Fort- und Weiterbildung

Eine Einführung in Kausalitätsprinzipien in der biomedizinischen Forschung An Introduction to Causality Principles in Biomedical Research

A. Stang Universitätsklinikum Essen – Institut für Medizinische Informatik, Biometrie und Epidemiologie

VNR 2760512014144212437 Bibliografie DOI http://dx.doi.org/ 10.1055/s-0034-1387509 Das Gesundheitswesen 2014; 76: 874–884 © Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York ISSN 0941-3790 Korrespondenzadresse Prof. Dr. Andreas Stang Universitätsklinikum Essen Institut für Medizinische Informatik, Biometrie und Epidemiologie Hufelandstraße 55 45147 Essen [email protected]

Lernziele !

Verständnis und Kenntnisse über ▶ Nichtbeobachtbarkeit von Kausalität ▶ kontrafaktisches Denken ▶ Annäherungen der kontrafaktischen Erfahrung ▶ das Prinzip des „ceteris paribus“ ▶ das “sufficient component cause”-Modell ▶ probabilistische Kausalitätsmodelle ▶ Kausalität in der Sozialepidemiologie ▶ Abhängigkeit der Interpretation kausaler Effekte vom Komparator ▶ regelbasierte (kanonische) Verfahren zur Kausalität

Einleitung !

Ein wesentliches Charakteristikum von Wissenschaft ist das Streben nach Erkenntnis auf Grundlage von neu entdeckten Gesetzmäßigkeiten, die empirisch überprüfbar sind [1]. Zu den neu entdeckten Gesetzmäßigkeiten gehört die Entdeckung kausaler Zusammenhänge. In den meisten Ergebnispublikationen von empirischen Studien an Menschen, bei denen statistische Zusammenhänge zwischen einem Einflussfaktor und einem interessierenden Outcome beobachtet wurden, erheben die Autoren den Anspruch, dass sie (vermutlich) einen kausalen, d. h. einen Ursache-Wirkungs-Zusammenhang gefunden haben. Nur selten machen sich Autoren dafür stark, dass die von ihnen beobachteten Zusammenhänge nichtkausaler Natur sind, also artifiziell. Umso erstaunlicher ist es, wie wenig Konzepte zur Ursache und Wirkung mit den verfügbaren Kausalitätsmodellen verbunden sind [2]. Die Epidemiologie setzt sich im Vergleich zu anderen biomedizinischen Disziplinen relativ intensiv mit Kausalität auseinander. Das Ziel dieses Artikels ist es, grundlegende Kausalitätsprinzipien wie z. B. die Nichtbeobachtbarkeit von Kausalität, das kontrafaktische Denken, die Idee des „ceteris paribus“, das „sufficient component cause model“, probabilistische

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Kausalität, sozialepidemiologische Konzepte der Kausalität, die Relativität der Interpretation kausaler Effekte und regelbasierte Verfahren zur Kausalität in einer einfachen möglichst nicht technischen Weise einzuführen.

Nichtbeobachtbarkeit von Kausalität !

Verschiedene philosophische Strömungen führten im Zeitalter der Aufklärung zu einem Konflikt zwischen Denkschulen, der auch das kausale Denken beeinflusste. Der Rationalismus, zum Beispiel vertreten durch René Descartes (1596 – 1650), vertrat die Auffassung, dass die einzige Quelle der Erkenntnis die Vernunfterkenntnis ist. Demgegenüber vertrat der Empirismus, zum Beispiel vertreten durch John Locke (1632 – 1704), dass die einzige Quelle der Erkenntnis die sinnliche Erkenntnis ist. Mit David Hume (1711 – 1776) wurde der Skeptizismus populär. Hume glaubte, dass Kausalität weder durch sinnliche noch durch Vernunfterkenntnis zugänglich ist. Berühmt wurde Humes Abhandlung zu wiederholten Beobachtungen: aus der wiederholten Beobachtung, dass nach X das Ereignis Y auftritt, kann keine Kausalität zwischen X und Y logisch gefolgert werden. Für medizinisch gut verstandene Zusammenhänge ist diese Aussage sehr einleuchtend. Beispielsweise folgert man nicht aus einer wiederholt beobachtbaren zeitlichen Abfolge des Auftretens von zunächst Koplick’schen Flecken (X) und wenige Tage später eines feinfleckigen Hautexanthems (Y), dass die Koplick’schen Flecken die Ursache des Hautexanthems sind. Die Neigung, aus der regelmäßigen zeitlichen Abfolge von Ereignissen Kausalität ableiten zu wollen, wird als „post hoc ergo propter hoc“ (danach, also deswegen) Trugschluss bezeichnet. Andererseits kann logisch gefolgert werden, dass eine solche Folge auftritt, sofern X die Ursache von Y ist ([3], S. 115). Theoretisch hat die wiederholte Beobachtung der zeitlichen Abfolge von zunächst X und dann Y 4 Erklärungen:

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Aus der wiederholten Beobachtung von Sequenzen kann logisch keine Kausalität gefolgert werden.

Kontrafaktisches Denken bei einer medizinischen Intervention eines Individuums !

Das kontrafaktische Denken, welches historisch auf David Hume im Jahre 1748 zurückgeht, ist in allen Lebensbereichen anzutreffen. Das kontrafaktische Denken soll im Folgenden anhand eines fiktiven Patienten, der eine akute Lumbalgie er" Abb. 1). Er wurde gebelitt, illustriert werden (● ten, stündlich auf einer visuellen Analogskala einen Wert der Schmerzintensität zu dokumentieren. Ein Wert von 0 bedeutet Schmerzfreiheit und ein Wert von 100 bedeutet maximaler Schmerz. Zum Zeitpunkt 0 erfolgte eine manuelle Therapie. Nach 9 Stunden war der Patient schmerzfrei. Während der Verlauf des Schmerzes unter manueller Therapie beobachtet werden konnte (faktisch), blieb der Verlauf des Schmerzes bei Nichtanwendung der Therapie zur selben Zeit am selben Patienten zwangsläufig unbekannt. Theoretisch hätten unter Nichtanwendung der manuellen Therapie bei diesem Patienten mindestens die folgenden Verläufe beobachtet werden können: ▶ Fall A: selbst nach 14 Stunden hat der Patient noch Schmerzen, ▶ Fall B: der Schmerzverlauf ist identisch mit dem Schmerzverlauf unter stattgehabter (faktischer) Therapie, ▶ Fall C: die Schmerzfreiheit wäre bereits nach 7 Stunden eingetreten. Alle 3 Fälle sind konträr zu den Fakten (kontrafaktisch), da der Patient tatsächlich die manuelle Therapie erhielt. Hätten wir Kenntnis über den kontrafaktischen Ausgang, könnten wir für diesen Patienten logisch deduzieren, ob die Therapie wirksam war. Die kontrafaktischen Fälle A – C würden Wirksamkeit, Unwirksamkeit der Therapie bzw. Schaden aufgrund der Therapie bei die-

Schmerzskala 0 – 100 100 50 0 –2 –1

faktisch 0

1

2

3

4

5 6 7 Stunden

8

9

10

11

12

13

14

kontrafaktisch

100 50 0 –2 –1

Fall A: T wirksam 0

1

2

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100 50 0 –2 –1

Fall B: T unwirksam

100 50 0 –2 –1

Fall C: T schädigend

Abb. 1 Zeitlicher Verlauf der subjektiv wahrgenommenen Schmerzen, gemessen auf einer visuellen Analogskala (0 – 100), vor und nach einer manuellen Therapie (T) zum Zeitpunkt 0. Der erste Graph illustriert den Schmerzverlauf unter der erhaltenen manuellen Therapie (T). Die übrigen 3 Graphen (Fall A – C) illustrieren theoretisch denkbare Schmerzverläufe, wenn keine manuelle Therapie erfolgt wäre.

sem Patienten anzeigen. Aufgrund der Nichtbeobachtbarkeit des Schmerzverlaufs unter Nichtbehandlung bei diesem Patienten kann nicht entschieden werden, welchen Stellenwert die Therapie bei diesem Patienten hatte. Aus dem oben eingeführten kontrafaktischen Denken leitet sich die Definition einer Ursache ab. Ein Faktor X ist eine Ursache eines vorliegenden Y, wenn in Abwesenheit von X das Ereignis Y nicht aufgetreten wäre [7]. Im Falle des oben beschriebenen Lumbalgiepatienten würde die manuelle Therapie einen positiven Effekt (d. h. Benefit) haben, wenn der kontrafaktische Fall A wahr wäre.

