Leitthema Unfallchirurg 2014 · 117:798–807 DOI 10.1007/s00113-014-2599-y Online publiziert: 05. September 2014 © Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2014

Redaktion

H. Zwipp, Dresden

Die Fehlheilung eines Mittelfußknochens im Sinne der „­malunion“ erfordert nur selten eine anatomische Wiederherstellung, wohingegen eine Pseudarthrose im Sinne der „­nonunion“, insbesondere des proximalen 5. Mittelfußknochen relativ häufig eine operative Korrektur nach nicht verheilter Basis- oder Jones-Fraktur erfordert. Auch seltenere Indikationen zur Wiederherstellung fehlverheilter Schaft- oder subkapitaler Frakturen und die Wiedergewinnung des Metatarsokuboidgelenks nach iatrogener Fusion bei bereits bestehender Kalkaneokuboidarthrodese sollen die biomechanische Bedeutung auch kleiner Fußgelenke aufzeigen. Auch im Vorfuß sind achsengerechte Metatarsalia und intakte Gelenke proxi­ mal und distal für ein schmerzfreies Ab­

H. Zwipp · W. Schneiders · S. Rammelt Universitätsklinikum Carl Gustav Carus an der Technischen Universität Dresden, Anstalt öffentlichen Rechts des Freistaates Sachsen, Dresden

Anatomische Wiederherstellung fehlverheilter Metatarsalia und deren angrenzender Gelenke wickeln des Fußes verantwortlich. Fehl­ verheilungen von Metatarsalia sind am ehesten beobachtbar nach Komplextrau­ men des Fußes. Während Fehlstellungen der Metatarsalia II und III einen post­ traumatischen Hallux valgus induzieren können, plantar abgekippte, fehlverheil­ te Metatarsaliaköpfchen erfahrungsge­ mäß zu äußerst schmerzhaften Metatar­ salgien führen, bedingen Pseudarthrosen in der Regel einen chronischen Instabili­ tätsschmerz. Relevante Metatarsaleschaft­ fehlstellungen von >20°, Pseudarthrosen des proximalen Metatarsale V (MT V), subkapitale, korrekturbedürftige Fehl­ stellungen nach plantar oder dorsal sowie schmerzhafte Pseudarthrosen der proxi­ malen Diaphyse des 5. Mittelfußknochens werden als notwendige Rekonstruktionen dargestellt. Darüber hinaus soll das Fall­ beispiel einer notwendigen Wiederauflö­ sung des lateralen Lisfranc-Gelenks nach iatrogener Fusion die biomechanische

und funktionelle Bedeutung der kleinen Fußgelenke hervorheben.

Proximale Pseudarthrose des 5. Mittelfußknochens nach Abrissfraktur der Basis Wenngleich die nicht- oder nur gering dislozierte Abrissfraktur der MFK-V-Ba­ sis unter konservativer Behandlung z. B. mit der Caligamed®-Schiene in der Regel gut verheilt [11], kann es dennoch selten zu einer schmerzhaften pseudarthrotischen Fehlverheilung kommen (. Abb. 1a).

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Eine pseudarthrotische Fehlverheilung kann mit gepulstem Ultraschall zur Ausheilung gebracht werden Diese kann nach eigener Erfahrung in der Regel ohne operative Maßnahme

Abb. 1 8 Proximale Pseudarthrose der MFK-Basis: a Nach konservativer Behandlung, die mit Exogen (30-mal) stabil ­verheilte. b Atrophe Pseudarthrose nach Voroperation, die mit autologer Spongiosa und Zuggurtungsosteosynthese rasch ausheilte

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Abb. 2 8 a–e Pseudarthrose der proximalen Metaphyse des 5. Mittelfußknochens nach Stressfraktur. (s. Text)

Abb. 3 9 a–c Pseudarthrose nach Jones-Fraktur. (s. Text)

mit ­gepulstem Ultraschall erfolgreich zur Ausheilung gebracht werden [10]. Bei weit dehiszent pseudarthrotischer Fehlverhei­ lung hat sich die Anfrischung mit autolo­ ger Spongiosa, z. B. über ein kleines Fens­ ter vom Kalkaneus entnommen, kombi­ niert mit einer ­Zuggurtungsosteosynthese bewährt (. Abb. 1b).

