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Das Adenosarkom des Uterus

Zusammenfa ssung Es wird ein Fall einer 67jährigen Patientin mit einem Adenosarkom des Uterus beschrieb en . Beim Adenosarkom des Uteru s handelt es sich um einen seltenen , niedrig ma lignen Tumor aus der Grupp e der gemis cht en mesod ermalen Tumor en . Er best eht au s einer benignen epithelialen und einer malign en mesenchymal en Kompon ent e. Die übliche Therapie ist die abdominale Hysterektomi e mit beidseitiger Adnexektomie. Ein erhöhtes Rezidiv- und Metastasierungsrisiko best eht bei myom etraler Infiltration. In dieser Situation ist eine adjuvante Radio- oder Chemotherapie zu erwägen.

Fa llbe r icht Wegen Urininkontinenzbesc hwe rden und wegen eines se it mehr a ls Ja hr esfri st besteh end en progred ient en , wässrigen Fluo rs begibt sich eine 67jährige, schizophre ne Patientin in a llgeme inä rz tliche, dann in sp ezialärztliche Behandlung. Es wird eine gro ße Tumormasse in der Vagina festgestellt, und unter der Diagnos e eines fortgeschritten en Porti otum ors mit Verdacht a uf veslk o-vagin al e Fist elbildung erfolgt die Zuweisung der Pati en tin an unsere Klinik. Bei der Speku lumunter su chung stieße n wir wenige Zentimeter obe rha lb des Introitu s auf eine n 10 cm großen, weichen , düsterroten und gelappten Tumor. Die digital e Austa stu ng erg ab üb erall glatte Vagina lwände. Die Zystoskopie war un auffä llig. In der Compute rto mog raphie fand s ich ein 10 cm große r vom Ute ru s oder der Vagina a usge he nde r Tumor. Hinweise für eine Infiltration der Nac hbaro rgane oder für eine lymphogene ode r hämatogen e Metast asi erung feh lten . Der in die Vagina gebore ne, große , polypöse Tumor wurd e in Narkose mor celliert und abge trage n . Die entfernten Geweb em assen wogen 440 g. Bei der ab schließ end en Spekulumeinstellung sa h man gerötete, aber intakte Vaginalwände und eine in der Tiefe durch den Druck des Tumors abg ep latt ete Portio. Der Mutt ermund war durch den Tum orstiel auf Fingerd urchgängi gkeit erweite rt. Die hist ologische Untersuchung erga b ein Ade nos a rkom des Ute rus . Nachde m die Malignität des Tumor s bekannt war, wurd e die abd omin a le Hyster ektomie mit beids eitiger Adnexektomie und die Resekti on eine r 2 cm br eiten Vaginalm ansche tte durchgeführt. Die Exploration der Beckenwänd e erg ab

Geburtsh. u. Fra uenheilk. 52 (1992) 627- 629 © Georg Thieme Verlag Stuttgart . New York

Ade nosa rc oma of th e Ute rus A case of a 67-year old woman with adenosarcoma of the uterus is reported. Adenosarcoma is a mixed mesod ermal tum our with a low ma lignant potential. It is characteris ed by a benign gland ular and a ma lignant str omal component. Adenosarcomas ar e usually treat ed by hysterectomy with bilateral sa lpingo-oophorectomy. Patients with myometrial invasion have an increas ed risk of recurrence. It may be appropriate. to consid er adjuvant chemoth erapy or rad iation treatm ent for these patients .

kein e vergrö ßerten Lymphknoten . Der post oper ati ve Ver lauf war un auffällig. Bei fehl end em Nachweis eine r myometralen Infiltration verzicht eten wir auf eine adjuvante Therapi e. In der bish er einei nhalbjä hrigen Beob achtungsperi ode erga be n sich kein e Anhaltspunkte für ein Tum orrezidiv.

Histolo gie Das in mehreren, insgesamt 440 g schweren Fragm enten eingesandte Exzisat bestand aus einem derb en , fas erigen Gewebe mit zahlreichen. unregelmäß ig geformten. bis 1,5 cm großen zystischen Hohlrä umen . Größer e Nekro sen oder Blutungsh erd e waren keine ersichtlich. Mikroskopisch handelte es sich um ein Tumorgewebe, welches aus zwei deutlich voneinand er abgrenz baren Kompon enten bestand. Zum einen waren es die makroskopisch sichtbaren Zysten und auch zahlreiche kleinere Drüsens chläuche, die von einem einschichtigen Epithel ausg ekleidet wurd en. Dieses Epithel zeigte einen regelmäßi gen Bau und entsprach morpho logisch einem ruh end en Endometr ium. Zum and ern wurden diese Hohlräume von einem spindelzelligen Zwischengewebe a useinandergedrängt, welches häufi g auch polypös in das Zysteninner e vorwuchs . Um die epithelial ausg ekleideten Hohlräum e herum war dieses spindelzellige Gewebe zu sehr zellreichen Mansch etten angeordnet (Abb. 1) und zeigte Kernatypien und vor allem zahlreiche Mitosen (6 bis 15 pro 10 HPF von 0,2 mm -) (Abb. 2). Der Aspekt dieses Sarkoms erinnerte teils an ein Stromasarkom, teils an ein Leiomyosarkom. Heterologes Gewebe wurd e darin nicht gefunden . Die Diagnose lautete auf Adenosarkom des Uteru s.

