Klinische Einzelbeobachtungen Ein 48 kg schweres retroperitoneales Riesenlipom J. Zander.M. llinrichsen L Un iversit äts-Fr auen klin i k M ünchen

Beschreibung e ines 48 kg sc hwere n ret roperitoneal en , zum Teil ver ka lkte n Lipom s bei e ine r 57jährigen Patien tin . Info lge der langj ähri gen Dru cke rsc he inunge n entw ickelte sic h postop erativ e ine chro nisch e dia lysepfli ch üge Nie re nins uffizienz. He trop eriton ea l Gia nt Lipoma We igh ing48 kg Report on a woman pati ent of 57 yea rs of age ha ving a n retroperitoneal partly ca lcificd lipoma we igh ing 48 kg. Ch ron ic renal ins ufficie ncy developed postop er at ively as a result oft he pr olonged pr essure.

Extre m große intra abdomin al e Gesch wül ste waren bis in die erste n J ahrzehnte dieses Jahrhunde rts kein e Seltenheit. So em pfiehlt ß. S. Sch ultze in Jena Ende des ve rgange ne n Jahrhund erts (1893) zur Erleichte r ung der Entfern ung von üb ergroßen Myo me n od er Ova ria ltum ore n die Reverd insch e Vor ric htung (9) . Dabei hand elte es sich um ei ne Sta hlza nge , welc he über e ine r Kette a n e ine r Holle befestigt war. Diese Rolle lie f üb er Schiene n a n de r Decke des Operation ssaales und ließ sic h do rt mit dem a ufgehä ng ten Tum or hin - und herbewegen . G. Döderlein fand diese Sch iene an der Decke des Operationssa ales noch 1946 he i der Übe rna hme de r J en aer Fra ue nklinik (3). Heute sie ht man intra abd omin a le Riesen gesc hw ülste nur noch se lten . Im folgenden w ird über e ine Beob ach tun g a us der letzte n Zeit bericht et. Klin ische r Verlau f Etwa m it 44 Jahren fiel der Patientin mit ein em Nor ma lgew icht von 60 kg erstma ls eine Gew ichtszuna hme von 15 kg a uf. Seitde m beob a chtete s ie e ine stä ndige Zuna h me des Le ibesumfan gs mit e ine m Anstieg des Körpergewi chts bis a uf 16 5 kg. Ihre kö rp erlich e Beweglichkeit war infolged essen extrem eingesc hrä nkt. Zuletzt wa r

Geburtsh. u. Frauenheilk. 50 (1990) 223 -226 © Georg Th iem e Verlag Stuttga rt . New York