Pseudarthrose der proximalen Metaphyse nach Stressfraktur Das Beispiel eines 21-jährigen, aktiven Tennissportlers zeigt eine ­schmerzhafte

Situation 8 Wochen nach Stressfrak­ tur an der proximalen Metaphyse trotz Sportpause und Tapeverbänden eine pseud­arthrotische, schmerzhafte Fehl­ heilung (. Abb. 2a). Nach einer biome­ chanisch nicht ausreichenden Osteosyn­ these persistiert die Pseudarthrose über 4 Monate (. Abb. 2b). Erst die Resek­ tion des pseudarthrotischen Gewebes (. Abb. 2c) mit Interposition eines au­ tologen Knochenspans und durch Stabi­ lisation mit einer winkelstabilen 2,7-mmPlatte (. Abb. 2d) kommt die Pseudarth­

rose bereits 2 Monate später zur sicheren Ausheilung (. Abb. 2e).

Pseudarthrose nach Jones-Fraktur Die Jones-Fraktur des Metatarsale V neigt aufgrund der kritischen Durchblutungs­ situation in dieser Zone zur Ausbildung einer pseudarthrotischen Fehlverheilung. Wie im Fallbeispiel eines jungen Fußbal­ lers gezeigt, kann mittels minimal-invasiv gesetzter, kanülierter 4,5-mm-Schraube Der Unfallchirurg 9 · 2014 

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Zusammenfassung · Abstract die Pseudarthrose rasch zur Ausheilung gebracht werden (. Abb. 3).

Diaphysäre Metatarsalepseudarthrose Selten führt eine Metatarsalefraktur zur pseudarthrotischen Fehlheilung. Ereig­ net sie sich dennoch, führt sie zu Schwel­ lung und Schmerzen bei Belastung, so dass eine operative Korrektur in der Re­ gel angezeigt ist. Das Fallbeispiel zeigt die Schaftpseud­arthrose des MT II bei einer 23-jährigen Patientin, die bei Serienfrak­ tur des MT II–IV links im Rahmen eines Verkehrsunfalls mittels retrograder per­ kutaner Kirschner-­Drahtosteosynthese versorgt worden war (. Abb. 4). Der 2. Strahl entspricht einer hypertrophen Pseudarthrose (. Abb. 4a–c), wobei der 3. Strahl in Adduktion und vermehrter Plantarflexion fehlverheilt ist, was insbe­ sondere durch die Metatarsaleköpfchen­ aufnahme (. Abb. 4b) mit Tiefertreten des Köpfchens deutlich zum Ausdruck kommt. Während die hypertrophe Pseud­ arthrose wie im Schaftbereich auch großer Röhrenknochen nur Druck und Stabilität benötigt, hier mittels 2,7-LCDCP („limi­ ted contact dynamic compression plate“, . Abb. 4d, e), erfordert die Fehlverhei­ lung des 3. Strahls eine deflektierende und abduzierende Osteotomie mit Stabilisie­ rung mittels winkelstabiler 2,7-LCP („lo­ cking compression plate“, . Abb. 4f, g). Die unter Druck gesetzte Pseudarthrose und der 3. Metatarsalestrahl sind bereits nach 4 Monaten (. Abb. 4h) fest verheilt, die Patientin ist schmerzfrei.

Posttraumatischer Hallux valgus bei fehlverheilter MT-II-, -III-Fraktur Wie abhängig die Ausrichtung des 1. Fuß­ strahls zu fehlverheilten benachbarten Metatarsalia ist, zeigt das Fallbeispiel in . Abb. 5. Hier erlitt ein 18-jähriger Pa­ tient eine Serienfraktur der MT II–IV, die unter konservativer Behandlung zur einer extremen Achsabweichung des 2. Strahls mit 32° und des 3. Strahles mit 18° führ­ te, wodurch sich eine Hallux-valgus-De­ formität sekundär von 38° entwickelte (. Abb. 5a). Erst durch die achsenkorri­ gierende Osteotomie und die stabile Plat­

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Unfallchirurg 2014 · 117:798–807  DOI 10.1007/s00113-014-2599-y © Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2014 H. Zwipp · W. Schneiders · S. Rammelt

