Übersicht

Adjuvante vs. Salvage-Strahlentherapie nach radikaler Prostatektomie Adjuvant vs. Salvage Radiotherapy after Radical Prostatectomy

Autoren

D. Bartkowiak1, A. J. Schrader2, T. Wiegel1

Institute

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Schlüsselwörter ▶ Prostatakarzinom ● ▶ radikale Prostatektomie ● ▶ adjuvante Strahlentherapie ● ▶ Salvage Strahlentherapie ● ▶ Review ●

Zusammenfassung

Abstract

Hintergrund:  Nach radikaler Prostatektomie (RP) sind präoperativer PSA-Wert, GleasonScore, pT-Stadium, der Status der Samenblasen und der Resektionsränder wesentliche RisikoIndikatoren für ein biochemisches oder klinisches Rezidiv. Binnen 5 Jahren kommt es je nach Tumorstadium bei 50–70 % der Hochrisikopatienten zum biochemischen Progress. Behandlungsoptionen unter diesen Bedingungen sind die adjuvante Strahlentherapie (ART, bei nicht detektierbarem PSA) oder die Salvage-Radiotherapie (SRT, bei persistierendem oder aus dem Nullbereich ansteigendem PSA). Daten laufender randomisierter Studien zum direkten Vergleich von ART und SRT sind noch nicht publiziert. Methode:  PubMed-Recherche zu ART und SRT nach RP bei Prostatakarzinom und Vergleich der publizierten Resultate beider Therapieformen. Ergebnisse:  3 randomisierte Phase-III-Studien zeigen einen fast 20-prozentigen Vorteil bei der biochemische Progressionsfreiheit nach ART (60–64 Gy) gegenüber einer abwartenden Strategie. Bei Patienten mit Tumorstadium pT3 und positiven Schnitträndern ist der Effekt am größten. Patienten mit postoperativ persistierendem PSA oder PSA-Anstieg aus dem Nullbereich kann nach S-3-Leitlinie die SRT mit mindestens 66 Gy angeboten werden. In 30–70 % der Fälle sinkt danach der PSA erneut unter die Nachweisgrenze. Damit besteht eine zweite kurative Option. Durch die niedrigere Gesamtdosis scheint die Rate der Spätfolgen nach ART geringer als nach SRT. Andererseits vermindert die SRT mögliche Wechselwirkungen mit postoperativen Komplikationen und das potentielle ÜbertherapieRisiko. Die Mitbestrahlung der pelvinen Lymphabflusswege, eine zusätzliche antihormonelle Therapie und die Höhe der Gesamtdosis sowohl von ART als auch von SRT werden kontrovers diskutiert.

Background:  After radical prostatectomy (RP) the pre-RP PSA value, Gleason Score, pT-stage, state of seminal vesicles and state of surgical margins are key indicators for the risk of biochemical or clinical recurrence. Depending on the tumour stage, 50–70 % of the high-risk patients suffer biochemical progression. The treatment options in these circumstances are adjuvant radiotherapy (ART, for an undetectable PSA) or salvage radiotherapy (SRT, for persisting PSA or PSA re-rising above detection limits). Data from ongoing randomised trials that compare ART and SRT directly have not yet been published. Method:  A search in PubMed for ART and SRT after RP for prostate cancer was undertaken to compare the results of the 2 treatment approaches. Results:  3 randomised phase-III studies have shown a nearly 20 % advantage in terms of biochemical progression after ART (60–64 Gy) compared with a wait-and-see strategy. The largest effect was seen in patients with pT3 prostate cancer with positive surgical margins. According to the German S3-guidelines, SRT with at least 66 Gy can be offered to patients with a post-RP persisting PSA or a PSA re-rising above detection limits. 30–70 % of these patients re-achieve an undetectable PSA. Thus, there is a second op­ tion for curative treatment. Due to the lower total dose, ART seems to be connected with fewer late complications than SRT. SRT, on the other hand, reduces the risk of potential interactions with post-RP complications and of overtreatment. There is a controversial discussion about the inclusion of the pelvic lymph nodes in the treatment volume, the additional application of anti-androgens and the total dose of both ART and SRT. Conclusions:  The comparison of SRT after PSA progression with ART at a PSA below the detection limits cannot yet be judged conclusively. The

