© Klaus Rüschhoff, Springer Medizin

Ophthalmologe DOI 10.1007/s00347-015-0006-x © Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2015 Redaktion

F. Grehn, Würzburg Unter ständiger Mitarbeit von:

H. Helbig, Regensburg A. Kampik, München U. Pleyer, Berlin B. Seitz, Homburg/Saar

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CME  Zertifizierte Fortbildung U. Pleyer1 · F. Birnbaum2 1 Charité, Augenklinik, Universitätsmedizin Berlin, Berlin, Deutschland 2 Augenklinik, Klinikum Bremen-Mitte, Bremen, Deutschland

AdenovirusKeratokonjunktivitis Zusammenfassung

Die durch Adenoviren ausgelöste Keratoconjunctivitis (epidemica, KCE; ICD-10 B30.0+) ist häufig, kann schwer verlaufen und verursacht eine erhebliche Morbidität. In der Frühphase ist es oft schwierig, allein aufgrund des klinischen Befundes die KCE von anderen Ursachen eines anderen „roten Auges“ zu unterscheiden. Aufgrund hoher Kontagiosität kann sich die Erkrankung rasch zu einem epidemischen Geschehen auswachsen. Daher bleibt eine rasche Virusidentifikation und Vermeidung weiterer Ausbreitung der Infektion eine wesentliche Herausforderung. Da es schwierig ist, kurzfristig den labortechnischen Erregernachweis zu führen, wird der Anfangsverdacht zunächst rein klinisch geäußert. Neuentwicklungen wie Screeningtests sind von praktischer Bedeutung und können die Frühdiagnose unterstützen. Adenoviren sind klinisch problematisch, da sie eine hohe Resistenz gegenüber Umweltfaktoren aufweisen und hoch entwickelte „Escape-Mechanismen“ eine Persistenz des Virus auch über lange Zeit an der Augenoberfläche ermöglichen. Bestandteile der Virusproteine verbleiben häufig in der Hornhaut, vor allem in der Bowman-Schicht. Hier führen sie zu immunologischen Reaktionen und den typischen subepithelialen Infiltraten („Nummuli“). Die Behandlung der KCE beschränkt sich zurzeit auf symptomatische Oberflächenpflege. Das Hauptproblem, die Persistenz subepithelialer Infiltrate, ist schwierig anzugehen. Eine risikoarme Option ist die Anwendung von Ciclosporin-A-Augentropfen. Die Behandlung mit topischen Steroiden ist eher problematisch, kann jedoch in allen Krankheitsstadien diskutiert werden. Da die Verbreitung von Adenoviren oft nosokomial erfolgt, bleibt die Prävention der Infektion eine zentrale Verantwortung der Ophthalmologen.

Schlüsselwörter

Infektion · Erreger · Keratoconjunctivitis epidemica · Konjunktiva · Kornea

Der Ophthalmologe

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CME

Lernziele Nach Lektüre dieses Beitrages 55 können Sie die klinischen Zeichen, Symptome und Befunde der Keratoconjunctivitis epidemica (KCE) erkennen und einordnen, 55 sind die diagnostischen Möglichkeiten zur Abklärung der KCE bekannt, 55 wissen Sie um die zugrunde liegenden pathophysiologischen Mechanismen, 55 kennen Sie die entscheidende Bedeutung präventiver Maßnahmen und die bisher begrenzten medikamentösen Behandlungsansätze, die im praktischen Alltag verfügbar sind.