Anatomische Wiederherstellung fehlverheilter Metatarsalia und deren angrenzender Gelenke Zusammenfassung Hintergrund.  Da fehlverheilte ­Metatarsalia bei nicht axial belasteten, vor- und nachgeschalteten Gelenken nur selten operative Korrekturen erfordern, sind dennoch, wie an diversen Fallbeispielen gezeigt, operative Korrekturen bei schmerzhaften Pseudarthrosen, besonders des 5. proximalen Metatarsale zur Schmerzbehebung nicht allzu selten notwendig. Methode.  Durch Verbesserung der Biologie mittels autologer Spongiosatransplantation und der Biomechanik mittels stabiler Osteosynthese können Pseudarthrosen sicher behandelt werden, wenn konservative Maßnahmen wie die gepulste Ultraschallbehandlung z. B. versagen. Fehlverheilte subkapitale Metatarsalefrakturen mit Kippung des Köpfchens nach plantar führen direkt, nach dorsal indirekt, am benachbarten Metatarsaleköpf-

chen zur äußerst schmerzhaften Metatarsalgie bzw. Transfermetatarsalgie. Ergebnisse.  Zur Schmerzbehebung und Gelenkerhaltung sind achsenkorrigierende Osteotomien erforderlich. Die anatomische Wiederherstellung mit Auflösung eines iatrogen fusionierten Metatarsalekuboidgelenks mittels Faszieninterposition soll die Bedeutung dieser kleinen Fußgelenke illustrieren, ebenso wie der biomechanisch wichtige Wiederaufbau des ersten Strahls mittels Kallusdistraktion. Schlüsselwörter Fehlverheilung · Pseudarthrose · Großzehenluxation, chronische · Neogelenk, metatarsokuboidales · Spongiosatransplantation

Anatomical reconstruction of malunited metatarsals and adjacent joints Abstract Hintergrund.  Malunited fractures of the metatarsals seldom need correction because the adjacent joints proximally and distally are not axially loaded but they may cause significant pain when a subcapital fracture is malunited too far in a plantar direction. Method.  Even if a metatarsal head is malunited too dorsally the neighboring head signals transfer metatarsalgia. Therefore, reorientation osteotomy with the intraoperative help of a minidistractor and stable fixation with a small locking plate is needed. Painful nonunion, especially of the proximal fifth metatarsal needs improvement of the biology (e.g. autogenous bone graft) and of the biomechanics (e.g. stable osteosynthesis) if for example pulsed ultrasound treatment fails.

tenosteosynthese des 2. Metatarsale kann indirekt auch die Hallux-valgus-Defor­ mität von 38° auf 14° reduziert werden (. Abb. 5b).

Subkapitale Fehlstellung nach plantar Subkapitale, erheblich nach plantar abge­ kippte Metatarsaliafrakturen, die entwe­ der nicht rechtzeitig reponiert und mittels

Results.  The importance of these small foot joints is illustrated by reopening the iatrogenically fused metatarso-cuboidal joint and making a new joint by interposition of crural fascia being crucial for a pain-free and fully functioning foot. The special biomechanics of the first ray is stressed by the secondary reconstruction of the first metatarsal showing a huge bony defect and poor surrounding soft tissues by performing callus distraction. Keywords Malunion · Nonunion · Dislocation of metatarsal-phalangeal joint I, chronic · Substitution of metatarsal-cuboidal joint · Spongiosa transplantation

ante- oder retrograder Kirschner-Draht­ versorgung in korrekter Stellung zur Aus­ heilung gebracht werden oder beim Poly­ traumatisierten nicht selten übersehen werden, können zu schwersten posttrau­ matischen Metatarsalgien führen.

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Subkapitale, nach plantar abgekippte Metatarsaliafrakturen können zu posttraumatischen Metatarsalgien führen Das Fallbeispiel eines 26-jährigen nach konservativ behandelter subkapita­ ler Fraktur des 4. Mittelfußknochens (. Abb. 6a, b) zeigt die erhebliche Plan­ tarverkpippung (40°) mit schmerzhaf­ ter Metatarsalgie. Die dorsoplantare Auf­ nahme zeigt neben der intraartikulä­ ren Grundgliedbasisfehlverheilung die zusätzliche Adduktionsfehlstellung des MT IVvon 18°, die ebenso wie die planta­ re Verkippung mitzukorrigieren ist. Ent­ sprechend der präoperativen Planung und erleichterter Korrektur durch Ein­ satz eines Minidistraktors (. Abb. 6b) gelingt die Achskorrektur in beiden Ebe­ nen leicht mit temporärem Halten durch einen Kirschner-Draht ( .   Abb. 6c), um anschließend das distale Metatarsa­ le mit einer kleinen Kondylenplatte in korrigierter Ausrichtung zu stabilisieren (. Abb. 6d, e).