Key words ▶ prostate cancer ● ▶ radical prostatectomy ● ▶ adjuvant radiotherapy ● ▶ salvage radiotherapy ● ▶ review ●

Bibliografie DOI http://dx.doi.org/ 10.1055/s-0034-1395656 Akt Urol 2015; 46: 52–58 © Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York ISSN 0001-7868 Korrespondenzadresse Prof. Dr. Thomas Wiegel Klinik für Strahlentherapie und Radioonkologie Universitätsklinikum Ulm Albert-Einstein-Allee 23 89081 Ulm Tel.:  + 49/731/500 56101 Fax:  + 49/731/500 56110 [email protected]

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 Klinik für Strahlentherapie und Radioonkologie, Universitätsklinikum Ulm  Klinik für Urologie, Universitätsklinikum Münster



Bartkowiak D et al. Adjuvante vs. Salvage-Strahlentherapie nach …  Akt Urol 2015; 46: 52–58



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Schlussfolgerung:  Die Wertigkeit der SRT nach PSA-Progres­ sion im Vergleich mit der ART bei PSA im Nullbereich unmittelbar postoperativ ist nicht abschließend geklärt. Die Indikation zur ART hängt von begleitenden Risikofaktoren ab, ist bezogen auf die biochemische Progressionsfreiheit jedoch durch hochrangige Evidenz gesichert. Wird bei biochemischer Progression die SRT eingesetzt, so sollte dies frühzeitig geschehen, d. h. bei möglichst niedrigem PSA-Wert.

indication for ART depends on the associated risk factors. How­ ever, regarding freedom from biochemical progression, it is backed up by high level evidence. If SRT is applied for biochemical progression, then it should be initiated early, i. e., at the lowest PSA possible.

Einleitung

auf das Organ begrenzt (pT2), verringert sich die 10-Jahres-Progressionsrate selbst mit positivem Schnittrand auf 25–35  % [10, 11]. In einer Studie an 88 Männern mit postoperativen PSAAnstieg (median 0,3 ng/ml) aber negativem Tastbefund zeigte die endorektalen Magnetresonanz-Bildgebung bei 24 % der Betroffenen ein Rezidiv [12]. In einer älteren Untersuchung hatten 24 von 45 Patienten (53 %) mit biochemischem Rezidiv bioptisch gesichert residuales Tumorgewebe im Bereich der vesikourethralen Anastomose. Allerdings lag bei den Betroffenen der PSA bei über 1 ng/ml oder der Tumor zeigte bereits eine extrakapsulärer Ausbreitung [13]. Die vorliegende Übersicht untersucht die post-operative adjuvante Strahlentherapie (ART) bei nicht nachweisbarem PSA im Vergleich mit der Salvage-Strahlentherapie (SRT) bei biochemischem Rezidiv und Progression.