es der inzwis chen 57jährigen Patien tin nur noch mit der grö ßten Ans treng ung möglich , das Bett zu verlasse n und e inige Schrille durch die Wohnung zu ge he n. Bemühungen von se ite n der nä chsten Ange hö rigen. die Patientin zur Kon sultation eines Arz tes zu bewegen , wa re n erfolglos . Ers t 2 J ah re vor der Aufna hme in d ie Klinik gela ng es ihr erstmals, die beste henden Ängste zu üb erwin den und mit eine m Arzt Kontakt a ufzune hme n. Nac h ihrer Darstellun g er hielt sie a llerdings vo n diesem im wesentliche n heft ige Vorwürfe wegen ihrer Indol en z. Er habe ihre Zurec hnungs fä higke it in Frage ges te llt und er hebliche Bedenken geäuße rt, ob ihr noch zu helfen se i. Eine we ite re Unte rs uchung se i nicht erfolgt. Diese Begegnung hinterließ bei der Palien tin eine n de ra rt negativen Eind r uck, daß s ich die an sic h schon besteh ende Veruns iche r ung und Abne igung gege nüber medi zin isch er Hilfe we ite r verstä r kte . Sie le hnte je den we iteren Kontakt mit e ine m Arzt a b und beschl oß, sic h m it de r gege be ne n Situation a bz ufinde n und die Konsequ en zen darau s zu tr a gen . Nu r unt er größte n Schw ierigkeite n gela ng es den näch st en Ange hö rigen sc hließlich do ch , die Pat ientin im Augus t 1982 zur Aufna hme in un sere Klinik zu bew egen . In Kenn tni s der Vorgesc h ichte wa r un ser Bemü hen zunäc hst da ra uf geric htet, e ine n ve rstä nd nisvo llen persönli ch en Kontakt mit de r höchst se ns iblen und überau s verä ngs tigte n Pati entin herzu stellen . Trotz der un förmigen Leib esfü lle w irk te die 163 cm grn ße und 165 kg sc hwe re Pat ienlin be i der Aufnahm e körpe rlich se h r ge pflegt, Der Leibesumfan g hetrug 190 cm . Unmitte lba r un ter der ex tre m ges pa nnte n Haut ta stet e man die glatte Oberfl ä ch e e ines riesigen intra a bdomin alen Tumor s von derber Kons iste nz. Der Tumor wa r mäß ig, aber deutl ich mohil. Die vag ina le Unte rs uc hung e rga b e ine unauffäl lige Portio . Die Pati entin ko nnte nur in Seite nlage im Bett liegen . Sie lag praktisc h neb en ihre m Tumor. Zum Aufste he n hatt e s ie eine Techni k en twickelt, sich aus dem Bett herau szurollen . Unte r ha lb des Tumors hatt e sich eine riesige Fettsc hürze e ntw ickelt. welch e im Ste he n mit dem Tumo r die Knie der Pati en tin er reic hte (Abb. I). Sä mtliche vita len Fu nktione n wa re n au ffallend we nig beeinträ chti gt. Die Ba uchdecken w iese n, ebe nso w ie die un teren Extre mitä ten , fingerdicke Gefäß e a uf. Gleich zeitig bestand eine ext re me Üdcmbildu ng in bci-

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Zusammenfassung

Gebur lsh. u. Frauenheilk. 50 (1990)

J. Zander. M. lIinrichsen

Der Eingr ilT er folgte am 13. Augus t 1982 nach einem ge meinsa me n präoperativen Konsilium der beteiligten Fachgebiete in Gegenwart des Internist en. weiche r die Patientin präope rativ betreut hatte. ge me insam mit den Chirurge n. Ein Urologe wa r über die Situation gen au informiert und befan d sich in Rufber eitschaft . Der Leib wurde durch Längsschnitt eröffnet. Uterus. Tuben und Ovarien wa ren unauffällig. Der

Tumor ging vom rechten Retroperiton ealraum aus. Er hatte den gesamten Darm in den Oberbauch verdrängt. Zökum und Appendix waren mit dem kranialen Pol des Tumors ve rwachse n. De r rechtsse itige Ureter war durch den Tumor weit über die Mittellinie hinau s na ch links verdrängt . Das Peritoneum . an de r dem Abdom inalraum zuge wa ndten Seite. wa r extrem fihrotisch ve rdickt und derb mit der Tumorwand verwachsen. Bei dem Versuch. hier die richtige Schic ht zw ischen Tumorwand und Peritoneu m da rzustellen. wurde das Zökum e rölTnet. Nach Darstellung der Schichte n wurd e der Tumo r Zug um Zug in toto aus seine r Umgebung freipräp ariert . Eine vollstä ndige Freiprä pa ration der rechtsseitigen Beckeng efäß e sowie des Ureters wa r dazu in de r unmi ttelb aren Tumornähe e rforder lich. Der Tumor (Abb. 2 a) hatte ein Gewicht von 48 kg und einen maxima len Durchm esser von 60 cm. Nach Versorgung des Zökums. Appendekto mie un d beidseitiger Adne kto mie wurde der riesige . überdehnt e Peritonealanteil reseziert und das Abdomen verschlossen. Auf eine zusätzliche Bau chd eckenpl astik wurde verzichtet. Sie sollte in einem zwe iten Eingriff erfolgen. Abb. l Die 163 cmgroße und165 kgschwerePatientirrmiteinem Leibesumfang von 190 cm.

den Bein en so wie im Bereich der Fettschürze des Hängebau chs. Beiderseits best anden im Bereich der Untersc henkel mit Sorgfa lt gep flegte Ulcera cru ris. Die klinisch-chemischen Parameter ergaben Hinwei se auf eine chronisc he Niereninsuffizienz mit Erhöh un g der harnpflichtigen Substanzen . eine r Harnstoflkonzentrati on von 28 mg % und einem Kreatininwert von 3.6 mg %.

