6-Mercaptopurin als sichere therapeutische Alternative bei Azathioprinunverträglichkeit bei CED 6-Mercaptopurine as a Safe Therapeutic Alternative for Patients with Inflammatory Bowel Disease Intolerant to Azathioprine Z Gastroenterol 2014; 52: 1093–1094 C. Ott Kennedy NA, Rhatigan E, Arnott ID, Noble CL, Shand AG, Satsangi J, Lees CW. A trial of mercaptopurine is a safe strategy in patients with inflammatory bowel disease intolerant to azathioprine: an observational study, systematic review and meta-analysis. Aliment Pharmacol Ther 2013; 38 (10): 1255 – 1266

Hintergrund Thiopurine (Azathioprin und 6-Mercaptopurin) werden seit Jahrzehnten weit verbreitet in der Behandlung chronisch entzündlicher Darmerkrankungen eingesetzt. Nachdem Anfang der 80er-Jahre zunächst widersprüchliche Daten hinsichtlich der Wirksamkeit von Azathioprin vorlagen (Summers RW. Gastroenterology 1979; 77: 847 – 869; Present DH. N Engl J Med 1980; 302: 981 – 987), wurde im weiteren die Effektivität der Therapie insbesondere hinsichtlich einer Remissionserhaltung sowohl für den Morbus Crohn als auch die Colitis ulcerosa in Cochrane-Analysen bestätigt (Sandborn WJ. Cochrane Database Syst Rev 2000; 2: CD 000545; Prefontaine E. Cochrane Database Syst Rev 2009; 2; CD 000545; Timmer A. Cochrane Database Syst Rev 2012; 9; CD 000478). Der Einsatz von Azathioprin ist jedoch teilweise aufgrund möglicher Nebenwirkungen eingeschränkt. In einer großen retrospektiven Analyse von 3931 Patienten unter Thiopurinen mussten 17 % die Therapie aufgrund von Nebenwirkungen beenden (Chaparro M. Inflamm Bowel Dis 2013; 19: 1404 – 1410). In dieser Analyse fiel jedoch auf, dass mehr als die Hälfte der Patienten nach Beendigung der Therapie diese bei Wiederbeginn komplikationslos vertrug. Die am häufigsten auftretenden Nebenwirkungen einer Thiopurintherapie umfassen dabei Myelotoxizität, das Auftreten einer Hepatitis, Pankreatitis, gastrointestinale Beschwerden, Arthralgien/Myalgien und grippeähnliche Symptome mit oder ohne Fieber.

Bis dato stehen nur wenige in der Behandlung der chronisch entzündlichen Darmerkrankung zugelassene Therapiealternativen zur Verfügung, welche ebenso ein großes Nebenwirkungsspektrum besitzen und z. T. mit hohen Therapiekosten verbunden sind. Die hier vorliegende Studie untersucht nun anhand eigener retrospektiver Daten, aber auch erstmalig im Sinne einer Metaanalyse unter Einbezug bisher veröffentlichter Studien die Möglichkeit einer Umstellung der Thiopurintherapie von Azathioprin auf 6Mercaptopurin bei CED-Patienten mit Azathioprinunverträglichkeit.