Beim lokal begrenzten Prostatakarzinom (PCa) bieten sowohl die radikale Prostatektomie (RP) als auch die definitive Strahlentherapie (RT) kurative Behandlungsansätze [1]. Bei Vorliegen von Risikofaktoren wie einem initialen PSA-Wert  > 20 ng/ml, einem Gleason Score  ≥ 8 oder bei einem lokal fortgeschrittenem Tumor (pT3-4) steigt das postoperative Rezidiv-Risiko, sodass nicht selten eine adjuvante Strahlentherapie indiziert ist [1]. Als Alternative dazu steht die Salvage-Strahlentherapie zur Verfügung: Wenn im Rahmen der regelmäßigen Nachsorge ein persistierender oder aus dem Nullbereich ansteigender Serum-PSA auftritt oder es zum lokalen/lokoregionären klinischen Progress kommt, sollte möglichst umgehend eine Bestrahlung durchgeführt werden. Die Salvage-Strahlentherapie ermöglicht bei 60 % der Patienten ein Wieder-Absenken des PSA unter die Nachweisgrenze und bei diesen auf die Behandlung ansprechenden Fällen eine 5-Jahres-Progressionsfreiheit von über 70 % [2]. Mit Hochrisikofaktoren wie einem Gleason Score 8–10, Samenblasenbefall oder positiven Lymphknoten kann die Kontrollrate aber auf 20–30 % abfallen [3]. Darüber hinaus ist selbst bei Männern mit günstigen Parametern ein weiterer PSA-Anstiege nicht selten [4]. Postoperativ sollte der PSA in 4–6 Wochen unter die Nachweisgrenze sinken [5]. Ein persistierender PSA könnte auf residualem Normal- oder Tumorgewebe beruhen. Im zweiten Fall ist ein weiterer biochemischer und schließlich auch klinischer Progress sehr wahrscheinlich. Mehrere Studien zeigen eine besonders ungünstige Prognose bei postoperativ persistierendem PSA [6–8]. Ein postoperativer PSA-Anstieg über 0,2 ng/ml wird als biochemisches Rezidiv gewertet [9]. Innerhalb von 10 Jahren nach RP tritt ein solches Rezidiv bei ca. 50 % der Patienten mit pT3/4 PCa auf, mit zusätzlich positiven Lymphknoten (N  +  ) und/oder Schnitträndern (R1) sogar bei bis zu 70 %. Ist der Tumor dagegen

Adjuvante Strahlentherapie



Die adjuvante Strahlentherapie impliziert ein postoperatives Absinken des PSA-Wertes unter die Nachweisgrenze. Die empfohlene Strahlendosis auf die Prostataloge ist 60–64 Gy [1]. Insbesondere für die intensitätsmodulierte Behandlung (IMRT) werden auch höhere Dosen diskutiert [14]. 3 prospektiv randomisierte Studien (SWOG 8794, EORTC 22911, ARO 96–02;  ▶  Tab. 1) mit insgesamt über 1 800 Patienten und mehr als 10 ● Jahren Follow-up zeigen beim Vergleich ART vs. primär abwartender Strategie bezogen auf das biochemisch-progressionsfreie Überlebens einen 20-prozentigen Vorteil nach RT [15–17]. In der ARO-Studie lag die PSA-Rezidiv-Wahrscheinlichkeit 10 Jahre nach ART bei 44 %, im Wait-and-See Arm dagegen bei 65 %. Ein Plateau-Effekt war insbesondere im Beobachtungsarm nicht zu erkennen. Übereinstimmend wird in den 3 Studien der größte

Tab. 1  Zusammenfassung der randomisierten Studien zum Vergleich der adjuvanten Strahlentherapie (ART) vs. „Wait-and-See“ (WS) nach radikaler Prostatektomie. Literatur Thompson et al. [17, 19]

Bolla et al. [16, 50]

Wiegel et al. [15, 26]

Fallzahl 431

1 005

388

Inklusions-Kriterien

ART-Dosis (Gy)

Medianer Follow-

10-Jahres Biochemisch Progressions-

up (Jahre)

freies Überleben (Progress-Definition)

Überleben

ART 52 % WS 26,4 % p  0,4 ng/ml) ART 60 % WS 41 % p  1 Jahr) und ein langsamer PSA-Anstieg (Verdopplungszeit  > 1 Jahr) korrelieren im Trend eher mit einem lokalen Rezidiv, während ein schnell steigender PSA-Wert mit größerer Wahrscheinlichkeit auf metastasiertes Tumorgewebe hinweist. Aber nicht nur die PSA-Dynamik, sondern auch die Charakteristika des Primärtumors beeinflussen die Heilungschance bei der SRT [14, 34, 35]. Grundsätzlich sollte die Behandlung so früh wie möglich, d. h. bei einem niedrigen PSA (nach S3-Leitlinie   1,5 ng/ml nur noch bei 18 %. In einer dichotomisierenden Analyse waren ein prä-SRT PSA > 2, Gleason Score  ≥ 8, negative Schnittränder und eine PSA-Verdopplungszeit unter 10 Monaten ungünstige Prädiktoren [35].

