Bild und Fall Chirurg 2014 DOI 10.1007/s00104-014-2757-3 © Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2014

N. El-Sourani · A. Lenz · A. Troja · H.-R. Raab · D. Antolovic Universitätsklinik für Allgemein- und Viszeralchirurgie, Klinikum Oldenburg, Oldenburg

Akutes Abdomen: hervorgerufen durch eine seltene Ursache Anamnese, klinischer Befund und Diagnostik Anamnese Eine 36-jährige Patientin Primigravida stellte sich in der 25. Schwangerschaftswoche (SSW) mit Schmerzen periumbilikal sowie im Unterbauch in der Klinik für Gynäkologie vor. Die initiale gynäkologische Untersuchung war unauffällig. Insbesondere die durchgeführte Kardiotokographie (CTG) und Sonographie wiesen keine Pathologien auf. Es erfolgte die Vorstellung der Patientin in unserer Universitätsklinik für Allgemein- und Viszeralchirurgie zum Ausschluss einer Appendizitis. Bis zur ursprünglichen Vorstellung war der Schwangerschaftsverlauf unauffällig. In der Eigenanamnese fand sich lediglich eine Varizenoperation.

Diagnostik Laborchemische Untersuchung.  Leukozyten 13,4 Tsd/l; CRP 3 mg/dl, Hämoglobin 8,5 mg/dl; die weiteren Laborparameter waren normwertig. Abdomensonographie.  Hier zeigte sich keine appendizitistypische Kokarde. Notiert wurde deutlich freie Flüssigkeit perihepatisch, perisplenisch, beidseits parakolisch sowie interenterisch. Die freie Flüssigkeit war zum Teil echoreich und zeigte bewegliche Binnenechos. Der Befund sprach am ehesten für eine intraabdominelle Blutung (. Abb. 1).

Diagnose, Beschreibung von Therapie und Verlauf Therapie Bei akutem Abdomen mit hochgradigem Verdacht auf eine intraabdominelle Blutung führten wir eine explorative Laparotomie durch.

Klinischer Befund Bei der klinischen Untersuchung zeigte sich eine Patientin in gutem Allgemeinzustand mit Schmerzen periumbilikal mit Ausstrahlung in den Unterbauch. Das Abdomen war weich, ohne Abwehrspannung mit Punctum maximum im linken Unterbauch sowie suprasymphysär. Psoas-Zeichen (−), Lanz und McBurny (+). Die weitere klinische Untersuchung war unauffällig.

Abb. 1 9 Abdomensonographie: dargestellt ist freie Flüssigkeit perihepatisch



D Wie lautet Ihre Diagnose? Der Chirurg 2014 

| 1

Bild und Fall

»

Diagnose: Deziduose

Histologie Bei der Probeentnahme der Beckenwand links sowie des Ovars links handelte es sich jeweils um Deziduose. Es ergab sich kein Anhalt für Malignität. Mikroskopisch wurden Stromaanteile mit einer dezidualen Reaktion beschrieben (. Abb. 2).

Verlauf Bei sonographischem Verdacht auf eine intraabdominelle Blutung wurde die Indikation zur Operation gestellt. In der präoperativen laborchemischen Kontrolle zeigte sich ein Hb-Abfall auf 7,3 und konsekutiv auf 5,2 mg/dl. In Anbetracht der akuten Situation und kreislaufinstabilen Patientin erfolgte eine explorative Laparotomie im Sinne einer Unterbauchlängslaparotomie. Intraoperativ zeigte sich ausgedehnt Blut intraperitoneal. Die Blutungsquelle fand sich im linken Becken. Hier zeigte sich aus der linken Beckenwand eine arterielle Blutung aus einem arodierten Bereich. Die Blutungsquelle wurde umstochen. In der weiteren Exploration des Situs zeigten sich mehrere Herde im Bereich der linken Beckenwand und am linken Ovar. Proben wurden zur histologischen Gewinnung entnommen. Eine Appendizitis konnte ausgeschlossen werden. Nach Beherrschung der Blutung erfolgte anschließend eine uterine Sonographie mit Darstellung einer normofrequenten kindlichen Herzaktion.