Zusammenfassung In der retrospektiven Analyse eines tertiären Zentrums für CED wurden insgesamt 149 Patienten eingeschlossen, welche eine Unverträglichkeit gegenüber Azathioprin aufwiesen. Dabei umfasste die Studie 82 Patienten mit Morbus Crohn und 67 Patienten mit Colitis ulcerosa. Die Azathioprinunverträglichkeit wurde definiert als Notwendigkeit zur Beendigung der Therapie aufgrund unerwünschter Nebenwirkungen. Dabei wurden insgesamt 8 Kategorien der Intoleranz mit schweren Unverträglichkeiten (Pankreatitis, Neutropenie, Hepatotoxizität und Malignität) und geringeren Unverträglichkeitsreaktionen (abdominelle Beschwerden, grippeähnliche Symptome, allergische Reaktionen und andere Nebenwirkungen wie isolierte Kopfschmerzen, Alopezie o. ä.) definiert. Von den 149 Patienten mit Unverträglichkeitsreaktionen gegenüber Azathioprin vertrugen 86 Patienten (58 %) die anschließend eingeleitete Therapie mit 6-MP. Im weiteren Verlauf hatten 31 Patienten die 6-MPTherapie abgesetzt (15 bei stabiler Remission, 10 nach OP, 2 aufgrund refraktärem Verlauf und 4 aus anderen Gründen). Die mittlere Therapiedauer mit 6-MP betrug 972 Tage. Von den 64 Patienten, welche nach Umstellung der Therapie ebenso eine Unverträglichkeit gegen 6-MP aufwiesen, zeigten 59 % dieselbe Nebenwirkung wie unter Azathioprin. Dabei waren die am häufigsten beklagten Nebenwirkungen abdominelle Beschwerden. Dennoch tolerierten 61 % der Patienten mit gastrointestinalen Nebenwirkungen unter Azathioprin die Therapie mit 6-MP. Bei 60 % der Patienten mit Hepatotoxizität unter Azathioprin war eine Therapie mit 6-MP möglich. Dahingegen tolerierten nur 36 %

der Patient mit grippeähnlichen Symptomen eine folgende 6-MP-Therapie, 69 % der Patienten litten unter denselben Symptomen unter der umgestellten Therapie. Eine Pankreatitis war nur bei einem der Patienten, welche auf eine 6-MP-Therapie umgestellt wurden, der Grund für eine Beendigung der Azathioprintherapie. Auch unter der Therapie mit 6-MP entwickelte dieser Patient einen Schub der Pankreatitis. Zwei weitere Patienten mussten 6-MP aufgrund einer Pankreatitis absetzen, wobei diese Patienten unter Azathioprin keine pankreatitischen Beschwerden hatten. Insgesamt zeigte sich kein Unterschied hinsichtlich der Verträglichkeit von 6-MP bei Vorliegen von schweren Nebenwirkungen unter Azathioprin oder geringer schweren Unverträglichkeiten (58 vs. 57 %, p = 1). Als Einflussfaktor auf die Verträglichkeit konnten die Autoren eine Assoziation mit der Krankheitsentität zeigen. Patienten mit M. Crohn tolerierten 6-MP schlechter als Patienten mit C. ulcerosa (48 vs. 71 %, p = 0,015). Andere Faktoren, wie Alter bei Therapiebeginn, Ausdehnung der Erkrankung, Nikotinkonsum, Notwendigkeit einer OP, positive Familienanamnese oder extraintestinale Manifestationen beeinflussten die Verträglichkeit der Therapie nicht. Auch die TPMT-Aktivität hatte keinen Einfluss auf die Verträglichkeit von 6-MP. In die systematische Metaanalyse wurden neben den eigenen Daten Ergebnisse aus 10 weiteren Analysen eingeschlossen. Somit wurden insgesamt 448 Patienten mit einer Unverträglichkeit gegenüber Azathioprin und folgender 6-MP-Therapie analysiert. Neun der 10 Studien waren ebenso retrospektive Arbeiten, eine prospektive unkontrollierte Studie hinsichtlich der Wirksamkeit von Azathioprin berichtete ebenso über Unverträglichkeitsreaktionen, sodass sie mit einbezogen werden konnte. Die Metaanalyse zeigte eine Tolerabilität von 6-MP bei Azathioprinunverträglichkeit bei 67 % der Patienten (95 %CI, 14 – 57 %). Dabei bestätigte sich, dass Patienten mit grippeähnlichen Symptomen die 6-MPTherapie seltener vertrugen (36 %), als Patienten mit abdominellen Beschwerden (62 %), Hepatotoxizität (81 %), Myelotoxizität (74 %) oder allergischen Reaktionen (67 %). Dabei wurden in 2 Studien Patienten nach einer azathioprininduzierten Pankreatitis mit 6-MP behandelt, hier betrug die Verträglichkeit von 6-MP 28 %.