Übersicht Adenoviren

Adenoviren sind sehr umweltresis­ tent und bleiben über Wochen infektiös

Adenoviren lösen unterschiedliche Krankheiten aus

Die Keratoconjunctivitis epidemica (KCE) wird durch Adenoviren ausgelöst. Es handelt sich um ca. 80–110 nm große, hüllenlose Doppelstrang-DNA-Viren, die von einem ikosaedrischen Kapsid umgeben sind. Sie sind sehr umweltresistent und bleiben über Wochen infektiös [1, 2]. Adenoviren gehören zur Familie der Adenoviridae, die neben Menschen auch andere Säuger, Vögel und Reptilien befallen. Es können mehr als 130 verschiedene Serotypen unterschieden werden. Zur Gruppe der humanpathogenen Adenoviren zählen derzeit 54 verschiedene Virustypen, die in 7 Gruppen (A–G) eingeteilt werden (.  Tab. 1; [3, 4, 5]). Die humanpathogenen Stämme, die zur Augenbeteiligung führen, sind wirts- und organspezifisch und nicht bei Tieren anzutreffen. Adenoviren lösen unterschiedliche Krankheiten aus. Diese Kenntnis kann wichtig sein, da z. T. respiratorische und gastrointestinale Infektionen der KCE vorangehen und in der Anamnese erfragt werden sollten. In der Regel sind einzelne Typen Auslöser für bestimmte Krankheitsbilder.

Epidemiologie Adenoviren sind weltweit verbreitet. Zwar können Patienten aller Altersgruppen infiziert sein, jedoch sind überwiegend Personen zwischen dem 20. und 40. Lebensjahr von epidemischen Ausbrü-

Adenoviral keratoconjunctivitis Abstract

Keratoconjunctivitis caused by adenoviruses (epidemic keratoconjunctivitis, EKC, ICD-10 B30.0+) is common, can be severe and may cause significant morbidity. In the early stages of adenoviral infections it is often difficult to differentiate the clinical presentation from other causes of a red eye. Because of its highly contagious nature that can rapidly lead to epidemic outbreaks, prompt viral identification and prevention of further spread are major challenges. Even today the diagnosis is still mainly clinical, with laboratory tests only rarely contributing. New diagnostic tests, such as the Rapid Pathogen Detector (RPS, Sarasota FL) AdenoPlus detection kit, that are practical, rapid and inexpensive to use in the general practice may obviate these problems. Because of its highly resistant properties to desiccation and highly developed escape mechanisms which protect the virus from the host’s immune response, long-term problems often remain. Remnants of viral proteins often persist on the corneal surface of Bowman’s layer for a long time and may lead to the formation of subepithelial infiltrates. No treatment other than symptomatic eye drops is available. The major sequelae are subepithelial infiltrates, which are difficult to treat. Cyclosporin A eye drops are a good option with a low risk profile. The use of topical steroids can possibly be disadvantageous but can be discussed at all stages of the disease. As nosocomial spread of adenoviruses is relatively common, preventive measures remain a major responsibility for ophthalmologists.

Keywords

Pathogen · Conjunctiva · Cornea · Epidemic keratoconjunctivitis · Infection

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Der Ophthalmologe

CME Tab. 1  Übersicht der humanpathogenen Adenoviren (Adv) Adv-Subgruppe A B, Typ 1

Serotyp 12, 18, 31 3, 7, 16, 21

B, Typ 2 C

11, 14, 34, 35 1, 2, 5, 6

D E

8–10, 13, 15, 17, 19, 20, 22–30, 32, 33, 36–39, 42–49 4

F G

40, 41 52

Klinische Manifestation Gastrointestinale, respiratorische, urogenitale Erkrankung Keratokonjunktivitis Gastrointestinale, respiratorische, urogenitale Erkrankung Gastrointestinale, respiratorische, urogenitale Erkrankung Respiratorische, gastrointestinale (einschließlich Hepati­ tis), urogenitale Erkrankung Keratokonjunktivitis Gastrointestinale Erkrankung Keratokonjunktivitis Respiratorische Erkrankung Gastrointestinale Erkrankung Gastrointestinale Erkrankung

