▶  Abb. 2a, b). Im Rahmen des Stabcl-2 ( ● gings mit MRT-Kopf/Hals, Sonografie-Abdomen, Röntgen-Thorax, Liquorpunktion und Knochenmarksbiopsie konnten keine weiteren lymphomsuspekten Areale detektiert werden. Nach exakter Typisierung des Burkitt-Lymphoms wurde der junge Patient in das Kindertumorregister in Kiel aufgenommen. Er erhielt gemäß Protokoll „NHL-BFM Registry 2012 Risikogruppe R2“ den ersten Zyklus Chemotherapie mit Vincristin, Cytarabin, Etoposid, Methotrexat und Ifosfamid, welche von dem Patienten bis auf leichte Bauchschmerzen bei erhöhten Transaminasen und rezidivierenden subfebrilen Temperaturen zunächst gut vertragen wurde. Nach dem 3. Block von insgesamt 4 Zyklen der Chemotherapie kam es zu einer afebrilen, schweren Neutropenie (Zahl der neutrophilen Granulozyten unter 500 Zellen/µl) mit folgender, passagerer Aufnahme auf die kinderonkologische Sta­ tion. Zu diesem Zeitpunkt war der Lokalbefund des Burkitt-Lymphoms im Nasopharynx bereits stark rückläufig. Die weiterführende Behandlung und Nachsorge nach Abschluss der 4 Chemotherapiezyklen erfolgte in der Spezialsprechstunde der pädiatrischen Onkologie des Universitätsklinikums Leipzig, wobei regelmäßige HNO-ärztliche sowie bildmorphologische Kontrollen (MRT nach 3 Monaten, s. ●  ▶  Abb. 3a, b) durchgeführt wurden. Zum Ausschluss eines Residualbefunds fand eine Biopsie am 05.07.2013 statt, in der sich erfreulicherweise kein Tumorrest im Nasopharynx nachweisen lies (s. In­spektionsbefund ●  ▶  Abb. 4a, b).

Unklare Raumforderung im Nasopharynx bei einem 4-jährigen Jungen Epikrise



Aufgrund rezidivierender Infekte mit Rhonchopathie und nächtlichen Atemaussetzern sowie deutlich vergrößerten Adenoiden war bei einem 4-jährigen, deutschstämmigen Jungen eine ambulante Adenotomie in einem externen Krankenhaus geplant worden. Vor der Operation verschlechterte sich der Allgemeinzustand des Kindes aber zunehmend. Es litt unter Lethargie und Appetit­ losigkeit. Daher erfolgte die Überweisung in die pädiatrische Ambulanz des Uniklinikums Leipzig mit konsiliarischer Vorstellung in der HNO. In der Anamnese des jungen Patienten konnte bei alters­ entsprechender Entwicklung eine bekannte Neurodermitis an typischen Stellen und ein Zustand nach anämischer Erythroblastopenie bei rezidivierenden Virusinfektionen mit konsekutiver sta­ tionärer Behandlung und Ausschluss einer malignen Systemerkrankung vor 3 Jahren eruiert werden.

Diagnostik und Therapie



Im Rahmen der klinischen Erstuntersuchung (02/2013) zeigte sich der afebrile, kreislaufstabile Junge (Temperatur 37 °C) in stark reduziertem Allgemein- und Ernährungszustand. Das Gewicht betrug lediglich 11,8 kg bei einer Körpergröße von 97 cm. Es bestanden deutliche Zeichen einer Dehydratation mit halonierten Augen, trockenen Schleimhäuten und ­stehenden Hautfalten. Endoskopisch zeigte sich eine sehr große Raumforderung des Nasenrachens mit vollständiger Verlegung sowie zusätzlicher Vorwölbung des Weichgaumens. Es imponierten deutliche zervikale sowie nuchale Lymphknotenschwellungen. Es erfolgte die stationäre Aufnahme des Kindes zur Rehydratation und prophylaktischen intravenösen Antibiotikagabe mit Cefuroxim 500 mg (1-0-1). In der laborchemischen Aufnahmediagnostik ergaben sich im Differenzialblutbild keine Normabweichungen bei zudem unauffälliger serologischer Untersuchung ohne Nachweis von CMV, EBV, Hepatitis A/B, Hbs-Antigen und HBV-Antikörpern. Bei

