Leitthema Med Klin Intensivmed Notfmed 2014 DOI 10.1007/s00063-013-0340-1 Eingegangen: 19. März 2014 Angenommen: 21. März 2014 © Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2014

M. Oppert

In der Vergangenheit wurde eine Schädigung der Nieren, die mit einem akuten Funktionsverlust einherging, als akutes Nierenversagen (ANV) bezeichnet. Konsequenterweise war das ANV durch einen akuten und signifikanten Abfall der glomerulären Filtrationsrate (GFR) charakterisiert, was zu einer Oligo-/Anurie und zum Anstieg harnpflichtiger Substanzen im Blut führte. Häufig war in diesem Zusammenhang auch eine extrakorporale Nierenersatztherapie notwendig. In den letzten Jahren hat sich gezeigt, dass diese enge Sichtweise auf den Funktionsverlust der Nieren, dem eigentlichen Problem nur im Ansatz gerecht wird.

tritt ein AKI heute insbesondere auf Intensivstationen auf und ist dabei häufig Teil des sog. Multiorgandysfunktionssyndroms bei schwerer Sepsis und septischem Schock [4].

Man geht heute davon aus, dass es zu einem kontinuierlichen Verlust der Nierenfunktion kommt und man weiß auch, dass bereits geringgradige Formen der Nierenschädigung erhebliche Konsequenzen für den Patienten haben können [1, 2]. In der angelsächsischen Literatur hat sich daher der Begriff des „acute kidney injury“ (AKI) durchgesetzt. Hier folgt man der Logik (ähnlich wie bei der Lunge: „acute lung injury“), dass es sich um eine akute Schädigung (Verletzung) handelt. Im Folgenden soll daher von AKI gesprochen werden. Die unterschiedlichen Schweregrade werden nach der neuen Klassifikation (. Tab. 1) eingeteilt. Hierbei werden sowohl Serumkreatininwerte als auch Urinvolumina zur Beurteilung herangezogen. Bei kritisch kranken Patienten ist AKI eine häufige und gefürchtete Komplikation, die zu einer erhöhten Sterblichkeit dieser Patienten führt [3]. In der Tat

Klinik für Notfall- und internistische Intensivmedizin, Klinikum Ernst von Bergmann, Potsdam

Akute Nierenschädigung und Sepsis

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Bei kritisch Kranken ist „acute kidney injury“ eine häufige Komplikation Umgekehrt ist allerdings das Auftreten eines nichtseptischen AKI ein erheblicher Risikofaktor für eine systemisch verlaufende Infektion [5]. Es wurde gezeigt, dass bis zu 40% der Patienten mit AKI im weiteren Verlauf eine septische Komplikation entwickeln. Offenbar scheint die geschädigte Niere erhebliche Auswirkungen auf andere Organe zu haben [6]. Insofern ist die Niere nicht nur Opfer eines komplexen Inflammationssyndroms, sondern kann auch Täter sein und selbiges auslösen. Die schwere Sepsis und der septische Schock sind die häufigsten Todesursachen auf nichtkardiologischen Intensivstationen und sind per se mit einer Sterblichkeit von über 50% behaftet [7]. Die Kombination aus schwerer Sepsis und ANV kann die Sterblichkeit auf über 70% erhöhen [3]. Pathophysiologisch ist ein AKI im Rahmen der schweren Sepsis und des septischen Schocks durch verschiedene (teilweise gegenläufige) Mechanismen gekennzeichnet. Die Hämodynamik im septischen Shock ist durch eine ausgeprägte systemische Vasodilatation gekennzeichnet. Dies kann in der Niere zu ausgeprägten Veränderungen der intrarenalen Autoregulation führen. Präglome-