chen betroffen. Es bestehen keine bekannten Risiken bezüglich Geschlecht, ethnischer- oder sozioökonomischer Zugehörigkeit. Die Übertragung des Virus erfolgt durch Tröpfchen- und Schmierinfektion. Eintrittspforte ist überwiegend der Nasen-Rachen-Raum sowie die Konjunktiva. Häufigster Infektionsweg ist die direkte Inokulation der Erreger durch Fingerkontakt (täglicher unbewusster Finger-Augen-Kontakt ca. 14-mal) bei Persistenz der Viren an Handtüchern, Türgriffen u. a. Als Ursache für nosokomiale Infektionen in Arztpraxen und Augenkliniken sind meist kontaminierte Kontaktinstrumente (Tonometer) sowie Tropffläschchen und Anpasskontaktlinsen [2, 6, 7, 8] anzuführen. Im Krankenhaus ist von einer „attack rate“ von ca. 5 auf 1000 behandelten Patienten berichtet worden. In einer Studie an Neugeborenen konnte die vorangegangene Untersuchung durch Augenärzte zum Ausschluss einer Retinopathia praematurorum als signifikanter Risikofaktor für die Infektion dokumentiert werden [9]. Adenovirusinfektionen treten zu jeder Jahreszeit auf. Als Erreger kommen Adv1–11, 14–17, 19–22, 26, 29 und 37 in Betracht. In Europa werden die Typen Adv8 > 3 > 7 > 19/37 und in Japan Adv8 > 81 > 4 > 19/37 > 3 am häufigsten angetroffen [10, 11]. Nosokomiale Infektionen sind überwiegend mit Adv8 assoziiert, während bei Umweltinfektionen zusätzlich häufiger Adv19 und Adv37 nachgewiesen wurden [6, 7, 12, 13, 14, 15, 16, 17]. Die Inkubationszeit beträgt etwa 2 bis 12 Tage. Ansteckungsgefahr besteht vermutlich schon vor Ausbruch der klinischen Symptome, sicher aber solange das Virus in Nasen-Rachen-Schleimhaut und Bindehaut vorhanden ist. In den entsprechenden Sekreten gelingt der Nachweis in den ersten 2 bis 3 Wochen nach Infektion [18, 19, 20]. Während der ersten 2 Wochen muss von einer hohen Kontagiosität ausgegangen werden; dies muss bei der Krankschreibung berücksichtigt werden [8]. Einziges Virusreservoir ist der infizierte Mensch. Infektionsausbrüche epidemischen Ausmaßes mit bis zu 10.000 Betroffenen sind aufgrund der hohen Kontagiosität gefürchtet [21]. Entsprechende Berichte liegen von epidemischen Ausbrüchen in Kindergärten, Schulen, Militäreinrichtungen und nach Schwimmbadbesuch vor [22]. Die hohe Kontagiosität des Erregers geht deutlich daraus hervor, dass beispielsweise Adv19 bis zu 8 Tage von Papier, bis zu 10 Tagen von Textilien und Metall und bis zu 35 Tagen von Plastik isoliert werden kann. Auf Tonometerköpfchen kann Adv8 bis zu 9 Tagen infektiös verbleiben [23].

Die Übertragung des Virus erfolgt durch Tröpfchen- und Schmier­ infektion

Die Inkubationszeit beträgt etwa 2 bis 12 Tage Während der ersten 2 Wochen muss von einer hohen Kontagiosität ausgegangen werden

Immunantwort Die Immunantwort bei Adenovirusinfektionen hängt u. a. von der Eintrittspforte, dem Virusserotyp und dem Antikörperstatus des Wirtes ab. Adenoviren haben unterschiedliche Mechanismen entwickelt, um der Immunantwort des Wirtes zu entkommen. Dazu zählen die geringe MHC-I-Expression an Zelloberflächen, die reduzierte Immunantwort durch Interferon oder Tumornekrosefaktor-α sowie eine verminderte Zellapoptose infizierter Zellen [24]. Antikörper gegen das Virus können überwiegend als sekretorisches IgA bei Atemwegsinfektionen bereits 3 Tage nach Infektion nachgewiesen werden. Etwa 1 Woche nach Infektion können IgG- und IgA-Antikörper auch im Serum detektiert werden. Sie richten sich überwiegend gegen das Hexon der Virushülle, die bei allen humanpathogenen Adenoviren vergleichbare Antigenität aufweist [25]. Typspezifische, neutralisierende Antikör-

Antikörper gegen das Virus können bereits 3 Tage nach Infektion nachgewiesen werden