Bei einem behandelten Patienten ist zur selben Zeit an selber Stelle nur eine Behandlung faktisch beobachtbar. Alle alternativen Behandlungen sind konträr zu den Fakten und führen zu einem erkenntnistheoretischen Problem.

Annäherung der kontrafaktischen Erfahrung über einen inhaltlich-wissenschaftlichen Ansatz !

Zeitgleicher Ansatz Der inhaltlich-wissenschaftlichen Ansatz versucht die kontrafaktische Erfahrung aufgrund von Studiendesign-Eigenschaften unter Verwendung der Homogenitätsannahme (syn. Invarianzannahme) zu ermitteln. Beispielsweise kann bei Patienten mit beidseitigem Glaukom, welches vergleichbar ausgeprägt ist, ein neues Medikament (neue Augentropfen N) lokal am linken Auge angewendet werden, während zeitgleich am rechten Auge die Standardtherapie (herStang A. Eine Einführung in … Das Gesundheitswesen 2014; 76: 874–884

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1. kausaler Mechanismus, 2. nichtkausaler Mechanismus: ein 3. Faktor hat einen Einfluss sowohl auf das Auftreten von X und Y (Confounding), 3. Zufall und 4. eine Mischung aus diesen Erklärungen [4]. Der Streit der Schulen (Rationalismus, Empirismus, Skeptizismus) wurde zum Teil von Immanuel Kant (1724 – 1804) gelöst, in dem er unter anderem 2 Dinge herleitete: a) dass Erkenntnis sowohl auf Vernunfterkenntnis als auch auf sinnlicher Erkenntnis beruht und b) dass Kausalität nicht allein mithilfe der Sinne (d. h. Beobachtung) gefolgert wird, sondern unter zusätzlicher Zuhilfenahme des Verstandeswesen ([5], S. 95 – 96, [6]).

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kömmliche Augentropfen S) angewendet werden. Die Applikation der Augentropfen N am linken Auge hat keinen Effekt auf das rechte Auge. Unter der Annahme, dass beide Augen identisch reagieren würden (Homogenitätsannahme), wenn beide Augen entweder N oder S erhalten hätten, kann der Effekt von N am linken Auge unter Nutzung der Erfahrung des Therapieerfolgs von S am rechten Auge zeitgleich gefolgert werden. Diese Deduktion ist nur valide, solange die o. g. Annahme erfüllt ist.

Longitudinaler Ansatz Auch ohne zeitgleiche Applikation kann die kontrafaktische Erfahrung oft sehr gut angenähert werden. Beispielsweise können Patienten mit regelmäßigen Migräneattacken bei einer Migräneattacke mit Medikament P behandelt werden. Wenn nach vollständigem Abklingen der Migräneattacke und des Medikamenteneffekts später eine neue Migräneattacke auftritt, wird das Medikament R gegeben (sogenannter „cross over“). Unter der Annahme, dass der Effekt einer Intervention über die Zeit konstant ist und unter der Annahme, dass der Effekt des Medikaments P nur transient war, lässt sich hierbei beim selben Patienten die kontrafaktische Erfahrung gut schätzen.

Bei lokalen Interventionen und bei Cross-overStudien kann bei ein und denselben Individuen die kontrafaktische Erfahrung unter bestimmten Annahmen valide abgeschätzt werden.

Annäherung der kontrafaktischen Erfahrung über einen statistischen Ansatz !

Donald Rubin entwickelte die Potential-Outcomes-Notation zur Herleitung des statistischen Ansatzes [8]: ▶ U ist eine Population von Individuen ▶ u ist ein Individuum von U ▶ t Behandlung mit t ▶ c Behandlung mit c ▶ Yt(u) Behandlungserfolg von Individuum u, der beobachtet werden könnte, wenn Individuum u mit t behandelt würde ▶ Yc(u) Behandlungserfolg von Individuum u, der beobachtet werden könnte, wenn Individuum u mit c behandelt würde ▶ Yt(ut) Behandlungserfolg von Individuum u, welches faktisch mit t behandelt wurde ▶ Yc(uc) Behandlungserfolg von Individuum u, welches faktisch mit c behandelt wurde ▶ E Erwartungswert einer Variablen, nach dem Gesetz der großen Zahlen konvergiert der beobachtete Wert bei wachsender Stichprobengröße zu dem Erwartungswert Demnach ist der wahre kausale Behandlungseffekt: Stang A. Eine Einführung in … Das Gesundheitswesen 2014; 76: 874–884

1.) Yt(u) – Yc(u). Dieser Effekt ist nicht beobachtbar, da zeitgleich dieselbe Person u gegenüber t und c exponiert werden müsste (s. o.). Der durchschnittliche Effekt (ACE: average causal effect) einer Behandlung in einer Population ist: 2.) ACE = E[Yt(u) – Yc(u)] = E[Yt(u)] – E[Yc(u)]. Auch dieser Effekt ist nicht beobachtbar, da nicht alle Individuen u aus U Behandlung t oder alle Individuen u aus U Behandlung c erhalten. Unter bestimmten Annahmen kann ACE über die faktisch behandelten Subgruppen aus U ermittelt werden: 3.) Geschätzter ACE = E[Yt(ut)] – E[Yc(uc)]. Das Ersetzen von E[Yt(u)] mit E[Yt(ut)] sowie E[Yc (u)] mit E[Yc(uc)] beim Übergang von 2.) nach 3.) führt nun zu einer Beobachtbarkeit von ACE anhand von faktisch behandelten Subgruppen und macht zugleich die zentrale Annahme dieses Ansatzes klar: die faktisch behandelten Individuen (Subgruppe aus U) mit z. B. t müssen valide die kontrafaktische Erfahrung widerspiegeln, wenn alle u aus U mit t behandelt worden wären und nicht nur die Subgruppe. In anderen Worten: wenn die faktisch gegenüber t exponierten Individuen, die zunächst nur die Schätzung von Yt(ut) erlauben, einen validen Schätzwert auch für den kontrafaktischen Effekt Yt(u) liefern, und wenn die faktisch gegenüber c exponierten Individuen, die zunächst nur die Schätzung von Yc(uc) erlauben, einen validen Schätzwert für den kontrafaktischen Effekt Yc(u) liefern, so ist der ACE valide schätzbar. Zur Erinnerung: während Yt(ut) anhand einer faktisch exponierten Subgruppe geschätzt wird, ist Yt(u) nicht anhand empirischer Daten ermittelbar, da Yt(u) den Effekt bezeichnet, der beobachtbar wäre, wenn alle Individuen u aus U gegenüber t exponiert wären (in Analogie gilt diese Aussage für Yc[uc] und Yc[u]). Der statistische Ansatz liefert unter Nutzung von Annahmen demnach zumindest eine Schätzung des durchschnittlichen kausalen Effekts in einer Population [9]. Sofern die Behandlung randomisiert zugewiesen wurde, ist im Durchschnitt bei großen Zahlen diese zentrale Annahme erfüllt, sofern nicht andere Mängel (z. B. mangelnde Adhärenz, Loss to Follow-up) bestehen [10, 11]. In nicht randomisierten Studien ist diese Bedingung nicht notwendigerweise global erfüllt, sondern nur in Subgruppen. Diese Subgruppen-Information kann für die Schätzung des durchschnittlichen kausalen Effekts genutzt werden (für Details siehe [12]). Welche Bedeutung hat nun ein durchschnittlicher kausaler Effekt? Für eine geplante Intervention auf Populationsebene ist dieser Effekt direkt nutzbar. Für die Entscheidung, ob man die Therapie c oder t einem individuellen Patienten verabreichen soll, ist dieser durchschnittliche kausale Effekt nur unter weiteren Annahmen nützlich: sofern der Effekt von t für jedes Individuum derselbe ist (d. h. konstant ist), lässt sich der geschätzte durchschnittliche kausale Effekt