Metatarsokuboidales Neogelenk

Abb. 4 8 a–h Diaphysäre Metatarsalepseudarthrose. (s. Text)

Anhand eines Fallbeispiels (. Abb. 7) soll die funktionelle Bedeutung des metatar­ sokuboidalen Gelenks dargestellt werden. Die biomechanische Relevanz dieses Ge­ lenks ist umso bedeutender, wenn bereits die Beweglichkeit im Kalkaneokuboidge­ lenk durch eine Fusion aufgehoben ist. Eine 28-jährige Patientin war im Bereich des rechten Mittfußes bereits 15-mal aus­ wärtig voroperiert, zuletzt mit Rearthro­ dese des Kalkaneokuboidgelenks und mit Refusion des 4. und 5. Strahls zum Kubo­ id, nachdem zuvor eine Sehneninterposi­ tionsplastik nicht zum gewünschten Er­ folg geführt hatte. Bei der Erstuntersu­ chung hier zeigen die Fußbelastungsauf­ nahmen (. Abb. 7a–e), dass der Mittfuß im Kalkneokuboidgelenk in einer Supi­ nationsfehlstellung von 18° fusioniert ist. Die Superimposition des Taluskopfes über dem distalen Kalkaneus zeigt im Seiten­ vergleich (. Abb. 7b), dass die Achse des Talus statt zum 1. in Richtung 3. Mittelfuß­ köpfchen zeigt und die Distanz vom late­ ralen Kalkaneusrand zum lateralen Navi­ Der Unfallchirurg 9 · 2014 

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Abb. 5 8 a, b Posttraumatischer Hallux valgus bei fehlverheilter MT-II- und -III-Fraktur. (s. Text)

Abb. 6 8 a–e Subkapitale Fehlstellung nach plantar. (s. Text)

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schenkelgehcast mit 20 kp für 6 Wochen, danach für weitere 6 Wochen im Lopres­ ti-Slipper mit Entfernung der KirschnerDrähte in der 13. Woche. Die unmittel­ bar postoperativen klinischen Aufnah­ men zeigen die gute Reorientierung des Rückfuß bei noch frischen Narben im dorsalen Unterschenkelbereich und über dem lateralen Fuß (. Abb. 7i). Der spä­ tere Verlauf (. Abb. 7j–l) zeigt insbe­ sondere in der Schrägaufnahme des Fu­ ßes (. Abb. 7j) das wiedergewonnene Metatarsokuboidalgelenk. Die SaltzmanAufnahme des Rückfußes dokumentiert einen jetzt physiologischen Rückfußval­ gus von 7° (. Abb. 7k) und die dorso­ plantare Belastungsaufnahme die korrek­ te Ausrichtung der Talusachse in Verlän­ gerung zur MT-I-Achse. Die Patientin ist bei der 1-Jahres-Kontrolle in Konfektions­ schuhen weitestgehend beschwerdefrei.

Metatarsale-I-Rekonstruktion bei großem ossärem Defekt

Abb. 7 8 a–k Metatarsokuboidales Neogelenk. (s. Text)

kularerand um ein Drittel gegenüber links verkürzt ist.

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Für die Abwicklung des Fußes ist ein bewegliches Kalkaneokuboidgelenk und/oder Metatarsokuboidalgelenk notwendig Durch die zusätzliche Arthrodese im me­ tatarsokuboidalen Gelenk, d. h. im latera­ len Lisfranc-Gelenk, ist ein Abwickeln des Fußes in keiner Weise mehr möglich. Der Fuß wird durch die spinatorische Fehl­ stellung des Mittfußes durch den in 0° fi­ xierten Rückfuß (. Abb. 7c) und die um 10° medial angehobene Metatarsaliaebene extrem über der äußeren Fußsäule belas­ tet, was zur Überbeschwielung und extre­ men Schmerzen führt. Um die Situation in dieser schwierigen Situation zu verbes­ sern, wird das fusionierte Kalkaneoku­