Der Ophthalmologe

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CME per werden gegen weitere Hexon-Komponenten synthetisiert und können auch 10 Jahre nach Primärinfektion noch serotypspezifisch nachgewiesen werden [26]. Es gibt 3 Möglichkeiten der Interaktion von Adenoviren mit Wirtszellen: 55Die lytische Infektion führt unmittelbar durch intrazelluläre Replikation zum Zelltod. Dabei werden neue Viren freigesetzt, die zu etwa 5 % infektiös sind. Diese Erreger-Wirt-Interaktion dominiert bei aktiver Infektion am Auge. 55Bei der latenten Infektion werden nur geringe Mengen von Viren freigesetzt, die Replikation erfolgt überwiegend in lymphoiden Zellen. 55Durch Einschleusung der Virus-DNA in das Zellgenom des Wirtes und Replikation des Erregers kann eine onkogene Transformation erfolgen. Dabei werden keine neuen infektiösen Viren generiert. Dieser Transfektionsweg kann bei gentherapeutischen Verfahren (mittels Adv5-Vektor) genutzt werden, um Plasmide in die Zelle einzuschleusen [27], ist jedoch klinisch nicht von Belang. Neben der humoralen Immunantwort wird frühzeitig eine T-Zell-­ Reaktion beobachtet

Neben der humoralen Immunantwort wird frühzeitig eine T-Zell-Reaktion beobachtet. Sie ist virus(typ)spezifisch, wodurch sich eine mögliche Reinfektion mit einem anderen Serotyp des Erregers erklären lässt [28]. Im Tiermodell werden 2 Phasen der Immunreaktion unterschieden, die zunächst mit einer überwiegend von Makrophagen und Monozyten dominierten Infiltration beginnt und von einer sekundären Infiltration mit T-Lymphozyten gefolgt wird. Diese T-Zell-mediierte Immunantwort ist klinisch sehr bedeutsam, da eine Restitution bei akuter Infektion hiervon abhängt. In einer überwiegend Th1-mediierten Immunreaktion mit Produktion von Interferon und TNF werden virus(typ)spezifische CD4-Lymphozyten generiert. Untersuchungen mittels konfokaler Mikroskopie belegen eine darauf folgende subepitheliale Infiltration mit dendritischen Zellen und anderen Leukozyten die zur „Nummulibildung“ führen.

Klinik

Die Symptome der KCE treten typischerweise erst an einem Auge auf

Die Diagnose der KCE wird in der Regel zunächst klinisch gestellt. In der Anamnese wird häufig ein Kontakt mit Personen angegeben, die an einem „roten Auge“ leiden. Oftmals berichten die Patienten zusätzlich von einer bestehenden Erkältungssymptomatik oder von gastrointestinalen Problemen. Die Symptome der KCE treten typischerweise erst an einem Auge auf, nach 2 bis 4 Tagen kommt es meist auch zu einer Beteiligung des Partnerauges, das häufig einen milderen Verlauf aufweist. Man unterscheidet zwischen einer akuten und einer chronischen Phase der Infektion.

Akute Phase

Eine bakterielle Superinfektion ist relativ häufig und kann zu einer eitrigen Konjunktivitis führen

Als seltenere Manifestationsform kommen schwere hämorrhagische Krankheitsverläufe vor