Die Salvage-Strahlentherapie ermöglicht über ein weites Spek­ trum von Rahmenbedingungen betrachtet eine biochemische ▶  Tab. 2). Einzelstudien 5-Jahres-Rezidivfreiheit von 30–70 % (  ● und Übersichtsarbeiten belegen einen wachsenden Therapie­ erfolg bei steigender Gesamtdosis der SRT [38–41]. Als Mindestdosis gelten heute 66 Gy [1, 9]. Eine Metaanalyse zeigt eine Verbesserung der biochemischen 5-Jahres-Progressionsfreiheit um 2,5 % pro Gy. Eine Metaanalyse überwiegend älterer Daten zeigt bei steigender Dosis eine zunehmende Toxizität: schwerwiegende (≥ Grad 3) GI-Reaktionen um 1,2 % und GU-Reaktionen um 0,8 % pro Gy. Die 5 %-Inzidenz wird in einer Modellrechnung für beide Organsysteme bei 68–69 Gy erreicht. Dabei basierte nur eine der 25 analysierten Primär-Publikationen auf der IMRTTechnik [40]. Laut einer retrospektiven Analyse zur Dosiseskalation auf 76 Gy mit IMRT entwickelten 4 (3 %) von 136 PCa-Patienten binnen 5 Jahren schwere GU- und einer (0,7 %) schwere GI-Trakt-Reak­ tionen; in der Studie hatten 97 Männer zusätzlich eine Hormontherapie erhalten [42]. In einer anderen Untersuchung waren Grad  ≥ 2 GI-Trakt-Toxizitäten 5 Jahre nach IMRT mit Dosen  ≥ 70 Gy signifikant seltener als nach ≤ 66 Gy bei konven­ tioneller 3D-geplanter SRT (1,9 vs. 10,2 %), während GU-Trakt Komplikationen mit 16,8 % vs. 15,8 % fast gleich häufig waren [43]. Eine „erfolgsabhängige“ Eskalation von 66,6 Gy auf 70,2 Gy (in konventioneller 3-D-Technik) bei Ansprechen des Patienten während der laufenden SRT (PSA-Rückgang um mindestens 20 %) korrelierte mit einer signifikant höheren Progressionsfreiheit von 88 % vs. 57 % nach 48 Monaten [44]. Aber auch nach Abschluss der SRT ist das Ansprechen des PSA ein wichtiges Pro­ gnosemerkmal: Unterschreitet der PSA nach Bestrahlung die Nachweisgrenze, so korreliert dies in multivariablen Analysen unter Einschluss etablierter klinischer Risikofaktoren mit einem besseren biochemisch- progressionsfreien, tumorspezifischen und Gesamt-Überleben [2, 45].





Bartkowiak D et al. Adjuvante vs. Salvage-Strahlentherapie nach …  Akt Urol 2015; 46: 52–58

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Autor

Übersicht Salvage Strahlen- plus Hormontherapie



Aus einer prospektiv randomisierten Untersuchung (RTOG 9601) zur kombinierten HT + SRT (387 Patienten) vs. Plazebo + SRT (383 Patienten) bei pT2-3 N0 PCa liegen Ergebnisse nur in ­Abstract-Form vor: Eine 2-jährige Bicalutamid-Behandlung zusätzlich zur Bestrahlung mit 64,8 Gy verbesserte die Progressionsfreiheit nach 7 Jahren von 40 % auf 57 % (p 

[Adjuvant vs. salvage radiotherapy after radical prostatectomy].

After radical prostatectomy (RP) the pre-RP PSA value, Gleason Score, pT-stage, state of seminal vesicles and state of surgical margins are key indica...
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