boidgelenk osteotomiert und der gesam­ te Mitt- und Vorfuß um 10° nach innen derotiert, so dass die Metatarsalia aus der supinatorischen Fehlstellung in die neu­ trale Position reorientiert werden. Danach wird das Kalkaneokuboidgelenk mit einer winkelstabilen X-Platte (. Abb. 7f–h) er­ neut stabilisiert. Anschließend wird unter BV-Kontrolle die ehemalige Ebene des Metatarsokuboidalgelenks lokalisiert und in dieser Ebene osteotomiert (. Abb. 7f). Nach ausreichender Lösung zwischen Ku­ boid und den Basen MT IV und V wird ein entsprechend großer Faszienlappen aus dem proximalen Achillessehnenbe­ reich, d. h. nahe zu den Gastrocnemii­ bäuchen von 3×3 cm Größe entnommen und in den Osteotomiespalt interponiert. Zur sicheren Einheilung werden zwei Kir­ schner-Drähte gesetzt. Die postoperative Nachbehandlung entspricht der Mobilisation im Unter­

Im letzten Fallbeispiel (. Abb. 8) soll die Wiedergewinnung der biomechanisch wichtigen Funktion des 1. Strahls mittels Kallusdistraktion veranschaulicht wer­ den. Einem 29-jährigen Patienten war ein schweres Radlager auf den linken Vorfuß gefallen, was trotz getragenem Arbeits­ schuh zu einem Komplextrauma des Vor­ fußes mit Multifrakturierung des distalen MT I führte. Nach insgesamt drei Vor­ operationen, zuletzt mit Entfernung eines Knochenspans bei Infektion, kommt der Patient 1,5 Jahre später in unsere Behand­ lung und weist einen annähernd 2,5 cm großen Knochendefekt des distalen MT I und korrespondierend ca. 0,5 cm der pro­ ximalen Grundphalanx bei noch liegen­ dem Restimplantaten auf (. Abb. 8a–c).

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Große ossäre Defekte des MT I sind bei schlechten umgebenden Weichteilen mittels Kallusdistraktion behandelbar Insbesondere zeigen die CT-Aufnahmen, dass der Hauptdefekt in Höhe der Sesam­ beine besteht, wodurch die verkürzt ste­ hende Großzehe keinen Bodenkontakt hat und bei relativ überlangen Beuge- und Strecksehnen keine aktive Funktion auf­ Der Unfallchirurg 9 · 2014 

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Abb. 7 8 Fortsetzung

nehmen kann (. Abb. 8b, c). Aufgrund der fehlgeschlagenen Arthrodese mit In­ fektion und ausgedehnten Nekrosen im Restmetatarsale kann das Ziel der Wie­ derherstellung des ersten Strahls nur dar­ in bestehenden, dass nach radikalem Dé­ bridement im ersten Schritt (. Abb. 8d) zweizeitig ein Minidistraktor medial plat­ ziert, das proximale Metatarsale osteoto­ miert und der Knochentransfer im Sin­ ne der Ilizarov-Methode 2 Tage später mit 1 mm Distraktion täglich aufgenom­ men wird. 6 Wochen später wird eine defini­ tive interne Osteosynthese mit autolo­ ger Spongiosatransplantation und win­

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kelstabiler 6-Loch-Titan-LCP der Stärke 3,5 mm vorgenommen (. Abb. 8f). Be­ reits nach 3 bzw. 4 Monaten (. Abb. 8g) ist der 1. Strahl in fast voller Länge wieder­ hergestellt und die Fusion zwischen ver­ längertem Metatarsale und Restgrund­ phalanx D1 vollzogen. Der Fuß ist voll be­ lastungsfähig. Der Patient kann schritt­ weise beruflich reintegriert werden.