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Der Ophthalmologe

Das klinische Bild der akuten Phase (Dauer 7 bis 12 Tage) imponiert häufig schon bei der ersten Betrachtung des Patienten ohne Spaltlampe als einseitiges rotes „Kaninchenauge“ und lässt den Verdacht auf das Vorliegen einer Adenovirus-Keratokonjunktivitis aufkommen. Die Patienten geben oft eine Photophobie an. Häufig zeigen sich ipsilaterale präaurikuläre und/oder submandibuläre druckdolente Lymphknotenschwellungen. Die typischen Veränderungen am Auge sind eine Verkleinerung der Lidspalte durch ein Lidödem, eine Epiphora, eine Rötung der gesamten Bindehaut, eine follikuläre Konjunktivitis mit Chemosis sowie die pathognomonische Plica- und/oder Karunkelschwellung (.  Abb. 1). Eine bakterielle Superinfektion ist relativ häufig und kann zu einer eitrigen Konjunktivitis führen. In manchen Fällen kommt es zu kleinen Hyposphagmen der bulbären Bindehaut und/ oder zu petechialen Blutungen der tarsalen Bindehaut (. Abb. 2). Die Hornhautbeteiligung kann von einer Keratitis superficialis punctata oder Keratitis stellata (.  Abb. 3) bis hin zu einer Hornhauterosio reichen. Eine intraokulare Beteiligung mit Endotheliitis und disciformer Keratitis oder eine Iritis mit Druckanstieg sind sehr selten. Hier muss als Differenzialdiagnose eine akute Herpesinfektion abgegrenzt werden, bei Unsicherheit sollte eine PCR (Polymerasekettenreaktion)-Untersuchung durchgeführt werden. In einigen Fällen können Pseudomembranen auftreten (.  Abb. 4 und 5). Als seltenere Manifestationsform kommen schwere hämorrhagische Krankheitsverläufe vor (. Abb. 6), bei einseitiger Ausprägung bis hin zur Verwechslung mit einer Orbitaphlegmone. Es ist kürzlich auch ein Fallbericht einer orbitalen Entzündung im Rahmen einer Adenovirenkonjunktivitis publiziert worden, die nur auf systemische Steroide und nicht auf Antibiotika angesprochen hat [30].

CME Als neuere Untersuchungsmethode in der Akutphase steht die konfokale Hornhautmikroskopie zur Verfügung. In einer Fallserie an 8 Patienten zeigten sich zahlreiche Veränderungen, u. a. eine Ansammlung von dendritischen Zellen auf Höhe der Bowman-Membran, die darauf hindeuten, dass das unreife Immunsystem einen wichtigen Beitrag zur Immunabwehr bei der KCE leistet [31]. Eine Diagnosesicherung mittels der konfoka­ len Hornhautmikroskopie ist allerdings nicht möglich Abb. 1 8 Epidemische Keratokonjunktivitis: und sollte aufgrund der hohen Kontagiosität streng ver20-jähriger Patient mit konjunktivaler Hyper­ mieden werden. ämie, Chemosis, Plicaschwellung und begleiten­ Die Dauer des akuten Krankheitsverlaufs ist sehr vadem reaktivem Tränenträufeln [29] riabel (1 bis 4 Wochen).

Das unreife Immunsystem leistet einen wichtigen Beitrag zur Immunabwehr bei der KCE

Chronische Phase

Abb. 2 8 Epidemische Keratokonjunktivitis: 16-jähriger Patient mit petechialen Blutungen an der subtarsalen Bindehaut des ektropionier­ ten Oberlides (häufiger zytopathogener Effekt einer epibulbären Adv3-Infektion; [29])

Abb. 3 8 Epidemische Keratokonjunktivitis: 26-jähriger Patient mit parazentralem subepit­ helialem unregelmäßig begrenztem „dendri­ tisch“ ausstrahlendem Hornhautinfiltrat [29]

Abb. 4 8 Epidemische Keratokonjunktivitis: 28-jähriger immunkompetenter Patient mit subkonjunktivalen Hämorrhagien und tarsa­ len Pseudomembranen (keine Blutung bei Ab­ ziehen!) [29]