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auf das Individuum anwenden. Die Annahme eines konstanten Effekts kann wenigstens ansatzweise geprüft werden, in dem innerhalb von Untergruppen mit spezifischen Eigenschaften (Altersgruppen, Geschlechtsgruppen etc.) der durchschnittliche Effekt geschätzt wird. Wenn diese Effekte vergleichbar sind, so erscheint die Annahme eines konstanten Effekts plausibel [9].

Ein interessantes Beispiel eines Substituts für eine kontrafaktische Beobachtung (hier: Kontrollperiode) wählten Wilbert-Lampen et al. Sie studierten während der Fußball-Weltmeisterschaft im Jahre 2006 in Deutschland, ob es an den Tagen der WM-Spiele, an denen die deutsche Nationalmannschaft mitspielte (9.6. – 9.7.2006), vermehrt zu kardialen Ereignissen in der Wohnbevölkerung von München und Umgebung kam. Die kontrafaktische Erfahrung, die mittels eines Substituts produziert werden musste, lautete: wie groß wären die Raten kardialer Ereignisse gewesen, wenn die Fußball-WM in 2006 nicht stattgefunden hätte? Hierzu zogen sie die Anzahl der Ereignisse aus den Kontrollperioden 1.5. – 31.7. der Jahre 2003 – 2005 sowie 1.5. – 8.6. und 10. – 31.7.2006 für die Wohnbevölkerung heran. Im Ergebnis wurde ein adjustiertes Inzidenzraten-Ratio von 2,66 (95 %Konfidenzintervall 2,33 – 3,04) beobachtet. Das bedeutet, dass unter der Annahme des ceteris paribus (siehe unten) die Rate kardialer Ereignisse an Tagen der Spiele der deutschen Nationalmannschaft um den Faktor 2,66 erhöht waren [13].

Kritiken am kontrafaktischen Denken !

Für die oben genannte Frage, ob manuelle Therapie bei akuter Lumbago einen Benefit hat, muss man sich bei dem statistischen Ansatz mit geschätzten durchschnittlichen kausalen Effekten, die aus einem 2-Gruppen-Vergleich (Lumbagopatienten mit manueller Therapie und Lumbagopatienten ohne jedwede Therapie, auch Substitutspopulation genannt) begnügen [2]. Das bedeutet, dass bei Betrachtung eines individuellen Patienten, bei dem bei manueller Therapie die Schmerzen nach 9 Stunden verschwunden sind, für diesen Patienten nicht sicher geschlossen werden kann, dass die manuelle Therapie einen Effekt hatte [14]. Ein solcher Schluss ist nur valide, wenn die Annahme eines konstanten Effekts erfüllt ist. Aus philosophischer Sicht stellt der kontrafaktische Kausalitätsansatz einen Bruch mit dem Posi-

Manuelle Therapie ja

nein

nein

faktisch

kontrafaktisch

faktisch

a1

a0

b0

A1

A0

B0

R1 =

a1 A1

R0* =

a0* A0*

R0 =

b0 B0

Abb. 2 Relative Häufigkeit eines Behandlungserfolgs in Abhängigkeit der Therapie. Manuelle Therapie „ja“ bedeutet Anwendung der manuellen Therapie; Therapie „nein“ bedeutet Anwendung keinerlei Therapie; R: relative Häufigkeit eines Behandlungserfolgs; R1: Anteil der Patienten, die faktisch unter manueller Therapie einen Behandlungserfolg erlebten; R0*: Anteil der tatsächlich behandelten Patienten, der unter Nichtbehandlung einen Behandlungserfolg erlebt hätte (konträr zu den Fakten); R0: faktischer Anteil von Patienten in einer Vergleichsgruppe, die unter faktischer Nichtbehandlung einen Behandlungserfolg erlebt haben; die kleinen Buchstaben a und b sind die Anzahl der Erfolge, die großen Buchstaben A und B sind die Anzahl der Personen der jeweiligen Behandlungsgruppe (Abb. modifiziert nach [15]).

tivismus dar, welcher fordert, dass Analysen nur beobachtbare Größen einschließen. Der kontrafaktische Kausalitätsansatz spiegelt ein post-positivistisches Modell der Wissenschaft (auch Realismus genannt) wider [6]. Kontrafaktische, d. h., nicht beobachtbare Erfahrung wird aus Substituten geschätzt. Aus pragmatischen Gründen wird die aus dem Substitut gewonnene Erfahrung als vorläufig gültig akzeptiert [11].

Es ist erkenntnistheoretisch unmöglich zu beweisen, dass eine Substitutsgruppe valide die kontrafaktische Erfahrung von Interesse widerspiegelt.

Das Prinzip des „ceteris paribus“ !

Für die Schätzung des durchschnittlichen kausalen Effekts einer manuellen Therapie bei akuter Lumbalgie werden 2 Gruppen miteinander verglichen: Patienten, die eine manuelle Therapie erhalten und Patienten, die keine manuelle Therapie erhalten. Zur Vereinfachung wird im Folgenden von einem Behandlungserfolg (dichotomes Merkmal: Erfolg ja/nein) gesprochen. Für die Schätzung des kausalen Effektes der manuellen Therapie würde man den Behandlungserfolg durch Vergleich der relativen Erfolgshäufigkeiten R1 und R0* heranziehen. R0* ist konträr zu den Fakten: es ist die relative Erfolgshäufigkeit der tatsächlich mit manueller Therapie behandelten Patienten, wenn diese nicht behandelt worden wären. Die Substitutspopulation R0 hat nun die Auf" Abb. 2). gabe, R0* valide zu schätzen (●

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Der durchschnittliche kausale Effekt einer Exposition oder Intervention kann mithilfe von Subgruppen einer Population geschätzt werden, wenn die Subgruppen die kontrafaktische Erfahrung widerspiegeln, die die gesamte Gruppe bei der jeweiligen Exposition bzw. Therapie gezeigt hätte.

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SCC1

SCC2

SCC1

SCC2

SCC3

U

U

U

U

U

A

B

C

D

B

Erkrankung V Abb. 3

E

B

F

B

G

Erkrankung W

Sufficient-component-cause-Modelle.