mangelnder Regredienz des nasopharyngealen Befunds und weiterer Verschlechterung des Allgemeinzustands erfolgte eine MRT-Untersuchung in Allgemeinanästhesie zur Ausdehnungsbestimmung der unklaren Raumforderung. Die MRT validierte einen großen tumorösen Prozess im linksseitigen Nasopharynx (6,8 × 3,3 cm) mit Mittellinienüberschreitung, Kontakt zum Zungengrund und parapharyngealer Ausdehnung. Es bestand eine partielle Ummauerung der Arteria carotis interna links, eine Verdrängung der Glandula parotis nach ventral sowie ein Kontakt zur Schädelbasis ohne Infil­ ▶  Abb. 1a, b). tration ( ● Am gleichen Tag wurde die Probenentnahme in Intubationsnarkose durchgeführt. Bereits im Schnellschnitt bestand bei atypischen, lymphoiden Infiltraten mit deutlicher Pleomorphie, multiplen Mitosen und Apoptosen der dringende Verdacht auf ein aggressives Non-Hodgkin-­ Lymphom der B-Zellreihe. In der weiterführenden ­ immunhistochemischen Untersuchung sowie in der referenzpathologischen Begutachtung bestätigte sich der Verdacht auf ein Non-HodgkinLymphom, speziell vom Burkitt-Typ. Hierfür typisch waren eine kräftige Expression des B-Zell-Antigens CD20, bei Negativität von terminaler Deoxynucleotidyl-Transferase (TdT) und nur schwacher Positivität des Zellzyklusproteins a

b

Abb. 1  MRT-Kontrastmittelaufnahmen des ausgedehnten tumorösen Prozesses vor Chemotherapiebeginn in sagittaler und axialer Darstellung. a T1 fettgesättigt nach KM sagittal. b T2 fettgesättigt nach KM axial.

Pirlich M et al. Unklare Raumforderung im Nasopharynx …  Laryngo-Rhino-Otol 2015; 94: 102–104 ∙ DOI  10.1055/s-0034-1394393

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102 Der interessante Fall

a

b

Abb. 2  Histologische Darstellung des B-Zell-Non-Hodgkin-Lyphoms. a CD20 (100-fache Vergrößerung): Kräftige Expression für den B-Zellmarker CD20 bei Negativität für TdT, schwacher Positivität für bcl-2 und Koexpres­sion von CD10. b H&E (10-fache Vergrößerung): Dichtes, atypisches, pleomorphes, blastäres Infiltrat mit reichlich Kerntrümmermakrophagen und intraepithelialen Tumorzellnestern. a

b

Abb. 3  MRT-Kontrastmittelaufnahmen nach 4 Zyklen Chemotherapie in sagittaler und axialer Darstellung ohne Tumornachweis naso- und parapharyngeal. a T2 fettgesättigt nach KM sagittal.   b T2 fettgesättigt nach KM axial. a

b

Abb. 4  Enoraler und nasopharyngealer Befund im Rahmen der HNO-ärztlichen Verlaufskontrolle nach Abschluss der Chemotherapie. a Unauffällige Darstellung des Oropharynx mittels starrer 0 °   Optik. b Darstellung des Nasopharynx mittels starrer 70 ° Optik ohne erkennbaren tumorösen Prozess, mit leicht verdickter Schleimhaut.

Diskussion



Das Burkitt Lymphom wird zu den ma­ lignen B-Zell-Non-Hodgkin-Lymphomen (NHL) gezählt. Diese entwickeln sich zu ca. 85 % aus dem B-Zell- und zu ca. 15 % aus dem T-Zell-System. Man unterscheidet allgemein niedrigmaligne Formen, deren Vermehrung von reifen lymphatischen Zellen (zyten) stammen sowie

hochmaligne NHL, wie das beschriebene Burkitt-Lymphom. Dieses ist durch kohäsiv wachsende Blasten mit großer Proliferationsrate charakterisiert, weshalb sie sehr gut auf Chemotherapeutika ansprechen. Das Burkitt-Lymphom besitzt einen Manifestationsgipfel im 6.–7. Lebensjahrzehnt, wird jedoch auch vermehrt im Kindes- und Jugendalter beobachtet. Da Nasenrachenprozesse aufgrund mögli-