Röntgenologische Unte rsuchungen des Abdom ens waren, ebe nso wie eine Computertomographie. tech nisch n icht möglich . Sonographisch ergab en sich Hinweise für e ine etwa 20 cm breite so lide Tumorwand, auß erdem für eine polyzystische rechte Niere. Sicher e lli nweis e für eine Stauung de r Kelchsysteme waren nicht gegeb en . Differentialdia gnostisch sta nd ein solider Tumor. ausge he nd vom inneren Genitalbe reic h ode r ein ret roper ito nealer Thmo r zu r Diskussion. Da in jede m Fall die Ind ikati on zur ope rative n Beh andlung gegeben war. wu rde bewu ßt a uf wei te re forcie rte diagn ostische Maßna hmen ve rzichtet. Die Patie ntin wu rde vo n gynäko logischer. intern istisch er und anäs thes iologische r Se ite, aber auch in psyc ho logisc he r Hinsicht sorgfaltig auf den Eing riff vorbereitet. Ihr ei nmal gewo nne nes Vertrauen konnt e voll erhalten we rde n.

Der Eingr iff nahm 5 Stunden in Ans pruch. Der Kreislauf der Patientin blieb bis zur Entfernung des Tumo rs bei Blutdruckwerten um systo lisch 140 ± 20 mmHg und diastolisch 80 ± 10 mmllg und eine m Puls um 100 /min stabil. In dir ektem Zusa mme nha ng mit der Verminderung des intraabdomin alen Druckes unmittelb ar nach Entfern ung des Thmo rs flel der systolis che Blutdruck ku rzfristig auf 70 mmHg a b. gefolgt von einem Pulsa nstieg bis auf 135/mi n. Unte r Volumene rsatz normalisierte er sich im Ve rlauf der nächsten 60 Minuten. Der postoperative Verlauf wa r komplikationslos un d die Palientin erholte sich schnell. Das Körp er gewicht lag nunmehr bei 115 kg und beträgt 7 Jahr e später 10 2.5 kg. Zur Halterung der Bauchd ecken mit der noch best eh enden Fettschürze und zur Verengung des extrem e rweiterten intraabd ominale n Raums wurde ein Spezialkorsett angemessen . Die Ödem e der unteren Extremität en bildeten sich zurüc k und die Ulcera cru ris heilten bald a b. Die vollstä ndig e Mobilisie rung der Patienlin e rfolgte oh ne Schwierigkeiten . Sie verrichtete schon wenige Wochen nach dem Eingriff mühe los ihre täglichen Hausarbeiten und führte ein geregeltes Leb en mit tägliche n Spa ziergä ngen . Die Termine zur ärztlichen Nachunt ersu chu ng nahm sie mit Sorgfa lt wa hr. Eine Bauchdecke nplastik wur de nicht me hr von ihr gewünscht. Die bereits präoperativ vorliege nde Nieren insuffizien z nahm postope rativ zu. Bei inzw ischen linksseitiger Schrumpfnie re und hydroneph rotischer Schrumpfniere recht s lage n die harnpflichtigen Substa nze n bei eine m Harnstoff-Nswert von 88 .5 mg % und eine r Kreatininko nzentration von 7.6 mg %. Auf die Entlas tung

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Ein 48 kg schweres retroperitoneaies Riesenlipom

Abb. 2 a Der48 kgschwereTumor wies einenmaximalen Durchmesser von 6Ocmauf.