Die Vergleichsgruppe (Substitutspopulation) lässt sich theoretisch definieren: sie ist hinsichtlich aller relevanten prognostischen Faktoren mit der faktisch behandelten Patientengruppe identisch. Der einzige Unterschied liegt in der Nichtbehandlung (ceteris paribus; alles Übrige gleich). Die Vergleichsgruppe soll also beantworten: was wäre die relative Erfolgshäufigkeit bei den tatsächlich behandelten Patienten gewesen, wenn diese nicht behandelt worden wären. Sobald ceteris paribus nicht erfüllt ist, kann der kausale Effekt nicht mehr valide geschätzt werden [15]. Die zufällige Therapiezuweisung im Rahmen von randomisierten, kontrollierten Studien (RCTs) stellt in diesem Zusammenhang eine besonders attraktive Maßnahme im Streben nach ceteris paribus dar. Die zufällig ausgewählte Kontrollgruppe von Patienten mit akuter Lumbalgie, die keine manuelle Therapie erhalten soll, wird erwartungsgemäß im Durchschnitt bei großen Zahlen hinsichtlich aller bekannten als auch bis heute unbekannten prognostisch relevanten Faktoren eine gleiche Verteilung wie die mit manueller Therapie behandelte Gruppe aufweisen [16]. Randomisation führt zu einer statistischen Unverzerrtheit der Schätzung des durchschnittlichen Effekts. Weiterhin ist bei Randomisation die Wahrscheinlichkeitsverteilung für die möglichen Ergebnisse unter einer spezifischen Hypothese, z. B. der Nullhypothese, bezüglich des Behandlungseffekts bekannt und ermöglicht somit die valide Schätzung von Effektmaßen und deren Standardfehlern. Die Randomisation stellt die entscheidende Verbindung zwischen Inferenzstatistik und kausaler Effektschätzung her [17]. In der experimentellen Laborforschung lassen sich oft aufgrund der Bedingungen des Experiments Ceteris-paribus-Zustände auch ohne Randomisation herstellen, indem alle Faktoren außer der interessierenden Einflussgröße, die beispielsweise auf Zellkulturen einwirken, im aktiven Studienarm wie im Kontrollarm des Experiments konstant gehalten werden. Unterschiede im Zellwachstum zwischen den beiden Gruppen sind dann nur noch auf den Unterschied der interessierenden Einflussgröße oder den Zufall zurückführbar.

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Unter ceteris paribus („alles Übrige gleich“) ist anzunehmen, dass die Substitutspopulation die kontrafaktische Erfahrung von Interesse widerspiegelt.

Sufficient component cause model (SCC-Modell) !

Das SCC-Modell ist ein Kausalitätsmodell, das vor allem ein Verständnis von kausalen Mechanismen verschafft. John Mackie hat dieses Modell in der Philosophie im Jahre 1965 unter dem Namen „INUS Bedingung“ (engl. „insufficient, but non-redundant part of an unnecessary but sufficient cause“) populär gemacht [18], während Kenneth Rothman dieses Modell in der Epidemiologie im Jahre 1976 populär machte [19]. Das SCC-Modell illustriert, dass ein Faktor (kausale Komponente) eine Ursache einer Erkrankung sein kann, ohne notwendig noch hinreichend zu sein. Das Modell geht davon aus, dass die meisten kausalen Mechanismen mehr als eine kausale Komponente enthalten, auch wenn es Monokausalität nicht ausschließt. Erst das Zusammenwirken (Interagieren) dieser kausalen Komponenten führt zu einer hinreichenden Ursache (einem kausalen Mechanismus). Zur Illustration von SCC-Modellen werden typischerweise Torten und Tortenstücke gewählt. Da in den allermeisten Fällen nicht alle kausalen Komponenten eines kausalen Mechanismus bekannt sind, führt man die Komponente U (Summe aller unbekannten Komponenten) ein. " Abb. 3 illustriert für 2 Erkrankungen die Prinzi● pien des SCC-Modells. Bei Erkrankung V gibt es nur 2 kausale Mechanismen (SCC1 und SCC2), die die Erkrankung auslösen. Komponente A ist weder notwendig noch hinreichend für die Auslösung der Erkrankung V. Warum? A ist nicht notwendig für die Auslösung der Erkrankung V, da es einen Mechanismus (SCC2) gibt, der A nicht enthält. A ist auch nicht hinreichend für die Auslösung von V, da im Mechanismus SCC1 weitere kausale Komponenten vorliegen müssen, bis es zur Auslösung von V kommt. Komponente A ist hingegen eine notwendige Komponente im Mechanismus SCC1. Ohne A wird der Mechanismus SCC1 nicht komplettiert. Bei Erkrankung W gibt es 3 kausale Mechanismen (SCC1 – SCC3). Die kausale Komponente B stellt für die Auslösung der Erkrankung W eine notwendige Bedingung dar, weil alle 3 kausale Mechanismen B enthalten. Beispielsweise hat die WHO die HPV-Infektion als notwendige Ursache des Zervixkarzinoms deklariert, was bedeutet, dass bei allen kausalen Mechanismen, die zu einem Zervixkarzinom führen, die HPV-Infektion als kausale Komponente auftaucht. Deterministische SCC-Modelle können probabilistisch erweitert werden, indem zufällige Effekte (z. B. Spontanmutationen) als kausale Komponenten in

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SCC-Modelle aufgenommen werden oder indem das Outcome bei Vorliegen eines kausalen Mechanismus probabilistischer (z. B. ein Wahrscheinlichkeitsparameter) und nicht deterministischer Natur ist ([20], [21], S. 17).

Das SCC-Modell fördert vor allem das mechanistische Verständnis von Kausalität und klärt die Begriffe der notwendigen und hinreichenden Bedingung bei multikausalen Ätiologien.

Probabilistische Theorie der Kausalität

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tremfall eines probabilistischen Modells darstellen, bei dem vorhergesagte Wahrscheinlichkeiten nur 0 oder 1 betragen können [31]. Eine hinreichende Ursache erhöht die Wahrscheinlichkeit des Auftretens des Effekts auf einen Wert von 1, während eine notwendige Ursache die Wahrscheinlichkeit des Auftretens des Effekts von Null anhebt [23].

Probabilistische Kausalität wird als statistische Relevanz definiert, bei der ein kausaler Faktor die Wahrscheinlichkeit für das Auftreten eines Ereignisses verändert.

!

Kausalität in der Sozialepidemiologie !

Individuelle Risikofaktoren wie z. B. ungünstige Lebensstilfaktoren (zu hoher Alkoholkonsum, Tabakkonsum, Bewegungsarmut) und biologische Faktoren (arterielle Hypertonie, Dyslipidämie etc.) werden in der empirischen Sozialforschung und in der Sozialepidemiologie nicht als isolierte Risikofaktoren verstanden. Vielmehr sind verschiedene Ebenen für die Entstehung und das Fortbestehen von Risikofaktoren als Erklärung für das Auftreten von Erkrankungen anzuführen. Gesundheit bzw. Krankheit werden von a) sozioökonomischen Rahmenbedingungen, b) Gesundheitssystem- und Sozialsystemfaktoren, c) sozialen Normen und Lebensweisen sowie d) individuellen Faktoren wie Alter, Geschlecht, genetische Ausstattung und Lebensphasen bestimmt [32]. Diese Sichtweise führt zu einer Erweiterung von kausalen Modellen, in dem neben individuellen sozialen Faktoren (z. B. Ethnizität, Bildung, Haushaltseinkommen) auch soziale Faktoren gehören, die nicht anhand des Individuums, sondern anhand ganzer Populationen aggregiert definiert werden (z. B. Anteil von Arbeitslosen in Stadtteilen). Es war vor allem Mervyn Susser, der 1973 in seinem Lehrbuch diese Konzepterweiterung eingeführt hat [33]. Aggregierte soziale Faktoren können als Komponenten von kausalen Mechanismen, als kausale Vorläufer (engl. „antecedents“) von individuellen Risikofaktoren oder als Confounder der Assoziation zwischen individuellen Faktoren und interessierenden Outcomes eine Rolle spielen. Mit diesem erweiterten Verständnis von Kausalität wurden Mehrebenen (engl. Multilevel) Regressionsmodelle, die sowohl individuelle als auch aggregierte Faktoren (Cluster-Variablen) berücksichtigen können, entwickelt [34].