Nummuli (.  Abb. 7) können 10 bis 14 Tage nach Be­ ginn der Akutphase auftreten und entstehen durch eine persistierende Virusreplikation in den Keratozyten. Es handelt sich hierbei um subepitheliale Infiltrate aus Lymphozyten, Histiozyten und Fibroblasten in und unter der Bowman-Membran. Man geht davon aus, dass nach dem Auftreten von Nummuli keine Ansteckungsgefahr mehr besteht. Meist zeigen Nummuli ein spontanes Verschwinden innerhalb eines Jahres, selten zeigt sich eine längere Persistenz bis hin zu narbigen Veränderungen (. Abb. 8). Nummuli können zu einer erheblichen Visusbeeinträchtigung führen. Als weitere Spätfolgen der KCE können tarsale Bindehautnarben mit einer chronischen Oberflächenstörung auftreten (. Abb. 9). Eine chronische Keratoconjunctivitis sicca, auch bedingt durch einen partiellen Becherzellverlust, ist relativ häufig und erfordert eine langfristige Tränenersatztherapie. In Deutschland tritt die Adenovirenkonjunktivitis meist bei Erwachsenen aller Altersgruppen auf, Kinder und auch Säuglinge können aber ebenfalls betroffen sein. Die Klinik bei Kindern und Säuglingen ist aufgrund des unausgereiften Immunsystems häufig un­ spezifischer als bei Erwachsenen. Bei Neugeborenen tritt die Adenovirus-Keratokonjunktivitis im Verhältnis zu den häufigen bakteriellen Infektionen eher selten auf. Beidseitig auftretende „rote Augen“ und Epiphora stehen im Gegensatz zum mukopurulenten Exsudat bei bakteriellen Infektionen im Vordergrund. Eine Schwellung der Tränendrüse, Lidödem, konjunktivale Hyperämie und konjunktivale follikuläre Reaktionen können beobachtet werden. Die klinische Symptomatik ist nach weniger als 10 Tagen selbstlimitierend. Eine ausgeprägte Hornhautbeteiligung wurde bisher nicht beschrieben. Es existiert ein aktueller Fallbericht einer Epidemie auf einer Neugeborenenstation mit Infektion von mehr als 20 Neugeborenen und 8 Pflegekräften, die nach einer Netzhautlaserung eines Frühchens aufgetreten war. Die

Nach dem Auftreten von Nummuli besteht keine Ansteckungsgefahr mehr

Die Klinik bei Kindern und Säuglingen ist häufig unspezifischer als bei Erwachsenen

Der Ophthalmologe

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CME Erreger wurden dabei vom behandelnden Augenarzt auf die Station eingebracht [32].

Risikofaktoren

Der Großteil der Infektionen wird ambulant erworben

Risikofaktoren für das Auftreten und die Verbreitung der KCE sind schlechte hygienische Verhältnisse und enges Zusammenleben von vielen Personen und nicht zuletzt der Aufenthalt in einer Augenarztpraxis oder in einer Augenklinik. Durch die extreme Umweltstabilität der Erreger ist an Orten, an denen regelmäßig Erreger verteilt werden, von einer permanenten Übertragungsgefahr auszugehen. In der Leitlinie des Robert Koch Instituts (RKI) wird allerdings sogar als häufigster Übertragungsweg das Augendruckmessen beim Augenarzt angegeben: „Die hoch kontagiöse epidemische Adenovirus-Keratokonjunktivitis wird am häufigsten im Rahmen nosokomialer Infektionen durch verunreinigte Instrumente (z. B. Tonometer in der Augenklinik) verursacht.“ [8] Das ist aus Sicht der Autoren nicht korrekt und resultiert vermutlich aus einer Betrachtung nur der gemeldeten Fälle. Der bei Weitem größte Anteil der Infektionen wird jedoch nicht gemeldet. Man kann davon ausgehen, dass der Großteil der Infektionen ambulant erworben wird. Dennoch ist die Gefahr der Übertragung in der Augenarztpraxis oder in der Augenklinik nicht zu unterschätzen [14]. In den Jahren 2011 bis 2013 wurde ein stark gehäuftes Auftreten von nosokomialen KCE-Infektionen in Deutschland beobachtet: Von Ja­ nuar 2010 bis Juni 2013 sind 15 nosokomiale Ausbrü­ che mit jeweils mehr als 24 gemeldeten Fällen berich­ tet worden [7]. Dies unterstreicht die Notwendigkeit, ­strengstens auf entsprechende Hygienemaßnahmen in den Praxen und Kliniken zu achten. Die Zunahme vor allem der gemeldeten nosokomialen Infektionen könnte allerdings zumindest teilweise an der zunehmenden Inanspruchnahme des PCR-Nachweises liegen. Liegt ein positiver Nachweis vor, wird dieser automatisch durch den Laborarzt an das Gesundheitsamt gemeldet. Eine ähnliche Arbeit ist auch kürzlich in den USA publiziert worden [6]. Dabei handelt es sich um eine Untersuchung der CDC (Centers for Disease Cont­ rol) mit 411 gemeldeten Fällen. In allen Outbreak-Clustern konnten Übertragungen durch ophthalmologische Untersuchungen nachgewiesen werden. Teilweise ge­ lang ein Nachweis von Adenoviren auf Untersuchungsgeräten noch 1 Woche nach Desinfektion.