ruläre Vasokonstriktion führt zu einem Abfall des Filtrationsdrucks im Glomerulum und konsekutiv zu einer reduzierten GFR. Ob es sich dabei aufgrund des reduzierten Sauerstoffverbrauchs der metabolisch hochaktiven Tubuluszellen um einen protektiven Effekt handelt, ist unklar. Das Konzept der gestörten intrarenalen Autoregulation mit konsekutivem ischämischen ANV ist in jüngerer Vergangenheit in Frage gestellt worden [8]. In der Tat scheint der globale renale und medulläre Blutfluss nicht immer vermindert zu sein. Der Einfluss des AKI auf das Outcome bei Patienten mit schwerer Sepsis und septischem Schock wurde in der Vergangenheit untersucht [9]. Die Prävalenz eines AKI lag bei etwa 42% aller septischen Patienten oder bei etwa 4,3% aller Patienten auf der Intensivstation. Die Liegedauer im Krankenhaus wurde durch das Auftreten eines AKI im Median um 8 Tage signifikant verlängert. Die Sterblichkeit und der Acute-physiology-and-chronic-healthevaluation(APACHE)-II-Score war bei den Patienten mit AKI deutlich und signifikant höher als bei Patienten ohne AKI (67,3% vs. 42,8%; p10% des Körpergewichts) mit einer signifikanten Mortalitätssteigerung der Patienten korreliert und es Hinweise gibt, dass die Erholung der Nierenfunktion unter kontinuierlichen Verfahren besser sein kann [21], ist zumindest für die initiale Phase der schweren Sepsis eine kontinuierliche Therapie zu bevorzugen. Nach Stabilisierung ist ein Wechsel auf ein intermittierendes Verfahren jedoch zweifelsohne gerechtfertigt.

Dosierung bei Sepsis

Ähnlich wie zur Modalität ist auch die Datenlage zur zu verabreichenden Dialyse-/Filtrationsdosis sehr uneinheitlich, obwohl es gerade aus der jüngeren Vergangenheit hierzu einige gute prospektive Studien gibt [22, 23]. Eine Steigerung der Dosis des extrakorporalen Verfahrens war nicht mit einer Reduktion der Sterblichkeit verbunden. Diese Studien sind allerding nicht ausschließlich an septischen Patienten durchgeführt worden. Auch wurde die Dosis im Laufe des Krankheitsbilds nicht verändert. Eine Anpassung an die Dynamik der Erkrankung fand also kaum statt. In einer Arbeit wurde allerdings bei septischen Patienten eine tendenzielle Reduktion der Mortalität bei höheren Filtratvolumina gesehen [23]. Eine Therapie mit ultrahohen Filtratvolumina (>60 ml/kgKG) ist nicht von Vorteil [24].

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Zusammenfassung Beim septischen AKI handelt es sich um ein häufiges Problem mit einem erheblichen Einfluss auf das Outcome der Patienten. Die Sterblichkeit ist im Vergleich zu Patienten ohne AKI nahezu verdoppelt. Die Vorstellung, dass ein AKI durch extrakorporale Therapie einfach überbrückt werden kann, ist falsch. Daher ist eine frühe Therapie zur Optimierung der Hämodynamik sowie Infektsanierung essenziell. Die Wahl der extrakorporalen Therapie richtet sich nach den lokalen Gegebenheiten, sollte aber optimalerweise sowohl intermittierende als auch kontinuierliche Verfahren beinhalten.

Fazit für die Praxis F AKI hat eine erhebliche Bedeutung für Patienten mit schwerer Sepsis mit deutlich gesteigerter Sterblichkeit. Auch haben Patienten mit AKI ein erhöhtes Risiko, an einer Sepsis zu erkranken. Bei Patienten mit Sepsis und AKI steht die frühe Herdsanierung und Kreislaufstabilisierung im Vordergrund. F Eine extrakorporale Therapie kann grundsätzlich sowohl kontinuierlich als auch intermittierend erfolgen. In

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der Praxis hat sich eine kontinuierliche Form bei hämodynamisch instabilen Patienten bewährt. Die Therapie sollte frühzeitig, auf jeden Fall vor dem Auftreten von Komplikationen, begonnen werden. F Eine Dosis von mindestens 20 ml/ kgKG Filtratvolumen sollte verabreicht werden. Dafür ist eine verschriebene Dosis von mindestens 25 ml/kgKG notwendig.

Korrespondenzadresse PD Dr. M. Oppert Klinik für Notfall- und internistische Intensivmedizin, Klinikum Ernst von Bergmann Charlottenstr. 72, 14467 Potsdam [email protected]

Einhaltung ethischer Richtlinien Interessenkonflikt.  M. Oppert gibt an, dass kein Interessenkonflikt besteht. Dieser Beitrag beinhaltet keine Studien an Menschen oder Tieren.

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[Acute kidney injury and sepsis].

Acute kidney injury (AKI) is an important organ failure, which has an enormous negative impact on outcome in patients with severe sepsis...
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