Neben individuellen sozialen Faktoren stellen aggregierte soziale Faktoren bei vielen Erkrankungen Komponenten kausaler Mechanismen dar. Diese

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Die Einschätzung, dass kausale Aussagen in der Medizin meistens probabilistisch und nicht deterministisch (oder universal) sind, kann in der Literatur mindestens bis 1871 zurückverfolgt werden [22]. Deterministische Kausalität erfordert, dass dieselbe Ursache grundsätzlich zur selben Wirkung führt und keinen Raum für Zufall bzw. stochastische Effekte lässt [23]. Wissenschaftler haben schon lange eingewendet, dass biologische Prozesse, z. B. Spontanmutationen, sich nicht deterministisch verhalten [24, 25]. Ronald Fisher sah den Determinismus nur als einen Spezialfall einer Kausalitätstheorie an [24]. Die Beobachtung, dass nicht jeder Zigarettenraucher ein Bronchialkarzinom erleidet, kommentierte Jerome Cornfield in 1959: „Die lange und komplizierte Kette zwischen Exposition gegenüber einer Noxe und der Entwicklung einer Erkrankung führt zwangsläufig zu einer probabilistischen anstatt einer deterministischen Betrachtung“ [26]. Die erste voll entwickelte probabilistische Theorie zur Kausalität wurde von Hans Reichenbach im Jahre 1956 publiziert [27]. Probabilistische Kausalität wird als statistische Relevanz definiert: ein Faktor X ist ein kausaler Faktor für das Outcome Y, wenn der Faktor X dem Outcome Y vorausgeht und der Faktor X die Wahrscheinlichkeit des Auftretens von Y erhöht oder erniedrigt, gegeben ceteris paribus [28]. Dieser Sachverhalt kann auch in Form von bedingten Wahrscheinlichkeiten formalisiert werden: der vorausgehende Faktor X ist eine Ursache von Outcome Y, wenn gilt: P(Y|X = 1) ≠ P(Y|X = 0), gegeben ceteris paribus. Die kontrafaktische Theorie der Kausalität (s. o.) wurde probabilistisch von David Lewis erweitert [29]. Ein Outcome Y ist kausal von Faktor X abhängig, wenn X und Y aufgetreten sind und die Wahrscheinlichkeit, dass Y auftreten würde, höher (oder niedriger) wäre, als sie gewesen wäre, wenn X nicht aufgetreten wäre [30]. Probabilistische Kausalitätsmodelle erlauben eine größere Spanne möglicher Effekte, da sich Wahrscheinlichkeit auf einem Kontinuum zwischen 0 und 1 bewegt [23]. In seiner kontrafaktischen Definition einer Ursache erklärt Nancy Cartwright, dass deterministische Kausalitätsmodelle quasi einen Ex-

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Faktoren können auch die Rolle von Vorläufern individueller kausaler Komponenten und von Confoundern einnehmen.

Abhängigkeit der Interpretation kausaler Effekte vom Komparator !

Die Interpretation eines kausalen Effekts ist unter anderem von der Wahl der Vergleichsintervention (Komparator) abhängig. Der Vergleich der manuellen Therapie mit Nichttherapie stellt lediglich eine von vielen Alternativen dar. Man könnte die manuelle Therapie auch mit einer etablierten wirksamen oralen oder intravenösen medikamentösen Schmerztherapie vergleichen. Aus diesem Grunde ist es nicht interpretierbar, wenn jemand sagt, dass die manuelle Therapie ein Number needed to treat (NNT) von z. B. 8 innerhalb der ersten 12 Stunden hat [35]. Erst das explizite Nennen des Komparators (z. B. im Vergleich zu Nichttherapie oder per orale [p. o.] Schmerztherapie) ermöglicht eine Interpretation dieser Angabe [36]. Eindrucksvoll war in dieser Hinsicht eine Evaluation von Akupunktur bei Migräne. Linde et al. verglichen im Rahmen einer randomisierten kontrollierten Studie den Effekt von aktiver Akupunktur mit einer scheinbaren Akupunktur (auch Sham-Akupunktur genannt) und mit einem randomisierten Kollektiv von Patienten, die auf die Akupunktur warten mussten (Warteliste). Beispielsweise berichteten bei dem sekundären dichotomen Endpunkt „Symptomreduktion an mindestens 50 % der Tage mit moderatem oder schweren Kopfschmerz“ 51 %, 53 % und 15 % der Patienten der aktiven Akupunktur, Sham-Akupunktur und Wartelisten-Gruppe einen Erfolg. Unterstellt man ceteris paribus und vergleicht aktive Akupunktur mit Sham-Akupunktur, zeigt sich praktisch kein Unterschied im Erfolg (kein kausaler Zusammenhang). Wählt man Patienten der Warteliste als Substitut, zeigen sich deutliche Unterschiede im Erfolg (kausaler Zusammenhang) [37]. Zu beachten ist dabei, dass je nach Wahl der Vergleichsgruppe (sogenannter Komparator) offensichtlich unterschiedliche Fragestellungen beantwortet werden.

Die Interpretation kausaler Effekte ist unter anderem von der Wahl der Vergleichsintervention (Komparator) abhängig.

Regelbasierte (kanonische) Verfahren zur Kausalität !

Die beiden bekanntesten regelbasierten Verfahren zur Kausalität in der Medizin sind die HenleKoch-Postulate (1890) [38] und die Bradford-HillStang A. Eine Einführung in … Das Gesundheitswesen 2014; 76: 874–884

Gesichtspunkte (1965) [39], die später von anderen Autoren als Bradford-Hill-„Kriterien“ bezeichnet wurden. Weniger bekannt in der Medizin sind John Stuart Mill’s Regeln zu Ursachen und Wirkungen ((1882) [40], S. 543, [41]). Allen diesen Ansätzen ist gemeinsam, dass sie keine formale Definition von Ursache und Effekt liefern und kaum Anknüpfpunkte zu deduktiven und mathematischen Kausalitätsansätzen bieten [42], was im Folgenden erläutert wird. Jakob Henle und Robert Koch formulierten Postulate, die erfüllt sein müssen, damit ein Erreger als Ursache einer Erkrankung eingestuft werden kann: 1. optischer Erregernachweis bei Erkrankten, fehlender Nachweis bei Gesunden, 2. Anzüchtbarkeit des Erregers in der unbelebten Kultur und 3. experimentell erzeugbare Krankheit beim Versuchstier [38]. Die Anwendung der Postulate ist aus vielerlei Gründen problematisch: die Definition einer Kausalität hängt von der Sensitivität der Nachweismethoden von Erregern ab; Erreger, die mehr als eine Erkrankung auslösen (z. B. HPV-Viren und Zervixkarzinome bzw. Hautwarzen) widersprechen dem 1. Postulat. Gerade bei neuen Erregern ist unklar, ob sie überhaupt kultivierbar sind und ob es ein geeignetes Tiermodell gibt. Beispielsweise gibt es kein geeignetes Tiermodell für die Gonorrhoe. Weiterhin fehlen verschiedene aus heutiger Sicht wichtige Faktoren wie z. B. immunologische Konzepte der Kausalität, Rückgang der Erkrankung bei Elimination des Erregers sowie das Konzept zu latenten Erregern (z. B. Varizella zoster). Offensichtlich die größte Beschränkung der Henle-Koch-Postulate liegt in ihrer Anwendbarkeit ausschließlich auf Infektionskrankheiten [43]. In seiner epochalen Publikation des Jahres 1965 sprach Bradford Hill nicht von Kriterien. Er verwendete Begriffe wie „perspectives“, „viewpoints“ und „considerations“ (hier übersetzt als Gesichtspunkte) und machte mit Ausnahme eines Punktes für die verbleibenden 8 Punkte klar, dass sie im Falle einer bestehenden Kausalität nicht notwendigerweise erfüllt sein müssen [39]. Zu den 9 Punkten zählen: ▶ Stärke des statistischen Zusammenhangs, ▶ Konsistenz (wiederholte Beobachtung unter verschiedenen Umständen durch verschiedene Untersucher), ▶ Spezifität (der Ursache-Wirkungs-Zusammenhang ist auf bestimmte Populationen oder Outcomes beschränkt), ▶ Temporalität (die Ursache trat vor der Wirkung auf), ▶ biologischer Gradient (es besteht ein DosisWirkungs-Zusammenhang), ▶ biologische Plausibilität, ▶ Kohärenz (wenig Konflikt mit bisherigem Substanzwissen),