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D. Passw eg 1, P. Beerl, B. Stamm 2, W seu! 1 Fra uenklinik Kantonsspital Aarau (Chefarzt: Prof.Dr. W. Stoll) 2 Pathologisches Institut Kantonsspital Aarau (Chefa rzt: PD Dr. B. Stamm)

Geburtsh. u. Frauenheilk. 52 (1992)

D. Passweg et al.

Abb. 1 Histologie Adenosarkom, HE-Färbung, ca. 40fache Vergrößerung.

EPITHELIALE TU.KO MPONE NTE

MESENCHYMALE TU .KOMPONENTE

ADE NOFI BRO M

BE NIGNE

BENIGNE

ADENO SAR KO M

BENIGNE

SAR KO M

MALIGNE R MUEL LE R· SCHER MISCHT UMOR

KAR ZIN OM

SARK OM

BIOLOGISCHE WER TIGKE IT

Tab. 1 Einteilung der gemischten mesodermalen Uterustumoren.

Im Uterusamputat konnte die Abtragungsstelle des Tumors im mittl eren Korpusdrittel anhand von Granulationsgewebe und entzündlichem Infiltrat gefun den werd en . Resttumor war keiner mehr vorhanden . Im linken Tubenwinkel fand sich als einziger weiterer Befund ein 1,5 cm großes Adenomyom .

Abb.2 Histologie Adenosarkom, HE-Färbung, ca. 200fache Vergrößerung.

Beim Adenosarkom handelt es sich um eine Neoplasi e aus der Grupp e der gemis cht en mesod ermalen Uteru stumore n, in welchen sich sowohl epitheliales als au ch mesenchymal es Gewebe als aktiv e Kompon ent en am neoplastischen Prozeß beteiligen . Entsprech end ihrer Dignität werd en die gemis cht en mesod ermalen Tumoren in 3 Grupp en eingeteilt (Tab. 1). Beim Adenofibrom ist sowoh l die epitheliale als au ch die mesenchymale Tumorkomponent e benign e. Das hier besprochene niedrig maligne Adenosarkom zeigt eine n benignen epith elialen und einen malign en mesen chymalen Anteil. Klinisch hochmaligne verhält sich der Müllersehe Mischtumor, bei weichem sowohl das Epithel als au ch das Stroma malign e entarte t sind . Das Epithel des Adenosarkoms entspricht meist dem Epithel endometraler Drüsen . Es bedeckt die Tumoroberfläche und kleidet Spalten, Zysten und tubuläre Formationen aus . Die sarkomatöse Kompon ent e entspricht meistens einem Fibrosarkom oder eine m endometrial en Stromasarkom, seltener auch anderen Sarkomen (3 , 5) . Eine leiomyosarkomatös e Kompon ent e, wie bei un serer Patientin beobachtet, ist eher die Ausnahm e. Typisch sind hyperz ellulär e Mansch etten des Tumorstromas um Drüsens chläuche, Zysten und Gefäß e. Heterologes mesench ymales Gewebe wie Knorp el, Knochen , quergestr eifte Muskulatur oder Fett kann vorkommen (4,5) .

Disku ssi on Das Adenosarkom ist selten . Erstmals wurde es 1974 von Clem ent und S cully beschrieben (2). Adenosarkom e tr eten vorwi egend in der Postmenopause auf. Häufige Symptome sind vaginale Blutungen und vermehrter vaginaler Fluor, unsp ezifisch e urologis che Beschwerd en, sowi e Unterleibschme rzen . Das Adenosarkom kann als gestielter Tumor durch den Zervikalkanal in die Vagina prolabi er en oder ab er br eitbasig verankert ins Cavum uteri hinein wa chs en , dieses ausfüll en und die Gebärmutter vergrö ßern . Ein im klein en Becken palpabl er Tumor oder in die Vagina prolabiertes Gewebe sind die häufigsten klinisch en Befund e.