Ott C. 6-Mercaptopurin als sichere … Z Gastroenterol 2014; 52: 1093–1094 · DOI http://dx.doi.org/10.1055/s-0034-1366637

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Kommentar Neben einem therapierefraktären Verlauf ist der häufigste Grund für die Beendigung der Azathioprintherapie bei Patienten mit CED eine Unverträglichkeitsreaktion. Die hier vorliegende Arbeit mit inkludierter Metaanalyse zeigt die Möglichkeit eines Therapiewechsels auf 6-MP, bevor ein Substanzklassenwechsel auf z. B. eine anti-TNF gerichtete Therapie erfolgt. Insbesondere bei Nebenwirkungen wie gastrointestinalen Beschwerden, aber auch bei einem Anstieg der Transaminasen scheint ein Versuch der Umstellung der Therapie auf 6MP eine Therapieoption zu sein, welche in die Behandlungsstrategie mit einbezogen werden sollte. Bei Auftreten grippeähnlicher Symptome ist die Tolerabilität von 6MP hingegen deutlich schlechter. Bezüglich eines Therapieversuchs mit 6-MP bei Auftreten einer azathioprininduzierten Pankreatitis liegen in dieser Analyse nur wenige Daten vor, sodass diesbezüglich keine Empfehlung gegeben werden kann. Vereinzelte Fallberichte zeigten eine Verträglichkeit von 6-MP nach azathioprininduzierter Pankreatitis in 3 von 7 Fällen (Beswick L. Aliment Pharmacol Ther 2013; 37: 162) bzw. 2 von 7 Fällen (Hindorf U. Aliment Pharmacol Ther 2009; 29: 654 – 661). Seit Einführung der Anti-TNF-Therapien in der Behandlung der chronisch entzündlichen Darmerkrankungen wird die Rolle der Thiopurintherapie während der letzten Zeit zunehmend kontrovers diskutiert. Eine 2011 publizierte Metaanalyse konnte keinen remissionsinduzierenden Effekt der Thiopurine nachweisen (Khan KJ. Am J Gastroenterol 2011; 106: 630 – 642), ebenso wie die zuletzt publizierte Cochrane-Metaanalyse von 2013 (Chande N. Cochrane Database Syst Rev 2013; 4: CD 000545). Diese Tatsache ist jedoch gut durch den verzögerten Wirkungseintritt der Thiopurine erklärt. Die 2010 veröffentlichte SONIC-Studie untersuchte einen frühen Einsatz von Azathioprin, Infliximab oder einer Kombinationstherapie aus beiden Substanzen bei Patienten mit M. Crohn (Colombel JF. N Engl J Med 2010; 362: 1383 – 1395). Die Ergebnisse zeigten einen Vorteil für den Einsatz von Infiliximab oder der Kombinationstherapie aus Infliximab und Azathioprin, woraufhin die Thiopurinmonotherapie zunehmend infrage gestellt wurde. Zwei kürzlich erschienene Arbeiten untersuchten nun den Effekt einer Thiopurintherapie bei