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Fort- und Weiterbildung

Mit Ausnahme des Punktes „Temporalität“, d. h. die Ursache muss zeitlich vor der Wirkung auftreten, ist keiner der übrigen 8 Punkte bei einer bestehenden Kausalität notwendig. Ohnehin ist das Vorliegen aller 9 Gesichtspunkte keine hinreichende Bedingung für eine Kausalität. Verschiedene Punkte in der Anwendung der BradfordHill-Gesichtspunkte bleiben außerdem offen: 1. wie viele Gesichtspunkte müssen erfüllt sein? 2. Zählt ein Gesichtspunkt mehr als ein anderer? Die aufgezeigten Schwierigkeiten in der Anwendung von regelbasierten Verfahren zeigen, dass eine einfache, direkte Einstufung von möglicherweise kausalen Zusammenhängen anhand von Checklisten oder Kriterien kaum gegeben ist, da diese Verfahren angreifbare Heuristiken nutzen. Unter Heuristiken versteht man Verfahren, die nicht direkte, formalisierbare Schlüsse erlauben und damit fehleranfällig sind. Greenland resümierte kürzlich, dass trotz der oben dargelegten Kritiken Hills Gesichtspunkte inklusive der Erweiterungen von Mervyn Susser (insbesondere der Prädiktion von noch nicht aufgetretenen Ereignissen, [44]) für einen informellen kausalen Schluss hilfreich sind, solange die Gesichtspunkte nicht als Dogmen oder Kriterien verstanden werden [45].

Regelbasierte (kanonische) Verfahren zur Kausalität erlauben nur einen informellen kausalen Schluss und sollten nicht dogmatisch angewendet werden.

Kausale Schlüsse unter Vorbehalt !

Es ist wissenschaftlich naiv zu glauben, dass die Einschätzung zur Kausalität eines Zusammenhangs auf Grundlage einer einzigen Studie erfolgt („stand-alone“-Interpretation). In Praxis erfolgt diese Einschätzung unter Hinzuziehung der übrigen Evidenz aus der eigenen Disziplin wie auch aus weiteren Disziplinen [46]. Selbst wenn man alle übrige Evidenz hinzuzieht, lässt sich oft nicht mit letzter Sicherheit die Frage beantworten, ob ein kausaler Zusammenhang besteht oder nicht. Daher ist es eher eine Frage, wie viel für oder gegen einen kausalen Zusammenhang spricht. Die aufgezeigten Schwierigkeiten zeigen, dass Überlegungen und Gedanken zur Kausalität (Noumenon: Verstandeswesen) oft nur vorläufigen Charakter haben können und mit dem Aufkommen neuer empirischer Evidenz die Einschätzung zur Kausalität überdacht werden muss [47]. Als weiterführende Lektüre zur Kausalität aus erkenntnistheoretischer Sicht bieten sich einige weitere Bücher an [1, 6, 48 – 50]. Wissenschaft ist dauerhaft „revision in progress“ [51].

Kernaussagen 1. Aus der wiederholten Beobachtung von Sequenzen kann logisch keine Kausalität gefolgert werden. 2. Bei einem behandelten Patienten ist zur selben Zeit an selber Stelle nur eine Behandlung faktisch beobachtbar. Alle alternativen Behandlungen sind konträr zu den Fakten und führen zu einem erkenntnistheoretischen Dilemma. 3. Die meisten gängigen Kausalitätsansätze enthalten Elemente des kontrafaktischen Denkens. 4. Unter ceteris paribus („alles übrige gleich“) ist anzunehmen, dass die Substitutspopulation die kontrafaktische Erfahrung von Interesse widerspiegelt. 5. Das „sufficient component cause model“ fördert das mechanistische Verständnis von Kausalität und klärt Begriffe der notwendigen und hinreichenden Bedingung bei multikausalen Ätiologien. 6. Probabilistische Kausalität wird als statistische Relevanz definiert, bei der ein kausaler Faktor die Wahrscheinlichkeit für das Auftreten eines Ereignisses verändert. 7. Neben individuellen sozialen Faktoren stellen aggregierte soziale Faktoren bei vielen Erkrankungen Komponenten kausaler Mechanismen dar. Diese Faktoren können auch die Rolle von Vorläufern individueller kausaler Komponenten und von Confoundern einnehmen. 8. Die Interpretation eines kausalen Effekts ist unter anderem von der Wahl der Vergleichsintervention (Komparator) abhängig. 9. Regelbasierte Verfahren zur Kausalität (Henle-Koch-Postulate, Bradford-HillGesichtspunkte) erlauben nur einen informellen kausalen Schluss und sollten nicht dogmatisch angewendet werden.

Interessenkonflikt: Der Autor gibt an, dass kein Interessenkonflikt besteht.

Literatur 1 Goldstein M, Goldstein IF. How do we know. An exploration of the scientific progress. New York: Da Capo Press Inc; 1978: 1 – 357 2 Greenland S. Causation and causal inference. In: Lovric Med. International Encyclopedia of Statistical Sciences. Berlin: Springer; 2011: 216 – 219 3 Hume D. An enquiry concerning human understanding. LaSalle: Open Court Press; 1748 4 Stang A. [Causality and confounding in epidemiology]. Gesundheitswesen 2011; 73: 884 – 887 5 Baumgartner HM. Kant's „Kritik der reinen Vernunft“. 3. Auflage. Freiburg: Karl Albert; 1991 6 Godfrey-Smith P. Theory and reality: an introduction to the philosophy of science. Chicago: University of Chicago Press; 2003: 1 – 272

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▶ experimentelle Evidenz und ▶ Analogie.