Labordiagnostik

Abb. 5 8 Epidemische Keratokonjunktivi­ tis: 35-jähriger Aids-Patient mit ausgeprägten Schmerzen und Pseudomembranen auf der unteren tarsalen Bindehaut [29]

Abb. 6 8 Akute hämorrhagische Konjunkti­ vitis: 81-jähriger Patient 2 Tage nach Beginn eines intraokularen Druckprofiles zur Einstel­ lung eines Glaukoms mit beidseitigen massi­ ven (sub)konjunktivalen Hämorrhagien, Lidöde­ men und nichtbakteriellem mukopurulentem Exsudat [29]

Abb. 7 8 Epidemische Keratokonjunktivitis – Folgen: 46-jähriger Patient 7 Tage nach Beginn der klinischen Symptomatik mit ausgeprägten zentralen subepithelialen Hornhautinfiltraten, die einen Abstand zum Limbus hin aufweisen. Photophobie, geringe Visusreduktion [29]

Abb. 8 8 Epidemische Keratokonjunktivitis – Folgen: 49-jährige Patientin 5 Monate nach Be­ ginn der klinischen Symptomatik mit ausge­ Diagnostik prägten zentralen, nicht vaskularisierten sub­ epithelialen Hornhautnarben und degenerati­ Die Verdachtsdiagnose einer KCE kann meist basierend ver Eisenlinie. Visusreduktion am linken Auge cc auf Anamnese und durch den typischen klinischen As- 0,2 bei irregulärem Astigmatismus. Eine photo­ pekt geäußert werden. Differenzialdiagnostisch ist aller- therapeutische Keratektomie als visusverbes­ dings ein breites Spektrum anderer Ursachen möglich. sernder Eingriff ist hier zu erwägen [29]

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Abb. 9 8 Epidemische Keratokonjunktivitis – Folgen: 30-jährige Patientin 6 Monate nach Be­ ginn der klinischen Symptomatik mit typisch unregelmäßigen (sub)epithelialen Bindehaut­ narben und Becherzellverlust. Massive Be­ schwerden durch Irritation der Hornhaut [29]

Die Sicherung des Erregers über laborbasierte Verfahren ist daher sinnvoll, um rasch geeignete präventive Maßnahmen einzuleiten. Als Methoden des Erregernachweises sind grund­ sätzlich geeignet: 55 der Nukleinsäurenachweis, 55 der Antigennachweis, 55 die Anzucht in Zellkultur sowie 55 die Elektronenmikroskopie.