Postoperativ erfolgte die weitere Versorgung der Patientin auf der chirurgischen Intensivstation. Ein anschließendes postoperatives CTG wies einen hochgradig pathologischen Verlauf der fetalen Herzfrequenz auf. Es wurde die Indikation zur Notfall-Sectio gestellt. Beide Patienten haben den Eingriff gut überstanden. Das Neugeborene gelangte zur weiteren Versorgung auf die Neointensivstation. Am 1. postoperativen Tag wurde eine Abdomensonographie als Verlaufskontrolle durchgeführt. Hier zeigten sich geringe Mengen an freier Flüssigkeit. Der Allgemeinzustand der Patientin verbesserte sich deutlich. Der Hämoglobinwert stabilisierte sich. Der weitere stationäre Verlauf der Patientin war unauffällig. Sie wurde am 2. postoperativen Tag zur weiteren Betreuung auf die periphere Station verlegt.

Hintergrundinformation Die Deziduose ist eine schwangerschaftsassoziierte Stromareaktion. Walker beschrieb das Auftreten ektoper Dezidua erstmals in 1887 [1]. Die schwangerschaftsassozierte Deziduose ist eine benigne, meist selbstlimitierende Läsion. Das früheste Auftreten einer solchen Reaktion in der Schwangerschaft wurde in der 9. SSW beobachtet und betraf das Ovar. Gegen Ende der Schwangerschaft kommt es zur Regression. Die Ursache der ektopen Deziduose ist bislang nicht endgültig geklärt. Zaystev et al. [2] suggerieren eine vermehrte Reaktion des Endometriums auf Progesteron. Uterus und Adnexe sind am häufigsten betroffen [3]. Selten sind das Peritoneum, die Becken-

wand, die Appendix oder Dünn- und Dickdarm betroffen [4]. Gewöhnlich handelt es sich um subserös lokalisierte zum Teil knötchenförmige Reaktionen, die von einer bestimmten Größenordnung an auch makroskopisch als weiße Knötchen des Peritoneums imponieren. In der Regel bleibt die Deziduose asymptomatisch. In Einzelfällen kommt es zu organspezifischen Symptomen wie Ileus, appendizitistypische Beschwerden bis hin zu einem akuten Abdomen und intraabdomineller Blutung [4, 5]. Aufgrund der unspezifischen Symptomatik ist eine präoperative Diagnose nicht möglich und bleibt letztendlich eine Ausschlussdiagnose, die nur histologisch und immunohistochemisch nachgewiesen werden kann. Die Therapie besteht in der vollständigen Entfernung der Herde [5].

Fazit für die Praxis Wir berichten über eine 36-jährige Patientin, die sich in der 25. SSW mit einem akuten Abdomen vorstellte. Intraoperativ zeigte sich das Bild einer Deziduose, welche sich histopathologisch bestätigte. Die Deziduose ist eine benigne, meist selbstlimitierende schwangerschaftsassozierte Stromareaktion. Die Ursache ist bis heute ungeklärt. In der Regel bleibt die Deziduose asymptomatisch. In Einzelfällen kommt es zu organspezifischen Symptomen. Die Deziduose bleibt letztendlich eine Ausschlussdiagnose die nur histologisch nachgewiesen kann. Die Therapie besteht in der vollständigen Entfernung der Herde.

Korrespondenzadresse N. El-Sourani Universitätsklinik für Allgemeinund Viszeralchirurgie, Klinikum Oldenburg, Rahel-Straus-Str. 10, 26133 Oldenburg [email protected]

Interessenkonflikt.  N. El-Sourani, A. Lenz, A. Troja, H.-R. Raab und D. Antolovic geben an, dass kein Interessenkonflikt besteht.

Abb. 2 9 Histologie: Dezidual veränderte Zellen

2 | 

Der Chirurg 2014

Literatur 1. Walker A (1887) Der Bau der Eihaeute bei Graviditatis abdominalis. Virchows Arch Path Anat 197:72–99 2. Zaytsev P et al (1987) Pregnancy-associated ectopic decidua. Am J Surg Pathol 11:526–530 3. Shukla S, Pujani M, Singh SK (2008) Ectopic decidual reaction mimicking peritoneal tubercles: a report of three cases. Indian J Pathol Microbiol 51:519–520 4. Lesaffer J, Feryn T, Proot L (2009) Pregnancy-associated ectopic decidua of the appendix. Acta Chir Belg 109:93–94 5. Janssen P, Herrmanns B, Schelling M et al (2006) Deciduosis – a rare but life-threatening complication of pregnancy. Geburtshilfe Frauenheilkd 66:774–777

Der Chirurg 2014 

| 3

[Acute abdomen: induced by a rare cause].

[Acute abdomen: induced by a rare cause]. - PDF Download Free
245KB Sizes 4 Downloads 3 Views