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Fort- und Weiterbildung 7 Lewis D. Causal explanation. Phil Papers 1986; 2: 214 – 240 8 Rubin DB. Estimating causal effect of treatments in randomited and nonrandomized studies. J Educ Psychol 1974; 66: 688 – 701 9 Holland PW. Statistics and causal inference. J Am Stat Assoc 1986; 81: 945 – 960 10 Dawid AP. Causal inference without counterfactuals. J Am Stat Assoc 2000; 95: 407 – 424 11 Morgan SL, Winship C. Objections to features of the counterfactual model. In: Counterfactuals and causal inference. Methods and principles for social research. Cambridge: Cambridge University Press; 2007: 278 – 285 12 Rosenbaum PR, Rubin DB. The central role of the propensity score in observational studies for causal effects. Biometrika 1983; 70: 41 – 55 13 Wilbert-Lampen U, Leistner D, Greven S et al. Cardiovascular events during World Cup soccer. N Engl J Med 2008; 358: 475 – 483 14 Tam CC, Lopman BA. Determinism versus stochasticism: in support of long coffee breaks. J Epidemiol Community Health 2003; 57: 477 – 478 15 Maldonado G, Greenland S. Estimating causal effects. Int J Epidemiol 2002; 31: 422 – 429 16 Stang A. Randomized controlled trials – an indispensible part of clinical research. Dtsch Arztebl Int 2011; 108: 661 – 662 17 Greenland S. Randomization, statistics, and causal inference. Epidemiology 1990; 1: 421 – 429 18 Mackie JL. Causes and conditions. Am Phil Quart 1965; 2: 245 – 264 19 Rothman KJ. Causes. Am J Epidemiol 1976; 104: 587 – 592 20 Greenland S, Brumback B. An overview of relations among causal modelling methods. Int J Epidemiol 2002; 31: 1030 – 1037 21 Rothman KJ, Greenland S, Lash TL. Modern Epidemiology. 3. Philadelphia: Lippincott Williams & Wilkins; 2008: 1 – 758 22 Fagot-Largeault A. Les causes de la mort-histoire naturelle et facteurs de risque. Paris: Vrin; 1989: 1 – 428 23 Parascandola M, Weed DL. Causation in epidemiology. J Epidemiol Community Health 2001; 55: 905 – 912 24 Fisher RA. Indeterminism and natural selection. Philosophy of Science 1934; 134: 1501 – 1506 25 Mayr E. Cause and effect in biology. Science 1961; 134: 1501 – 1506 26 Cornfield J. Principles of research. Am J Ment Defic 1959; 64: 240 – 252 27 Reichenbach H. The direction of time. Berkeley, Los Angeles: University of California Press; 1956 28 Karhausen LR. The logic of causation in epidemiology. Scand J Soc Med 1996; 24: 8 – 13 29 Probabilistic causation. Stanford Encyclopedia of Philosophy. 2010: Im Internet: http://plato.stanford.edu/entries/causation-probabilistic/ (zugegriffen am 24.7. 2014) 30 Lewis D. Postscripts to “causation”. In: Philosophical Papers, Volume II. Oxford: Oxford University Press; 1986: 173 – 213 31 Cartwright N. Nature’s capacities and their measurement. Oxford: Clarendon Press; 1989

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32 Brennecke R. Lehrbuch Sozialmedizin. Bern: Hans Huber; 2004 33 Susser M. Causal thinking in the health sciences: concepts and strategies of epidemiology. New York: Oxford University Press; 1973 34 Kaufman JS. Social epidemiology. In: Rothman KJ, Greenland S, Lash TL, eds. Modern Epidemiology. Philadelphia: Lippincott Williams & Wilkins; 2008: 532 – 548 35 Greenland S. Epidemiologic measures and policy formulation: lessons from potential outcomes. Emerg Themes Epidemiol 2005; 2: 5 36 Stang A, Poole C, Bender R. Common problems related to the use of number needed to treat. J Clin Epidemiol 2010; 63: 820 – 825 37 Linde K, Streng A, Jurgens S et al. Acupuncture for patients with migraine: a randomized controlled trial. JAMA 2005; 293: 2118 – 2125 38 Koch R. Über bacteriologische Forschung. Dtsch Med Wochenschr 1890; 16: 756 39 Hill AB. The environment and disease: association or causation? Proc R Soc Med 1965; 58: 295 – 300 40 Mill JA. System of logic, ratiocinative and inductive. Being a connected view of the principles of evidence and the methods of scientific investigation. New York: Harper and Brothers; 1882 41 Morabia A. Hume, Mill, Hill, and the sui generis epidemiologic approach to causal inference. Am J Epidemiol 2013; 178: 1526 – 1532 42 Greenland S. An overview of methods for causal inference from observational studies. In: Gelman A, Meng XL, eds. Applied Bayesian modeling and causal inference from incomplete-data perspectives. An essential journey with Donald Rubin's statistical family. Chichester: John Wiley; 2005: 1 – 13 43 Evans AS. Causation and disease. A chronological journey. New York: Plenum Medical Book Company; 1993: 1 – 238 44 Susser M. What is a cause and how do we know one? A grammar for pragmatic epidemiology Am J Epidemiol 1991; 133: 635 – 648 45 Greenland S. Causal inference as a prediction problem: assumptions, identification, and evidence synthesis. In: Berzuini C, Dawid AP, Bernardinelli L, eds. Causal inference: statistical perspectives and applications. New York: Wiley; 2012: 43 – 58 46 Blair A, Saracci R, Vineis P et al. Epidemiology, public health, and the rhetoric of false positives. Environ Health Perspect 2009; 117: 1809 – 1813 47 Vineis P. Viewpoint: the skeptical epidemiologist. Int J Epidemiol 2009; 38: 675 – 677 48 Ziman J. Reliable knowledge. An exploration of the grounds for belief in science. Cambridge: Cambridge University Press; 1978: 1 – 197 49 Baumgartner M, Graßhoff G. Kausalität und kausales Schliessen. Eine Einführung mit interaktiven Übungen. Bern: Universität Bern; 2004: 1 – 324 50 Pearl J. Causality. Models, reasoning, and inference. 2nd edition. Cambridge: Cambridge University Press; 2009: 1 – 464 51 Firestein S. Ignorance. How it drives science. New York: Oxford University Press; 2012: 1 – 195

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CME-Fragen Eine Einführung in Kausalitätsprinzipien in der biomedizinischen Forschung

A B C D E

haben: 1. X verursacht Y. 2. Ein Confounder hat einen Einfluss sowohl auf das Auftreten von X als auch von Y. 3. Zufall nur 1 ist korrekt nur 2 ist korrekt nur 3 ist korrekt 1 und 2 sind korrekt 1, 2 und 3 sind korrekt

Die Substitutspopulation (Therapiegruppe, die Therapie B 2 erhielt) im kontrafaktischen Kausalitätsansatz bei dem █

A B C D E

Die Bradford-Hill-Gesichtspunkte haben folgende Nach4 teile: █

Vergleich mit der Therapiegruppe, die mit Therapie A (neue Therapie von Interesse) behandelt wurde, soll folgendes abschätzen: den Erfolg der Therapie B in der Therapiegruppe, die faktisch Therapie A erhalten hat. den Erfolg der Therapie B in der Therapiegruppe, die faktisch Therapie B erhalten hat. den Erfolg der Therapie A in der Therapiegruppe, die auch faktisch die Therapie A erhalten hat. den Erfolg der Therapie A in der Therapiegruppe, die faktisch Therapie B erhalten hat. Keine der Antworten ist korrekt.