Zur Unterscheidung des Adenosarkoms vom benign en Adenofibrom dient als wichtigstes Kriteri um die Mitosehäufigkeit im Stroma. Eine Mitoserate von 4 Mitosen pro 10 High Power Fields (HPFs) und mehr spricht für das Adenosarkom (5). Hyperz ellularität, Zellpolymorphie und Kernatypien im periglandulären Stroma stützen die histologisch e Diagnos e (3,4) . Es ist wichtig zu wissen , daß eine sicher e Beurteilung nur nach ausgedehnten Gewebeentnahmen aus verschieden en Stellen des Tumors gemacht werd en kann, da unter Umständen nur klein e Areale den sarkomatös en Charakter erkennen lassen. Die Therapie der Wahl des Adenosarkoms des Ute rus ist die abdominale tota le Hyster ektomi e mit beidseitiger Adnexektomi e. Während die Erstb eschreiber

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Geburtsh. u. Frauenh eilk . 52 (1992)

Das Adenosarkom des Uterus

Das Adenosarkom zeigt nur in einer Minderzahl der Fälle einen fatalen Verlauf, so daß die Prognose wesentlich von der des verwandten hochmalignen Müllerschen Mischtumors abweicht (3). Entscheidend er pro gnostischer Faktor dürft e die myometrale Infiltration sein. Für die Prognos e ohn e Bedeutung gilt die Mitoserate des Stromas, das histologische Grading und das Vorhandensein heterologer Tumorelem ente (3,5) . So betrug die Rezidivrate in der größten Fallzusammenstellung mit 100 Patientinnen bei nachgewiesen er Infiltration ins Myometrium 46 %, ohn e Infiltration 12 % (3). Die Rezidive manifestieren sich meist in der Vagina, im kleinen Becken oder im Abdom en. Häufig fehlt im Tumorrezidiv die epitheliale Kompon ent e. Hämatogen e Metastasen wurden beim Adenosarkom im Gegensatz zum malign en Müllerseh en Mischtumor selten geseh en . Da das Adenosarkom häufig erst Jahre nach der Primärbehandlung rezidiviert, sind Nachkontrollen über 5-10 Jahre notw endig . In der Studie von Clement und Scully betrug da s mittler e Intervall bis zum Auftreten des Rezidivs 3,4 Jahre, wob ei ein Drittel der betroffen en Patientinnen ein rezidivfr eies Intervall von über 5 Jahren aufwi es (3). Wenig Erfahrungen liegen bei der Behandlung des Tumorrezidivs vor. Rezidive in der Vagina, im kleinen Becken und im Abdom en werden exzidiert und je nach Situation strahlen- und che mothe rapeutisch weiter behandelt (3).

Literatur 1

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3

4

5

Bak er, T. R., M. S. Piver, S. B. Lele, Y. Tsukada : Stag e 1 uterin e ade nosarco ma: A re port of six cases. Journ al of Surgical Oncology 37 (1988) 128 -132. Cleme nt, P. 8. , R. E. Scully: Mulleri an ad enosarcoma of th e uterus: A clinicopathologic ana lysis of ten cases of a distin ctive type of mullerian mixed tum or. Ca ncer 34 (1974) 1138-1149. Cleme nt, P. B., R. E. Scully: Mullerian ad enosarcoma of th e uteru s: A clinicopathologic a nalysis of 100 cases with a review of the literature. Human Path ology 21 (1990) 363 -381. Czernobilsky, B., P. Hoh lweg-Majert, G. Dallenb ach-Hellweg: Uterine ad en osarcoma : A clinicopath ologic study of 11 cases with a ree valua tion of histologie criteria. Archives of Gynecology 233 (1983) 281- 294 . Zaloud ek, C. J ., H. J . Norris: Ade nofibroma a nd ad en osarcoma of th e uterus: A clinicopathologi c study of 35 cases. Cance r 48 (1981) 354 - 366 .

Dr. med. D. Passweg Frau enklinik Kantonsspital Aarau CI-I -5000 Aara u

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eine adjuvante postoperativ e Radium einlag e em pfahlen (2), wurde in den späteren Arb eiten eine adjuvante Chemotherapie als günstiger beurteilt (1). Der effektive Nutzen ein er zusätzlichen Radio- oder Chemotherapie ist jedoch wegen den klein en Fallzahlen nicht gesich ert, und eine adjuvante Th erapie sollte deshalb nur bei na chgewiesener myometraler Tumorinfiltration in Erwägung gezogen werden (3).

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[Adenosarcoma of the uterus].

A case of a 67-year old woman with adenosarcoma of the uterus is reported. Adenosarcoma is a mixed mesodermal tumour with a low malignant potential. I...
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