cher Spätsymptome wie (einseitige) Nasenatmungsbehinderung, Tubenventila­ tionsstörung, Hörminderung, Cephalgien, Blutungen oder B-Symptomatik in der Regel erst im fortgeschrittenen Stadium diagnostiziert werden, besteht bei Kindern infolge regelmäßiger Vorsorgeuntersuchungen durch Kinderund HNO-Ärzte jedoch eine meist frühzeitigere Sensibilisierung. Während das Burkitt-Lymphom in afrikanischen Ländern aufgrund seiner Assozia­ tion zum Epstein-Barr-Virus (EBV) und dem Ausbreitungsgebiet der Malaria endemisch vorkommt, tritt es in Europa und den USA nur sporadisch und v. a. bei immunsupprimierten Patienten auf, was im beschriebenen Patientenfall jedoch nicht der Fall gewesen ist. Ein Nachweis des EBV gelingt dabei in weniger als 20 % der Fälle (Cartwright et al., Hematol ­Oncol 2004; 22: 11–26). Trotz seiner Seltenheit müssen bei unklaren Neubildungen im Kopf-Hals-Bereich auch hämatologische Erkrankungen – wie das Burkitt-Lymphom – in die differenzialdiagnostischen Überlegungen mit einbezogen werden. In der Literatur sind hierzu nur einzelne Fallberichte vorrangig bei Kleinkindern publiziert. So berichten Møller-Andersen K. et al. (Ugreskr Laeger 1998; 160: 4220–4221) von einem pharyngealen Tumor eines 7 Jahre alten dänischen Jungen mit nasaler Obstruktion und linksseitigen zervikalen Lymphknotenvergrößerungen, der CT-morphologisch und histologisch gesichert als Burkitt-Lymphom identifiziert werden konnte. Ebenfalls im (para-) pharyngealen Raum beschreiben Stárek I. et al. (Int J Pediatr Otorhinolayryngol 2004; 68: 601–606) das Vorkommen des Burkitt-Lymphoms als seltene Erscheinung in der pädiatrischen Onkologie, wobei die Prävalenz für diese Tumorentität in der abhängigen Körperregion zusammen mit dem Lipoblastom und dem Gang­ lioneurom unter 20 % liegt. Generell werden die kurativen Aussichten des Burkitt-Lymphoms auch bei ausgeprägtem Befall mit über 50 % beschrieben, wobei Kinder eine bessere Prognose als Erwachsene haben (Int J Pediatr Oto­ ­ rhinolayryngol 2004; 68: 601–606). Dies lässt sich zudem mit den häufig frühzeitigen Diagnosestellungen bei Kindern infolge regelmäßiger Vorsorgeuntersuchungen begründen. Ähnlich unserem Fall berichten auch Wu K. et al. (Int J Pediatr Otorhinolayryngol 2004; 68: 597–600) über ein Kind mit Burkitt-Lymphom im (Naso-) Pharynx. Dieser Befund wurde fälschlicherweise

Pirlich M et al. Unklare Raumforderung im Nasopharynx …  Laryngo-Rhino-Otol 2015; 94: 102–104 ∙ DOI  10.1055/s-0034-1394393

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Der interessante Fall 103

104 Der interessante Fall Fazit für die Praxis



▶ Das NHL im HNO-Bereich ist ein seltenes Krankheitsbild, welches aber mit den typischen Symptomen adenoider Vegetationen in Erscheinung treten kann. ▶ Sollte sich bei jungen Patienten ein stark reduzierter Allgemeinzustand, Risikofaktoren wie Immunsuppres­sion und/oder ein ausgeprägter nasopharyngealer Befund zeigen, ist ein präoperatives Staging und eine histologische Sicherung des fraglichen adenoiden Gewebes dringend angeraten.

▶ Nach Diagnosestellung stellt das Burkitt-Lymphom eine Entität dar, ­ dessen Behandlung in enger Absprache und zeitnaher Einleitung einer Chemotherapie nach Studienprotokoll durch die pädiatrisch-onkologischen Kollegen erfolgen sollte.

Interessenkonflikt: Kein Interessenkonflikt angegeben. M. Pirlich1, M. Fischer1, C. Mozet1, I-S. Horn1, A. Monecke2, A. Dietz1; Leipzig 1

 Universitätsklinikum Leipzig AöR – Klinik und Poliklinik für Hals-Nasen-Ohrenheilkunde 2  Universitätsklinikum Leipzig – Pathologie

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als vergrößerte adenoide Vegetation mit beiderseitigem Paukenerguss gewertet, sodass sich die notwendige Diagnostik und Therapie der aggressiven Erkrankung deutlich verzögerte. Da in diesem Fall sowie in unserer Kasuistik ein hochmalignes NHL vom Burkitt-Typ für die Beschwerden verantwortlich war, sollte die häufig als ätiopathogenetisch verantwortliche adenoide Hyperplasie mit Tubenbelüftungsstörung und konseku­ ­ tivem Mittelohrerguss oder rezidivierender Otitis media im praktischen Alltag, insbesondere bei ungewöhnlich starker Ausprägung, kritisch hinterfragt und histologisch verifiziert werden.

Pirlich M et al. Unklare Raumforderung im Nasopharynx …  Laryngo-Rhino-Otol 2015; 94: 102–104 ∙ DOI  10.1055/s-0034-1394393

[A 4-year-old boy with an unknown tumor in the nasopharyngeal space].

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