Diskussion Während an axial belasteten langen Röh­ renknochen wie Femur und Tibia mit vor- und nachgeordneten Gelenken Ro­ tations-, Varus-/Valgus- oder Ante-/Re­

kurvationsfehlstellungen bereits bei rela­ tiv kleinen Abweichungen der physiologi­ schen Achse zu Gelenkproblemen führen, sind posttraumatische Fehlstellungen der Metatarsalia, deren vor- und nachgeschal­ teten Gelenke naturgemäß nicht axial be­ lastet werden, in weitaus höherem Maße von betroffenen Patienten in Bezug auf Schmerzentwicklung tolerabel. Dies er­ klärt auch die seltene Indikation für not­ wendige Korrekturoperationen. Dies gilt weniger für fehlverheilte subkapitale Me­ tatarsaleköpfchenfrakturen im MP-Ge­ lenk distal und für Fehlheilungen des Lis­ franc-Gelenks proximal, da in den Meta­ tarsophalangealgelenken mehr noch als im Lisfranc-Gelenk Schmerzen beim Ab­ wickeln des Fußes bei jedem Schritt aus­ gelöst werden. Während Hansen [1] die kleinen MPGelenke zurecht als essentielle Gelenke einschätzt, konnte im eigenen Verständ­ nis nie nachvollzogen werden, warum das Kalkaneokuboidgelenk als „nicht notwen­ diges“ Gelenk kategorisiert wurde. Zwi­ schenzeitlich wurde die funktionelle Be­ deutung dieses, aber auch des „nicht es­ sentiellen, aber nützlichen“ metatarso­ kuboidalen Gelenks von Hansen revi­ diert [2]. Dies ist anhand experimentel­ ler Untersuchungen von Ouzounian u. Shereff [7] auch verständlich, wonach ein mittlerer Bewegungsumfang an humanen Kadaverfüßen im Kalkaneokuboidgelenk von 2,3° bei Dorsalextension/Plantarfle­ xion und von 7,3° bei Pronation/Supi­ nation, im metatarsokuboidalen Gelenk von analog 9,9° bzw. 10,1° im Mittel eru­ iert wurde. Während von einigen Autoren [4, 5, 6, 9] im Rahmen der operativen Versor­ gung von homolateralen Lisfranc-Luxa­ tionsfrakturen der 4. und 5. Strahl zum Kuboid, wenn überhaupt, dann nur mit Kirschner-Drähten temporär transfixiert werden soll, konnte in eigenen Untersu­ chungen [8, 12] kein Nachteil der tempo­ rären Transfixation von MFK IV und V zum Kuboid mit 3,5-mm-Kortikalisstell­ schrauben für 8 Wochen gesehen werden, noch nicht einmal bei vollständiger Arth­ rodese des gesamten Lisfranc-Gelenks, solange das Kalkaneokuboidgelenk intakt und beweglich war. Die funktionelle Bedeutung des Kal­ kaneokuboidgelenks und des Metatarso­

Abb. 8 8 a–g MT-I-Rekonstruktion bei großem ossärem Defekt.(s. Text)

kuboidalgelenks wird besonders im Fall­ beispiel 7 (. Abb. 7) deutlich, da mindes­ tens eines der beiden Gelenkabschnitte beweglich sein muss, um ein Abwickeln des Fußes zu ermöglichen. Es zeigt aber zusätzlich eindrucksvoll, dass jede Ar­ throdese im Fußbereich vor- und nach­ geordnete anatomische Achsen berück­ sichtigen muss. So führt eine unphysio­ logische Fusion im Kalkaneokuboidge­ lenk mit supinatorischer Fehleinstellung des Vorfußes zusätzlich zur Rückfußva­ risierung, wodurch nicht nur die laterale Fußsäule vermehrt fehlbelastet wird und so zur Überbeschwielung und zu Schmer­ zen führt, sondern dass die Achse des obe­ ren Sprunggelenks und letztlich die des gesamten Beines alteriert wird. Während Pseudarthrosen, meist des proximalen 5. Mittelfußknochens, selte­ ner der Diaphysen, Instabilitätsschmerz verursachen und dies durch Verbesse­

rung der Biologie mittels gepulstem Ul­ traschall [10] oder autologer Spongiosa­ transplantation und biomechanisch stabi­ lisierender und möglichst druckinduzie­ render Osteosynthese relativ einfach ope­ rativ zu korrigieren sind, erfordern sub­ kapitale fehlverheilte Metatarsalefraktu­ ren für eine reorientierende Osteotomie nicht nur eine exakte präoperative Diag­ nostik mit Fußbelastungsaufnahmen in zwei Ebenen, Metatarsaleköpfchenauf­ nahmen beidseits im Stehen, CT-Analy­ se und Operationsplanung, sondern auch den Einsatz eines Minidistraktors, das atraumatische operative Vorgehen eines fußchirurgisch erfahrenen Operateurs und die Verfügbarkeit von kleinen win­ kelstabilen Platten. Wenngleich funktionell unterschied­ lich kann bei großen Defektstrecken, ins­ besondere bei ungünstiger Weichteilsitu­ ation nach vorausgegangener Osteitis ana­

log zur Therapie eines ossär verkürzten Daumens [3] beim defekten 1. Strahl des Fußes die Ilizarov-Methode im Sinne der Kallusdistraktion äußerst hilfreich sein.