Die beiden letztgenannten Verfahren werden in der Routinediagnostik allerdings kaum verwendet. Der Nukleinsäurenachweis mit der quantitativen Real-time-Polymerasekettenreaktion (qPCR), die geeignet ist, die in Deutschland wichtigen Subtypen Adv3, 4, 6, 7, 8, 14, 19, 37 zu erfassen, ist als Goldstandard zu betrachten. Die PCR ist aufgrund ihrer Sensitivität und schnellen Ergebnisse als Methode der Wahl anzusehen. Dazu müssen PCR-Protokolle verwendet werden, die geeignet sind, die relevanten Subtypen (vor allem 37, 19, 8, 53, 3, 7 sowie auch 14, 4, 6) zu erfassen [8]. Manuelle Arbeitsschritte, die bei der DNA-Extraktion aus den Abstrichen nötig sind, bergen das Risiko von Kreuzkontaminationen und falsch positiven Ergebnissen. Kommerziell verfügbare Schnelltests sind zum Nachweis von Adenovirusantigen hinsichtlich Sensitivität und Spezifität dem Nukleinsäurenachweis unterlegen. Vorteilhaft ist ihre einfache Handhabung und rasche Durchführbarkeit in der Praxis. Es sind inzwischen mehrere kommerziell verfügbare Schnelltests bekannt. Seit der Verbesserung der Spezifität des Antigentests AdenoPlus (RBS, USA; Spezifität 85–90 %, Sensitivität 98 % im Vergleich mit der qPCR und der Viruskultur) bestand Hoffnung auf eine praktikable Anwendung zur Frühdiagnose der Infektion [33]. Die unsichere Kostenübernahme (meist individuelle Gesundheitsleistung oder Wahlleistung) und weniger aussagekräftige Ergebnisse der Testsysteme gegenüber der PCR limitieren jedoch die Routineanwendung. Als Referenzmethode gilt die Virusanzucht in der Zellkultur, die aber mühevoll ist und 5 bis 33 Tage in Anspruch nehmen kann. Sie ist vor allem zum Beleg von Infektionsketten noch von Bedeutung.

Der Nukleinsäurenachweis mit qPCR gilt als Goldstandard

Als Referenzmethode gilt die Virusanzucht in der Zellkultur

Allgemeine Hinweise zum Erregernachweis Es ist wichtig, darauf hinzuweisen, dass durch einen „tiefen“ Bindehautabstrich mit dem Wattetupfer ausreichend Epithelzellen gewonnen werden. Da dies für den Patienten unangenehm sein kann, ist es schonender, zunächst den Tupfer gut zu befeuchten (z. B. mit steriler physiologischer Kochsalzlösung) und/oder ein Lokalanästhetikum zu verwenden. Wichtig: Es können keine bakteriologischen Abstrichtupfer verwendet werden, die ein Gel- oder Agar-Transportmedium enthalten [8].

Meldepflicht In der RKI-Richtlinie ist festgestellt, dass nach § 6 (3) IfSG dem zuständigen Gesundheitsamt das gehäufte Auftreten nosokomialer Infektionen, bei denen ein epidemiologischer Zusammenhang wahrscheinlich ist oder vermutet wird, als Ausbruch nichtnamentlich zu melden ist, was auch für die Adenoviruskonjunktivitis gilt. Hier ist also der Augenarzt zur Meldung verpflichtet. Eine namentliche Meldung erfolgt nach § 7 (1) IfSG bei direktem Nachweis von Adenoviren im Konjunktivalabstrich durch den Laborarzt.

Infektionskontrolle

Eine namentliche Meldung erfolgt bei direktem Nachweis von Adenoviren im Konjunktivalabstrich durch den Laborarzt

Da eine spezifische Therapie bisher nicht praktikabel ist, muss auf die Infektionsprävention besonderer Wert gelegt werden. Die Aufforderung des medizinischen Personals zur strikten Händedesinfektion (s. Liste der geprüften und anerkannten Desinfektionsmittel und -verfahren des RKI gem. § 18 IfSG) und zur Benutzung von Schutzhandschuhen nach Berührung kontaminierten Materials steht im Vordergrund. Der Ophthalmologe

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Ärzten, die an einer KCE erkrankt sind, sollte der Umgang mit Patienten untersagt werden

Diese Maßnahmen können die Ausbreitung einer „epidemischen“ Keratokonjunktivitis im akuten Fall limitieren und eine Inzidenzreduktion auch über einen längeren Zeitraum erreichen. In einer vergleichenden 6-Jahres-Studie sind unter strengen hygienischen Bedingungen nur 0,54 Ausbrüche mit 5,66 infizierten Patienten pro 100.000 Patientenuntersuchungen gegenüber 3,89 Ausbrüchen mit 54,09 infizierten Patienten pro 100.000 Patientenuntersuchungen aufgetreten (p 

[Adenoviral keratoconjunctivitis].

Keratoconjunctivitis caused by adenoviruses (epidemic keratoconjunctivitis, EKC, ICD-10 B30.0+) is common, can be severe and may cause significant mor...
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