Leitthema Med Klin Intensivmed Notfmed 2014 · 109:583–590 DOI 10.1007/s00063-014-0379-7 Eingegangen: 27. August 2014 Angenommen: 9. September 2014 Online publiziert: 22. Oktober 2014 © Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2014

Redaktion

M. Joannidis, Innsbruck S. Kluge, Hamburg

Der Versuch, im Jahr 2004 international gültige Behandlungsempfehlungen für Patienten mit schwerer Sepsis und septischem Schock zu formulieren, war von Anfang an kritisch gesehen worden. Besonders waren jene Leitlinienabschnitte hinterfragt worden, die sich hauptsächlich auf Expertenmeinungen oder auf Ergebnisse von nur einzelnen klinischen Studien zur Sepsis gründeten. Wissenschaftliche Evidenz ist in der Zwischenzeit in vielen Bereichen der Sepsistherapie gewachsen. Einige Empfehlungen haben sich nach mehr als 10 Jahren bewährt, andere wurden revidiert und wiederum andere gänzlich fallen gelassen. Der aktuelle Stand der adjuvanten Therapie wird in der vorliegenden Übersicht zusammengefasst. Eine offizielle Revision der deutschen Sepsisleitlinien ist für das Jahr 2015 geplant.

Hintergrund Früh verabreichte breit wirksame Antibiotika, aggressive Volumensubstitution, Sanierung des Infektionsfokus und HerzKreislauf-Unterstützung mit Vasopressoren und Inotropika gelten als Grundsäulen der Sepsistherapie [1]. Patientinnen und Patienten sollen bei Volumensubstitution und Herz-Kreislauf-Unterstützung nach dem Prinzip der zielgerichteten Schocktherapie behandelt werden, das sich in den letzten 10 Jahren entwickelt hat. Obwohl in den vergangenen Forschungsjahrzehnte das Verständnis der

C.J. Wiedermann Zentralkrankenhaus Bozen, Italien

Adjuvante Therapie der Sepsis Was ist gesichert?

komplexen pro- und anti-inflammatorischen Vorgänge bei schwerer Sepsis und septischem Schock klar verbessert wurde, konnte dieses Wissen bis heute nicht in neue effektive Therapien umgesetzt werden. Dies schließt auch sepsisbedingte Störungen des Gerinnungs- und Komplementsystems ein [2]. Wissenschaftliche Untersuchungen brachten eine Reihe pharmazeutischer Wirkstoffe hervor, die zwar gezielt in die pathophysiologischen Vorgänge der Sepsis eingreifen, die Sterblichkeit der Sepsis aber nicht nachweislich verbessern konnten. Hydrokortison ist das einzig verbliebene Medikament, das dann supportiv verabreicht werden soll, wenn durch ausreichende Flüssigkeitszufuhr und Vasopressorentherapie eine hämodynamische Stabilität beim septischen Schock nicht wiederherzustellen ist [1]. Wegen dieser gezielten Verabreichung von Kortikosteroiden in der initialen Kreislauftherapie werden sie nicht mehr unter den adjuvanten Behandlungsmöglichkeiten sondern bei den initialen hämodynamischen Therapiemaßnahmen geführt. Ziel dieser Übersichtsarbeit ist es, den aktuellen Stand der supportiven oder adjuvanten Sepsistherapie für die Erwachsenenmedizin zusammenzufassen. Das Augenmerk ist dabei auf Immunmodulation, Glukosekontrolle, Ernährung und Transfusion von Blutprodukten gerichtet. Eine Zusammenstellung der Neubewertung von Empfehlungen zu diesen adjuvanten Therapien der Sepsis findet sich in . Tab. 1. Analgosedierung, Relaxierung, extrakorporale Therapieformen, Beatmungs-

richtlinien, Thrombose- und Stressulkusprophylaxe sowie „end-of-life care“ werden hier nicht abgehandelt, aber in . Tab. 2 zusammengefasst dargestellt.

Immunmodulation Die Mehrzahl der klinisch erprobten Therapieversuche für die schwere Sepsis und den septischen Schock zielte darauf ab, die Entzündungskaskade zu hemmen, die sich in der akuten Sepsisphase als kapillare Permeabilitätserhöhung, Blutdruckabfall und Schock manifestiert. D Keine der gezielten entzündungs-

hemmenden Interventionen hat jedoch die Sepsissterblichkeit reproduzierbar verringert [3]. Viele der Therapien waren in Tiermodellen zwar erfolgreich. Ihre Wirkungen konnten aber in Studien am Menschen nicht repliziert werden. Eines der erfolg­ versprechendsten Medikamente war ­Drotrecogin-α, ein rekombinantes aktiviertes Protein C, das in ersten klinischen Studien am Menschen erfolgreich schien. Es wurde durch die Arzneimittelbehörden in Europa, Nordamerika und darüber hinaus zugelassen und sogar als Empfehlung in die Leitlinien der Surviving Sepsis Campaign aufgenommen [4]. In den nachfolgenden Bestätigungsstudien erwies es sich jedoch als unwirksam und wurde schließlich wieder vom Markt genommen [1]. Ursachen für die vielen negativen Studienergebnisse gibt es wahrscheinlich mehrere: In den zugrunde liegenden Tier-

Medizinische Klinik - Intensivmedizin und Notfallmedizin 8 · 2014 

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Leitthema Tab. 1  Stand der klinischen Forschung zur adjuvanten Sepsistherapie im Jahr 2014 Therapie Blutprodukte

Ernährung

Glukose­ kontrolle

Immunglobuline

Surviving Sepsis Campaign 2012a Restriktives Transfusionsregime mit einem Ziel-Hb-Wert zwischen 4,3 und 5,6 mmol/l (≙ 7–9 g/dl, Grad 1B). Kein FFP ohne klinisch manifeste Blutung (Grad 2D), kein Antithrombin (Grad 1B). Gabe von Thrombozytenkonzentraten, wenn

[Adjuvant treatment of sepsis: what is known?].

Recent decades have been characterized by a large number of trials for registration of new drugs or indication approvals in the field of sepsis. Moder...
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