV erlaubt es, das starre Bronchoskop auch für längere Eingriffe (> 90 min) als Eingriffs- und Beatmungsinstrument zugleich zu nutzen. Über eine spitzwinklig eingebrachte Jet-Kanüle am proximalen Ende des Rohres wird der Jet-Ventilator verbunden (q  Abb. 1, 3). Für die ungehinderte Fortleitung des Jet-Stroms und die Erzeugung des Venturi-Effekts in die Trachea ist die richtige Platzierung des starren Bronchoskops entscheidend (q  Abb. 4). Die Höhe des max. Flusses – und damit auch des Venturi-Effekts – durch das Rohr hängt vom Arbeitsdruck sowie dem Widerstand der JetDüse bzw. -Kanüle und des starren Bronchoskops ab. Der Venturi-Effekt trägt in Abhängigkeit vom AD, der ID, der BF und der Jet-Kanülenposition zwischen 2–60 % zum Atemhubvolumen bei [19]. Die tatsächlichen Tidal­ volumina hängen im Wesentlichen ab von ▶▶dem Widerstand in den Atemwegen, ▶▶der Compliance der Lunge und ▶▶dem Widerstand im Bronchoskop. Bronchoskop-Querschnitt  Das Gesamtvolumen während einer HFJV wird in bedeutendem Ausmaß auch vom Querschnitt des starren Rohres beeinflusst. Daraus ergibt sich, dass ein verkleinerter Querschnitt durch den Einsatz von Instrumenten unmittelbare Effekte auf die Beatmung hat: ▶▶Senkung des max. Flusses durch die Widerstandszunahme ▶▶Abschwächung des Venturi-Effekts und damit Verminderung des VE (VE = effektiv appliziertes Gasvolumen); hierdurch bedingt ein weiteres Absinken des max. Flusses mit der Gefahr einer Hypoxie ▶▶Zunahme des Gasabstroms („backflow“) Durch die verminderte Beimischung von Umgebungsluft nähert sich die FiO2 dem gewählten FJetO2, was der Oxygenierung entgegenkommt [13]. Überlauf Bereits während der Inspiration strömt ein beträchtlicher Teil des Atemgases als gegenläufiger Atemstrom durch die Lumendifferenz von Bronchoskop und Trachea nach außen. Während der Exspiration entweicht Luft durch

Kern M, Niemeyer D, Kerner T, Tank S. Anästhesie in der interventionellen Pneumologie ... Anästhesiol Intensivmed Notfallmed Schmerzther 2015; 50: 8–18

Heruntergeladen von: University of Georgia Libraries. Urheberrechtlich geschützt.

▶▶ Bei lungengesunden Erwachsenen wird bei englumigen Jet-Kathetern (relativ hoher Widerstand) in der Regel ein Arbeitsdruck zwischen 1,5–2,5 bar eingestellt. ▶▶ Beim starren Bronchoskop (relativ geringer Widerstand) genügen 1–2 bar. Aufgrund des offenen Systems und des kleinen Durchmessers des Katheters bzw. der Kanüle kann sich der hohe Arbeitsdruck nicht bis in die Atemwege fortpflanzen. Bei korrekter Platzierung sind dort sogar niedrigere Drücke als bei konventioneller Beatmung zu messen. Der ständige Abstrom des überschüssigen Volumens bietet einen weitgehenden Schutz vor einem Barotrauma [15]. Mit steigendem Arbeitsdruck verändert sich das Tidalvolumen. Hierdurch wird v. a. die CO2-Elimination und – etwas ­weniger stark – die Oxygenierung beeinflusst (q Tab. 5).

13

CME

Fachwissen

Bildnachweis Sascha Tank

Abb. 3 (links) Eingeführtes starres Bronchoskop mit ein­ geführtem flexiblem Broncho­ skop. Die Jet-Kanüle ist seitlich angebracht.

Bildnachweis: Sascha Tank

A

Abb. 4 (rechts) Eingeführtes starres Bronchoskop.

das starre Rohr. Es ist ersichtlich, dass einerseits ein hoher VJet zur Kompensation des Lecks notwendig ist, anderseits durch ebendieses ein weitestgehender Schutz vor Lungenüberdehnung und Barotrauma besteht. Bei Säuglingen und Kindern entfällt durch den gasdichten Sitz des Bronchoskops dieser Überlauf. Hier muss von der Nullstellung ausgehend der AD und damit der max. Fluss in kleinsten Schritten angepasst werden, um Barotraumata zu vermeiden [13].

Monitoring

▼▼

Standardmäßiges Monitoring  Das standardmäßige Monitoring für interventionelle Eingriffe muss bestehen aus ▶▶ EKG, ▶▶nicht invasiver Blutdruckmessung und ▶▶ Pulsoxymetrie [20].