Erstdiagnose eines M. Crohn (Panés J. Gastroenterology 2013; 145: 766 – 774; Cosnes J. Gastroenterology 2013; 145: 758 – 765). Beide Studien konnten keinen eindeutigen Vorteil für eine frühe Therapie mit Azathioprin im Vergleich zu Placebo zeigen, wobei beide Studien deutliche Limitationen aufweisen. In der Studie von Panés et al. (AZTEC-Studie) wurden alle Patienten mit der Erstdiagnose eines M. Crohn eingeschlossen, wobei beinahe die Hälfte der Patienten die Studie vorzeitig abbrach. Hierzu bleibt anzumerken, dass Daten aus populationsbasierten Kohorten zeigen, dass bis zu 50 % der Patienten mit einer CED einen prinzipiell milden Verlauf der Erkrankung aufweisen (Solberg IC. Scan J Gastroenterol 2009; 44: 431 – 440. Solberg IC. Clin Gastroenterol Hepatol 2007; 5: 1430 – 1438) und ein Teil dieser Patienten im Verlauf niemals eine immunsuppressive Therapie benötigt. Nur ein kleiner Teil der in die AZTEC-Studie eingeschlossenen Patienten hatte eine nachweisliche Krankheitsaktivität bei Randomisierung und die Hälfte der Therapieabbrecher in der Azathiopringruppe tat dies aufgrund von Nebenwirkungen. Ein Wechsel der Therapie auf 6-MP war in der Studie nicht vorgesehen. In Anbetracht der geringen Patientenzahlen mit 37 Patienten in der Verum- und 32 Patienten in der Placebogruppe und der insgesamt unselektierten Patientenkohorte ist eine verlässliche Schlussfolgerung hier schwierig, zumal eine Post-hoc-Analyse zeigte, dass der Einsatz von Azathioprin die Rate schwerer Schübe signifikant reduzierte (11,8 vs. 30,2 %, p = 0,01). In der Studie von Cosnes et al. wurden dahingegen Patienten mit einem erhöhten Risiko für einen komplexen Verlauf eingeschlossen. Jedoch war die Studie mit einem Open-label-Design hinsichtlich der Medikation konzipiert, sodass hier ein eindeutiger Bias bestand. Zudem erhielten etwa 60 % der Kontrollpatienten im zweiten und dritten Studienjahr ebenso Azathioprin, sodass lediglich 40 % der Kontrollgruppe „echte“ Kontrollen waren – eine Tatsache, welche die Interpretation der Daten weiter erschwert. Trotz dieser Limitationen können die oben beschriebenen Studien, welche auf den ersten Blick keinen positiven Effekt von Azathioprin suggerieren, die Frage nach einem gerechtfertigten Einsatz von Azathioprin aufwerfen, zumal das Nebenwirkungsspektrum der Thiopurintherapie mit

einem erhöhten Risiko opportunistischer Infektionen, Risiko der Lymphomentstehung und der Entstehung von nicht melanozytären Hautmalignomen nicht außer Acht gelassen werden kann. Sollen wir die Thiopurintherapie somit aus dem alltäglichen Repertoire der CED-Behandlung streichen und stattdessen prinzipiell eine Anti-TNF-Therapie bevorzugen mit ähnlichem Nebenwirkungsprofil bei deutlich höheren Therapiekosten? Der remissionserhaltende Effekt der Thiopurine ist gut belegt, ebenso wie der steroidsparende Effekt (Prefontaine E. Cochrane Database Syst Rev 2009; 2: CD 000545). Zudem konnte postoperativ ein remissionserhaltender Effekt für Thiopurine nachgewiesen werden (Peyrin-Biroulet L. Am J Gastroenterol 2009; 104: 2089 – 2096). Wirkliche Head-to-headStudien, welche die Langzeitergebnisse der Thiopurintherapie gegenüber einer Anti-TNF-Therapie in einer alltäglichen Patientenkohorte bewerten, sind nicht vorhanden – und ob es sie jemals geben wird, ist fraglich. Nicht zuletzt kann der Einsatz der Thiopurintherapie durch viele positive Erfahrungen aus der alltäglichen Behandlung insbesondere hinsichtlich der Remissionserhaltung aktuell sicherlich gerechtfertigt werden. Aufgrund der zudem bisher (noch) eingeschränkten Therapieoptionen sollten die zur Verfügung stehenden Therapeutika im Sinne eines akzelerierten Step-up-Managements optimal genutzt werden. Dabei unterstreicht die hier vorliegende Arbeit von Kennedy et al., dass eine Umstellung der Azathioprintherapie auf eine 6-MPTherapie bei einem Teil der Patienten mit Unverträglichkeitsreaktionen zur optimalen Nutzung beitragen kann und diese Option in der täglichen Praxis nicht außer Acht gelassen werden sollte. Interessenkonflikte: C. Ott hat während der letzten 3 Jahre Vortragshonorare der Firmen Falk Foundation, MSD und AbbVie erhalten. Sie ist Mitglied eines Beratungsgremiums der Fa. MSD. Dr. Claudia Ott Klinik und Poliklinik für Innere Medizin I, Universitätsklinik Regensburg Franz-Josef-Strauß-Allee 11 93053 Regensburg Tel.: ++ 49/9 41/9 44 70 03 Fax: ++ 49/9 41/9 44 70 04 [email protected]

Ott C. 6-Mercaptopurin als sichere … Z Gastroenterol 2014; 52: 1093–1094 · DOI http://dx.doi.org/10.1055/s-0034-1366637

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