A B C D E

Welche Studiendesigns erlauben in besonderer Weise eine 5 Annäherung an kontrafaktische Erfahrungen? █

Welche Aussagen zum Sufficient-Component-Cause3 Modell (SCC-Modell) treffen zu? █

A B C D E

1. Eine kausale Komponente eines kausalen Mechanismus ist immer eine notwendige Komponente dieses Mechanismus. 2. Eine kausale Komponente eines kausalen Mechanismus ist eine hinreichende Komponente, wenn es nach Vorliegen dieser Komponente zur Krankheitsauslösung kommt. 3. Ein Risikofaktor, der nur bei einem von 3 Krankheitsmechanismen für Erkrankung Z eine kausale Komponente ist, ist kein notwendiger Faktor für die Auslösung der Erkrankung Z. 4. Ein Risikofaktor, der für eine Erkrankung W notwendig ist, ist immer auch ein hinreichender Faktor. 5. Ein Risikofaktor, der für eine Erkrankung W hinreichend ist, ist immer auch ein notwendiger Faktor. 1 und 3 sind korrekt 1, 2 und 3 sind korrekt 1, 2, 3 und 4 sind korrekt 1, 2, 3 und 5 sind korrekt keine der Antworten ist korrekt

1. Sie enthalten keine formale Definition von Ursache und Effekt. 2. Sie bieten kaum Anknüpfpunkte zu deduktiven und mathematischen Kausalitätsansätzen. 3. Nur der Gesichtspunkt „Temporalität“ folgt den Prinzipien der deduktiven Logik. 4. Es ist klar, wie viele Gesichtspunkte erfüllt sein müssen, damit ein kausaler Schluss gezogen werden kann. 5. Es ist unklar, ob die einzelnen Gesichtspunkte unterschiedlich stark im Kontext eines kausalen Schlusses ins Gewicht fallen. nur 1 ist korrekt 1 und 2 sind korrekt 1, 2 und 3 sind korrekt 1 – 3 und 5 sind korrekt keine Aussage ist korrekt

A B C D E

1. randomisierte kontrollierte Studie 2. klinische Beobachtungsstudien 3. Cross-over-Studien unter der Annahme, dass der Effekt der Therapie nur transient und der Effekt einer Intervention über die Zeit konstant ist 4. zeitgleiche Behandlung von mehreren Körperstellen mit verschiedenen Therapien an denselben Patienten unter der Annahme, dass der Therapieeffekt lokal beschränkt bleibt und der Effekt der Intervention unabhängig von den Körperstellen ist nur 1 ist korrekt 1 und 2 sind korrekt 1, 3 und 4 sind korrekt 1 und 3 sind korrekt 1 – 4 sind korrekt

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Die wiederholte Beobachtung der zeitlichen Abfolge von 1 zunächst X und dann Y kann die folgenden Erklärungen █

Fort- und Weiterbildung

Welche Aussagen zum durchschnittlichen kausalen Effekt 6 (ACE) der Therapie A gegenüber Therapie B treffen zu? █

A B C D E

1. ACE kann valide geschätzt werden, wenn die faktisch exponierten Subgruppen gegenüber Therapie A und B valide widerspiegeln, wie die gesamte Gruppe unter Therapie A bzw. B reagiert hätte. 2. Ein valide geschätzter ACE ist für eine geplante Intervention auf Populationsebene direkt nutzbar. 3. Ein valide geschätzter ACE ist für einen individuellen Patienten nur dann nutzbar, wenn man unterstellt, dass der Effekt für alle Patienten gleich ist. 4. Die Annahme eines konstanten Effekts in Individuen kann wenigstens ansatzweise mit Hilfe von Effektschätzungen in Subgruppen überprüft werden. alle sind inkorrekt alle sind korrekt nur 2 ist korrekt 2 und 3 sind korrekt 2, 3 und 4 sind korrekt

Welcher der folgenden Aussagen zum Prinzip des ceteris 7 paribus sind korrekt? █

A B C D E

1. Die zu vergleichenden Individuen stimmen mit Ausnahme der Intervention bzw. der Exposition von Interesse in allen übrigen Merkmalen überein. 2. Bei Beobachtungsstudien kann es nicht sein, dass ceteris paribus vorliegt. 3. Das Vorliegen von ceteris paribus kann nicht bewiesen werden. 4. Bei fehlendem ceteris paribus besteht die Gefahr der Verzerrung von Studienergebnissen (Bias). nur 1 ist korrekt 1 und 2 sind korrekt 1, 3 und 4 sind korrekt 1 – 4 sind korrekt alle sind inkorrekt

Ein Wissenschaftler findet heraus, dass bei der Behandlung 9 von akuten Schüben einer Multiplen Sklerose mit einem █

A B C D E

Bei einer dermatologischen Studie an Patienten mit sym10 metrisch ausgebildeter Psoriasis vulgaris (Schuppenflech█

Welche Aussagen zu der folgenden Aussage: „Der regel8 mäßige Konsum von stark angebranntem Grillfleisch ist █

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eine Ursache von kolorektalen Karzinomen“ sind korrekt? 1. Ohne Nennung des Komparators ist diese Aussage nicht eindeutig interpretierbar. 2. Der reguläre Konsum von stark angebranntem Grillfleisch ist ein hinreichender Faktor für die Auslösung von kolorektalen Karzinomen. 3. Der reguläre Konsum von stark angebranntem Grillfleisch ist mindestens in einem kausalen Mechanismus (sufficient component cause) eine kausale Komponente. 4. Sofern der regelmäßige Konsum von stark angebranntem Grillfleisch auch zu Magenkarzinomen führen würde, würde der Bradford-Hill-Gesichtspunkt der Spezifität nicht erfüllt sein. 5. Nach der probabilistischen Kausalitätstheorie senkt der regelmäßige Konsum von stark angebranntem Grillfleisch die Wahrscheinlichkeit des Auftretens von kolorektalen Karzinomen. nur 1 ist korrekt 1, 2 und 4 sind korrekt 1, 3 und 4 sind korrekt 1, 3, 4 und 5 sind korrekt 1 – 5 sind korrekt

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pflanzlichen Präparat 18 % der Patienten innerhalb von 10 Tagen in die Remission übergehen. Welche Aussagen können geschlussfolgert werden? 1. Es handelt sich um einen Durchbruch in der Behandlung der Multiplen Sklerose. 2. Ohne die Behandlung mit dem pflanzlichen Präparat wäre der Anteil der Remissionen innerhalb der ersten 10 Tage kleiner gewesen. 3. Das pflanzliche Präparat ist eine kausale Komponente eines kausalen Mechanismus. 4. Eine geeignete Vergleichsgruppe wäre eine Gruppe von Patienten mit Multipler Sklerose, die aktuell schubfrei ist. 5. Der durchschnittliche kausale Effekt der pflanzlichen Therapie beträgt 18 Prozentpunkte. nur 1 ist korrekt 1 und 2 sind korrekt 1 – 3 sind korrekt nur 5 ist korrekt keine Antwort ist korrekt

A B C D E

te) werden die Hauteffloreszenzen (Hautausschläge) am rechten und linken Ellenbogen zeitgleich behandelt. Zur Erforschung der Wirksamkeit der neuen Salbe A wird am linken Ellenbogen Salbe A und am rechten Ellenbogen die übliche Salbe B (Standardbehandlung) aufgetragen. Welche Aussagen sind korrekt? 1. Es ist nicht möglich, dass die lokale Behandlung der Hauteffloreszenzen am rechten Ellenbogen einen Einfluss auf die Hauteffloreszenzen am linken Ellenbogen hat. 2. Es ist sichergestellt, dass die Hauteffloreszenzen an den beiden Ellenbogen bei identischer Therapie identisch reagieren würden. 3. Die Ausprägung der Hauteffloreszenzen (linker und rechter Ellenbogen) muss nicht identisch sein. 4. Man versucht den Behandlungserfolg der Haut am linken Ellenbogen, der hätte beobachtet werden können, wenn dort eine Behandlung mit Salbe B stattgefunden hätte, mithilfe des Behandlungserfolgs am rechten Ellenbogen abzuschätzen. 5. Ein kausaler Schluss ist bei diesem Design mit Sicherheit möglich. nur 1 ist korrekt nur 2 ist korrekt 2 und 3 sind korrekt 2, 3 und 5 sind korrekt nur 4 ist korrekt

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[An introduction to causality principles in biomedical research].

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