Messung der Atemwegsdrücke  Aufgrund des offenen Systems ist eine Messung der atem­ mechanischen Parameter schwierig. Lediglich die Atemwegs­drücke können bei modernen Geräten erfasst werden. ▶▶ Dazu wird entweder zwischen den einzelnen Gasinsufflationen endexspiratorisch an der Spitze des Katheters der sog. Pausendruck oder ▶▶über ein 2. Lumen des Katheters der Atemwegs­ druck gemessen. Wird der Spitzendruck überschritten, kommt es zu einer Notabschaltung des Gasflows, um Überblähungen mit konsekutiven Lungenverletzungen zu vermeiden. Bei der Auskultation der Lunge sollte auf ein seitengleiches Strömungsgeräusch geachtet werden. Die Thoraxexkursionen können nur als grober Indikator für eine suffiziente Ventilation verwendet werden.

▶▶ Die Veränderungen der Oxygenierung lassen sich durch die pulsoxymetrische O2-Sättigung zeitnah abbilden.

Überwachung der Ventilation Problematischer ist die Überwachung der Ventilation. Für die Bestimmung des endtidalen CO2-Partialdrucks bei Hochfrequenz-Beatmungen ist aufgrund der langen Latenzzeit der Kapnometrie die Exspira­ tionszeit zu gering. Um zuverlässig zu messen, müsste der Anwender eine längere Exspirationspause einfügen. Eine atemwegsunabhängige Alternative ist die transkutane CO2-Messung [21]. Mittels arterieller Blutgasanalyse können die Veränderungen des Gasaustauschs zwar exakt, jedoch nur zeitverzögert und diskontinuierlich wiedergegeben werden. Eine arterielle Blutgasanalyse sollte aber bei längeren Eingriffen und bei Patienten mit ent­ sprechender Komorbidität erfolgen.

Management der Allgemeinanästhesie zur Jet-Ventilation

▼▼

Perioperatives Vorgehen  Da es sich bei der JetVentilation um ein offenes Beatmungssystem handelt, kommt für die Narkoseführung in erster Linie eine totale intravenöse Anästhesie (TIVA) infrage. Um vagale Reflexe und Hypersalivation zu unterdrücken, kann eine anticholinerge Medikation mit A ­ tropin oder Glykopyrroniumbromid eingesetzt werden. Nach Induktion der Allgemein­ anästhesie, der Muskelrelaxation und der Positio­ nierung des Jet-Katheters bzw. der Jet-Kanüle über das starre Bronchoskop eignen sich folgende Anfangseinstellungen zunächst für die Beatmung erwachsener Patienten:

Kern M, Niemeyer D, Kerner T, Tank S. Anästhesie in der interventionellen Pneumologie ... Anästhesiol Intensivmed Notfallmed Schmerzther 2015; 50: 8–18

Heruntergeladen von: University of Georgia Libraries. Urheberrechtlich geschützt.

14

CME

Fachwissen

Ende der Intervention  Am Ende der Interven­ tion kann der liegende Jet-Katheter bis zur Rückkehr einer suffizienten Spontanatmung liegen bleiben. Der Katheter wird aufgrund des geringen Durchmessers meist gut toleriert [16]. Das starre Bronchoskop kann bei Spontanbewegungen des Patientenkopfs schwere tracheale Verletzungen verursachen und sollte frühzeitig gezogen worden.

Der Patient muss bei Bedarf temporär bis zum Einsetzen einer suffizienten Spontanatmung mittels Maske oder Larynxmaske kontrolliert bzw. assistiert beatmet werden.

Postoperatives Vorgehen  Postoperativ muss jeder Patient für einige Zeit im Aufwachraum überwacht werden, insbesondere aufgrund möglicher manipulationsbedingter Schwellungen der Atemwege und anderer pulmonaler Komplikationen, wie z.  B. postinterventionellen Hämor­ rhagien, Sekretverhalt etc. [14]. Vor Entlassung sollte die Lunge abgehört und die obere Thoraxregion sowie der Gesichts- und Halsbereich auf Emphyseme untersucht werden. Ein postope­­ rativer Auswurf wird häufig beobachtet und ist auf den durchaus erwünschten expektorativen Effekt der Jet-Ventilation bei tracheobronchialem Sekretverhalt zurückzuführen [13]. Durch die Verwendung meist kurzwirksamer Analgetika ist eine postoperative Schmerzbehandlung oft nicht ausreichend gegeben. Auf ein angepasstes intra- und postoperatives Schmerzregime sollte daher geachtet werden.

Kontraindikationen & Komplikationen der Jet-Ventilation

A

▼▼

Verengung des Querschnitts  Die Jet-Ventila­ tion ermöglicht auch bei hochgradigen Stenosen meist eine suffiziente Oxygenierung. Dafür kann der Katheter über die Stenose vorgeschoben werden. Eine Verengung des Querschnitts auf

[Anesthesia in interventional pulmonology -- bronchoscopy and jet ventilation].

Today interventional procedures are frequently used for diagnosis and treatment in patients with various pulmonary diseases. Besides bronchoscopy in l...
1MB Sizes 6 Downloads 14 Views