Fazit für die Praxis F Fehlverheilte, subkapitale Metatarsalefrakturen erfordern bei Metatarsalgie eine reorientierende Osteotomie, weswegen diese Frakturen besonders beim polytraumatisierten Patienten früh diagnostiziert und primär achsengerecht mittels ante- oder retrograder Kirschner-Drahtosteosynthese behandelt werden sollen. F Pseudarthrosen benötigen gepulsten Ultraschall oder in atropher Situation eine autologe Spongiosaplastik mit stabiler Osteosynthese. F Für die Abwicklung des Fußes ist ein bewegliches Kalkaneokuboidgelenk Der Unfallchirurg 9 · 2014 

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Abb. 8 9 Fortsetzung

und/oder Metatarsokuboidalgelenk notwendig, eine Interpositionsplastik mit Faszie ist für das Metatarsokuboidalgelenk möglich und bei bereits fusioniertem Kalkaneokuboidgelenk eine essentielle Maßnahme. F Große ossäre Defekte des MT I sind bei schlechten umgebenden Weich-

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teilen am sichersten mittels Kallusdistraktion behandelbar.

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Einhaltung ethischer Richtlinien

Prof. Dr. H. Zwipp Universitätsklinikum Carl Gustav Carus an der Technischen Universität Dresden, Anstalt öffentlichen Rechts des Freistaates Sachsen Fetscherstraße 74, 01307 Dresden

Interessenkonflikt.  H. Zwipp, W. Schneiders und S. Rammelt geben an, dass kein Interessenkonflikt besteht­. Dieser Beitrag beinhaltet keine Studien an Menschen oder Tieren. Alle Patienten, die über Bildmaterial oder

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Literatur   1. Hansen ST (2000) Functional reconstruction of the foot and ankle. Lippincott Williams & Wilkins, Baltimore, S 31   2. Hansen ST (2004) Personal communication during AO-Foot & Ankle Course, Davos   3. Matev IB (1970) Thumb reconstruction after amputation at the metacarpophalangeal joint by bonelengthening. A preliminary report of three cases.   J Bone Joint Surg Am 52(5):957–965   4. Mulier T, Haan J de, Vriesendorp P, Reynders P (2010) The treatment of Lisfranc Injuries: review of current literature. Eur J Trauma Emerg Surg 3:206– 216   5. Myerson MS, Cerrato RA (2008) Current management of tarsometatarsal injuries in the athlete.   J Bone Joint Surg Am 90:2522–2533   6. Nunley J, Vertullo C (2002) Lisfranc injuries in the athlete. Am J Sports Med 20:871–878   7. Ouzounian TJ, Shereff MJ (1989) In vitro determination of midfoot motion. Foot Ankle 10(3):140– 146   8. Rammelt S, Schneiders W, Schikore H et al (2008) Primary open reduction and fixation compared with delayed corrective arthrodesis in the treatment of tarsometatarsal (Lisfranc) fracture dislocation. J Bone Joint Surg Br 90:1499–1506   9. Sands AK, Grose A (2004) Lisfranc injuries. Injury 35(2):72–76 10. Schneiders W (2012) Behandlungsmethoden bei nicht heilenden Frakturen. Vortrag im Klinikum rechts der Isar, München 11. Weinberg AM, Rzesacz EH, Illgner A, Reilmann H (1993) Die basisnahe Metatarsale-V-Fraktur: Konservative funktionelle Behandlung. Unfallchirurg 96:395–398 12. Zwipp H, Rammelt S, Holch M, Dahlen C (1999)   Lisfranc arthrodesis after malunited fracture healing. Unfallchirurg 102:918–923

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[Anatomical reconstruction of malunited metatarsals and adjacent joints].

Malunited fractures of the metatarsals seldom need correction because the adjacent joints proximally and distally are not axially loaded but they may ...
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