Abb. 2 b Dergeöffnete Tumor zeigt ausgedehnteverkalkteStrukturenund einezentraleHöhlenbildungmit einemDurchmesservon 30 cm.

des gestauten rechten Kelchsystems durch eine Ureterfistel wurde, dem Wunsch der Patientin entsprec hend, wegen der weitgeh end vorgeschädigten rechten Niere verzichtet. Seit Dezem ber 19 85 besteht eine terminale dialysepflichtige Niere ninsuffizienz. Zur Zeit ist der Allgemeinzustand unter regelm äßig er Hämodialyse zufried en stellend .

sa m gemacht word en (1, 2, 4- 8, 11). Eine postoperat ive Intensi vüberwachun g wird über zumindes t 24 Stund en empfohlen.

Infolge von massiven Verk alkungen mußte der entfernte Tumor mit Hilfe eine r Säge eröffne t we rde n. Er wies eine zentra le Höhlenbildung mit eine m Durchm esse r von 30 cm auf (Abb. 2 b). Im Tumor fand en sich diffuse röhrenknochenartige verkalkte Strukture n. Mikroskopisc h handelte es sich um eine Lipombildung mit unterschied lich dicht vas kularisierte m Fettgewebe und ausge dehnten Verkalkung en, umgeb en von eine r fibrotis chen Kapsel, ohne Zeiche n der Malignit ät. Diskussion Bei den im gynä kologische n Schrifttum besch riebene n intraabdominalen Riesengeschwül sten handelt es sich meist um Ovarialtumoren. Sie konnten früh er ein groteskes Ausmaß annehm en . So wurde zum Beispiel 1905 (10) über die Entfern ung eines Ovari altumors mit einem Gewicht von 32 6 Pfund (US pounds) und ein Jahr spä te r (12) über die Exstirpation eines 107 kg schweren Ovaria lkystoms berichtet. Beide Patientinnen überlebten damals den Eingriff. E. K ehr er (8) stellte 192 9 100 Ovarialkystom e mit eine m Gewicht über 25 kg zusa mmen. Noch 1954 wurde über eine n 184 Pfund (US pounds) schweren Ovar ialtumor beri chtet (4) . Im Schrifttum der letzten 15 Jahre konnten wir nur noch vereinzelt Mitteilun gen über Tumor en mit einem Gewicht über 25 kg finden (1, 2, 5,6, 7, 11). Daß die präop erative Diagnos e vor allem bei soliden Riesentumoren auf Schwierigkeiten stoß en kann, zeigt die hier beschri eb ene Beobachtung. Die endgültige Diagnose kann dann nur intraoperativ erfolgen. An die Möglichkeit eines retroperito neal gelegene n Tumors muß gedacht we rde n. Auf intraop erative Komplikation en von seiten des Herz-Kreislauf-Systems ist imm er wieder aufmerk-

Wichtig ersc heint un s heute bei intraabdominalen Riesentumoren vor allem die sorgfaltige Planung des not wendi gen operativen Eingriffs aufi nte rdisziplinä rer Grundl age, damit allen möglichen Komplikationen unter optima len Bedingungen und mit notwendi ger Sachkenntnis und Erfahrung unmittelbar begegnet werden kann. Nur dann ist die größtmögliche Siche rheit für die Pati entin gewährleistet. Unsere Beobachtung bietet Gelegenheit, über den außero rdentliche n Leidenswert der mit eine r chro nische n Erkrankung nicht selten verbunden en Ängste nachzud enken . Gerade der gemeinhin als indolent bezeichnete Patient , der sich in der Regel seines eigene n Ver schuldens für die Verzögerung der Behandlung seiner Erkrankun g durchaus bewußt ist, kann schließlich in eine fast au sweglose und gänzlich isolierte Leidenssituation gerate n. Er bedarf eines gan z besonderen Verständnisses von ärztlicher Seite. Nur dann sind die Vorau ssetzungen für eine wirksame Hilfe gegeben. Im anderen Fall besteht die Gefahr, daß durch weite re Verzögerung der notw endi gen Behandlung zusätzlicher Schaden entste ht. Liter at ur I

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Gebur tsh. u. Frauenheilk. 50 (1990) 225

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[A 48 kg retroperitoneal giant lipoma].

Report on a woman patient of 57 years of age having an retroperitoneal partly calcified lipoma weighing 48 kg. Chronic renal insufficiency developed p...
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